25. Juli 2009

Zum 100. Geburtstag des rumänischen Philosophen Constantin Noica

Bekanntlich verbrachte Constantin Noica (geboren 25. 7. 1909 Vitănești/Teleorman, gestorben 4. 12. 1987 Hermannstadt), der wohl einflussreichste rumä­nische Philosoph unserer Zeit, die letzten zwölf Jahre seines Lebens auf der Hohen Rinne bei Hermannstadt („4000 Fuß über der Menschheit“, wie er mal in Zeiten finsterster Ceaușescu-Dikta­tur scherzte). Hierher pilgerten unter den Augen der Securitate seine Schüler und Bewunderer aus dem ganzen Land und hier betrieb er seine stark vom deutschen Idealismus bis hin zum Existentialismus Heideggers geprägte Philoso­phenschule „Școala de la Păltiniș“ – eine perma­nente Herausforderung für das Regime und seine allgegenwärtigen Wächter.
Als der noch rüstige Philosoph am 4. Dezember 1987 an den Folgen eines Oberschenkelhalsbruches starb, den er sich im Wohnzimmer bei der Jagd auf eine Maus zugezogen hatte, hüllten sich die rumänischen Medien in Schweigen. Nur Vocea Americii, Euro­pa Liberă und die BBC unterbrachen ihre Sen­dungen für die Nachricht vom Tod des rumänischen Meisterdenkers, dem ein Jahr zuvor be­reits der andere weltberühmte Rumäne, Mircea Eliade, vorausgegangen war. Das von Noica in­mitten eines Fichtenwaldes bewohnte Haus (Villa Nr. 4) wurde gleich nach der Revolution von Kul­turminister Andrei Pleșu 1990 zum Gedenkhaus erklärt. 2003 wurde es auf Initiative seines Schü­lers und Herausgebers Gabriel Liiceanu von der Humanitas-Stiftung erworben und ist nur noch für Philosophie-Stipendiaten geöffnet.

Statt einer Würdigung des jahrelang auch poli­tisch Inhaftierten, der sich sogar traute, den ruh­mesgeilen Parteibarden Adrian Păunescu mit einem schlauen Spruch abblitzen zu lassen (sie­he Hermannstädter Zeitung vom 10. 7. 2009), bringen wir hier einen Auszug aus Dieter Schle­saks Buch „Eine Transsylvanische Reise“ (2004). Die Zeilen sind dem Kapitel „Rumänische Welt­kultur“ entnommen und entstanden 1997. Viel­leicht erinnern sie nicht von ungefähr an Nova­lis’ Sehnsuchtssymbol der „blauen Blume“.
Constantin Noicas Grabstätte auf der Hohen Rinne ...
Constantin Noicas Grabstätte auf der Hohen Rinne bei Hermannstadt. Foto: der Verfasser
„Noica ist seit zehn Jahren tot. Sein Grab liegt neben einem kleinen Kloster auf einer Lichtung, umgeben von Buchen und hohen Tannen. Mit einem Freund stand ich auf dieser Lichtung; aus der offenen Tür der Klosterkapelle war der mo­notone orthodoxe Wechselgesang eines Mönchs und einer Nonne zu hören. Aus dem Wald dazu das Vogelgezwitscher, Wasserrauschen in dieser harzig-würzigen Luft, rein wie kristallklares Quellwasser; und ich konnte den aus der Kind­heit vertrauten Geruch der Gebirgswalderde und des Rauches von Holzfeuer wahrnehmen. Es war wie ein Erinnerungsschock, denn nirgends sonst gibt es den mineralisch-harzig-modrigen Geruch dieser Tannen der Karpaten. Eine Wand schien zu fallen, und ein Moment wahrer Emp­findung von Wirklichkeit war da – wie ein wiedergefundenes Glück. Die vollerlebte Präsenz, ich fühlte mit allen Sinnen Anwesenheit. Und ich wusste plötzlich, dass Fremde nur ein innerer Zustand der Schwäche ist; Liebe gehört überall als Heimat zu den Glücksmomenten an jeden Ort der Erde, wie ich es jetzt hier vorempfunden hatte, nur hier ist es leichter, die Wand ist viel dünner als etwa in hektischen Großstädten, die Fremde erzeugen und bindungslose ‚Freiheit‘ im Anonymen.“

Fast unbekannt ist die Tatsache, dass die An­lage des orthodoxen Erholungsheimes Schitul Păltiniș einschließlich des Kirchleins selbst auf Entwürfe eines Hermannstädter Architekten­kollektivs unter der Leitung von Fritz Buertmes zurückgehen. Stil und Bauweise orientierten sich an der Architektur der nordsiebenbürgischen Holzkirchen. Anfang August 1928 wurde das rumänische Erholungsheim und die Kirche von ihrem Stifter, Metropolit Nicolae Bălan, in Anwe­senheit von Prinz Nikolaus eingeweiht. Weil der Prinzregent sogar geruhte, den Nachmittagskaf­fee im nahegelegenen Kurhaus mit Dr. Fritz Kepp und anderen Honoratioren aus dem Umfeld es SKV einzunehmen, wurde er umgehend zum Ehrenmitglied des Siebenbürgischen Karpaten­vereins ernannt. Immerhin war er der erste Repräsentant des rumänischen Königshauses, der dem siebenbürgisch-deutschen Verein seine Aufwartung machte.

Konrad Klein

Schlagwörter: Philosoph, Gedenken, Rumänien und Siebenbürgen, Hermannstadt

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