21. November 2014

Präsidentschaftswahl in München: Die andere Seite

Mehr als 5000 Menschen vor dem Rumänienhaus in München am 16. November zeigen es: Wir sprechen nicht von einem Wahlvorgang, sondern von einer Volksbewegung. Eine Bewegung, die nicht nur Klaus Johannis zum Präsidenten erheben wollte, sondern auch das ganze administrativ-politische System in Rumänien abgemahnt hat. Doch es gibt eine Innen- und eine Außensicht dieses denk- und merkwürdigen Tages.
Die Außensicht wird überall in der Presse und in den sozialen Medien weitergereicht. Wütende, aber doch zivilisierte Wähler, die von den Behörden nicht nur gehindert werden zu wählen, sondern auch – wie vom Außenminister – auf die Schippe genommen werden. Bilder von vielen begeisterten jungen Menschen, die nichts anderes wollen, als ein Stückchen normales Leben in Rumänien. Die Revolution von 1989 wird in gewisser Weise friedlich fortgesetzt. Das Establishment wird abgewatscht.

Auch der Schreiber dieser Zeilen stand sich die Beine in den Bauch vor dem rumänischen Generalkonsulat in München. Mit Frau und zwei Kleinkindern wurde er fast erdrückt von der Menschenmasse, aber auch erheitert durch die vielen gelungenen Pointen der witzigen Wähler. Er war gerührt von dem selbstlosen Beispiel vieler, wie etwa von dem der alleinerziehenden Mutter aus der Nürnberger Gegend, die von allen Nachbarn für verrückt erklärt wurde, weil sie ihre kleine Tochter in der Früh um vier zum Bahnhof schleppte, um mit ihr nach München zu fahren, um den Sonntag in der Wahlschlange zu verbringen. Mit ihr tauschten wir Brezel und Jause.
Tausende Menschen warteten am 16. November 2014 ...
Tausende Menschen warteten am 16. November 2014 vor dem Generalkonsulat in München, um wählen zu können. In Deutschland stimmten 16.816 rumänische Staatsangehörige ab, davon 96,05 Prozent für Klaus Johannis. Foto: Radu Neag
Aber der Schreiber dieser Zeilen kennt auch – als gelegentlicher Besucher des rumänischen Generalkonsulats in München –die andere Sicht, die Sicht von Innen: Die Mitarbeiter des Konsulates, auch wenn sie zeitweilig niedergeschrien wurden, verdammt oder sogar mit Eiern beworfen wurden, haben Übermenschliches geleistet, um das zu tun, was in ihrer Macht stand. Und der Spielraum dafür ist sehr, sehr gering gewesen, durch gesetzliche, räumliche oder personelle Zwänge. Letztendlich standen nicht die Angestellten der Botschaften oder Konsulate in der Verantwortung für den Wahlvorgang. Sie stellten nur die Infrastruktur. Für die Wahl gab es von dem Zentralen Wahlbüro delegierte Verantwortliche jenseits der Beamten, die den Prozess zu leiten hatten. Vielleicht sollte man es wissen, dass das rumänische Generalkonsulat in München über lediglich sechs (!) Beamte verfügt, gerade genug, um Pässe und andere Dokumente auszustellen. Von diesen sechs wurden auch noch drei abgezogen, um in Stuttgart die Infrastruktur zu stellen. Mit lediglich drei Angestellten musste das Konsulat in München also dem Ansturm der vielen Tausend standhalten. Symbolisch war, dass man am Montag danach sogar den Generalkonsul Anton Niculescu sehen konnte, wie er persönlich die Hand anlegte, um Zäune abzubauen und Müll von dem Gelände zu entfernen! Es waren ja kein anderen Mitarbeiter da …

Schon im Vorfeld wurden Schlüsse aus den Erfahrungen des ersten Wahlgangs gezogen und umgesetzt. Eine separate Schlange für Eltern mit Kindern wurde eingerichtet, aus Respekt für die Familien. Zwei Münchner Vereine wurden herangezogen, um Volontäre zu stellen. „Asociația Romano-Germana“ und „München Voteaza“. Ihnen gebührt Dank für die Ruhe, die sie in die Menschenmasse gebracht haben, und auch für den Kaffee und Tee, der uns an diesem trüben (aber doch hellen) Tag wärmte. Mobile Toiletten wurden aufgestellt und mit der Münchner Polizei zusammengearbeitet. Diese war dann so diskret, dass zum Ende des Tages die Massen riefen: „Danke Bundespolizei“.

Der Wahlvorgang wurde flüssig gemacht, indem man zum Haupteingang hineinging und zur Feuertüre hinaus. Damit wurden bei jedem Wähler Augenblicke gespart, die in der Summe etwas bedeutet haben. So konnte die Zahl der Wählenden vom ersten zum zweiten Wahlgang glatt verdoppelt werden. Es wählten am 16. November in München 4080 Personen. In der Tat waren es statt fünf Stempel nun … sieben. Mehr wurden aus Bukarest nicht zugestanden. Und was die Menschen an den Tischen betraf, sie arbeiteten ununterbrochen 14 Stunden unter dem Druck der Massen, das muss man sich mal vorstellen. Essen waren sie mit Sicherheit nicht, vielleicht gerade mal am Klo.

So wurde der enge Rahmen mit enormem Einsatz ausgeschöpft. Wer hätte aber den Rahmen verändern können? Wer hätte das Angebot der Stadt München annehmen können, die Messehalle kostenlos zu nutzen? Sicher nicht die Mitarbeiter des Konsulats. In Stuttgart ist am Ende der Wahlzeit die große Halle der L-Bank mit hunderten Menschen gefüllt worden, um ihnen auch nach 21 Uhr noch die Möglichkeit der Wahl zu schaffen. Für diesen mutigen Entschluss haben die Mitglieder der Wahlkommission nun eine gerichtliche Klage am Hals, denn das Wahlgesetzt sagt, dass im Wahllokal selbst nach Schluss nur so viele Wähler drinnen bleiben können, wie viele Stempel im Umlauf sind. Dank gebührt den Mitarbeitern, Volontären und Helfern, die das gemacht haben, was menschenmöglich war. Wir hoffen auf bessere Zeiten.

Dr. Stefan Cosoroabă

Schlagwörter: Wahl, München

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