30. September 2017

"Das Komm mit ist mein Baby"

Ob Dinkelsbühl oder Hermannstadt – Nina May, 52, stellvertretende Chefredakteurin der Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien und Korrespondentin der Siebenbürgischen Zeitung, und ihr Mann, der Fotograf George Dumitriu, sind allgegenwärtig in Ost und West. Seit 2014 berichten sie auch für unsere Zeitung über das, was Rumänien und die Siebenbürger bewegt, jüngst etwa über das große Sachsentreffen in Hermannstadt, die Kulturwoche im Haferland oder Schloss Horneck als künftiges Kultur- und Begegnungszentrum.
Weniger bekannt ist, dass die Beiden intime Rumänien-Kenner sind und sich für einen Tourismus „jenseits der ausgelatschten Pfade“ engagieren, bei dem nicht Konsum, sondern Horizonterweiterung und Nachhaltigkeit im Vordergrund stehen. Weshalb sie auch gern Örtlichkeiten besuchen, die nicht in jedem Reiseführer stehen und wohin sich ein siebenbürgisch-sächsischer Tourist nur selten verirren würde. Wer hat auch schon von den Slowaken in Aleșd gehört oder kann behaupten, vor dem goldenen Brustreliquiar des hl. Ladislaus in der Schatzkammer des Museums Szent Lászlo der barocken Kathedrale in Großwardein (der größten des Landes!) gestanden zu haben (beides im Komm mit 2017)? Dass sich hier sogar das Grab von Sigismund von Luxemburg (+1437) befindet – geschenkt; wenn auch touristisch bedeutungslos.

George Dumitriu, geboren 1952 in Târgu Bujor, ist als Fotograf längst kein Unbekannter mehr. Insbesondere sein opulenter, mittlerweile in zweiter Auflage erschienene Bildband „România în Patrimoniu UNESCO“ (Das Welterbe Rumäniens) von 2011 besticht durch seine gediegenen, nicht auf Effekthascherei abzielenden Aufnahmen der unter dem Schutz der UNESCO stehenden Kulturdenkmäler und Landschaften Rumäniens von den Holzkirchen der Marmarosch und den Dörfern und Kirchenburgen Siebenbürgens über die Festungen der Daker und die bemalten Klöster der Nordmoldau bis hin zum Biosphärenreservat Donaudelta. Ebenso Bildbände über die Daker („I Daci“, 1997) mit vorzüglichen Sachaufnahmen oder auch ein zum Herunterladen gedachtes Schulbuch über das Kulturerbe des Kreises Kronstadt (2013).
Eingespieltes Duo: ADZ-Redakteurin Nina May und ...
Eingespieltes Duo: ADZ-Redakteurin Nina May und der Fotograf George Dumitriu auf dem diesjährigen Heimattag in Dinkelsbühl. Foto: Konrad Klein
Nina May, gebürtige Linzerin, fühlt sich Rumänien, diesem „riesigen Ethno-Patchwork“, in besonderer Weise verbunden, vielleicht auch, weil sich die studierte Physikerin mit Interesse für Neues Bewusstsein und Quantenphysik von östlicher Spiritualität angezogen fühlt. Als Anhängerin eines sanften Tourismus (Ökotourismus) durchstreift sie mit ihrem Mann ethnografisch reizvolle Gebiete, wobei gerade Rumänien bekanntlich viel zu bieten hat, Stichwort Minderheitentourismus. Dabei bleibt auch die Kunst- und Kulturgeschichte, Geologie und Botanik nicht auf der Strecke – jener Erfolgsmix, der seinerzeit den guten alten Neuer-Weg-/ADZ-Reiseführer Komm mit ausmachte. Und genau deshalb sorgte May 2013 mit einem neuen Konzept für die Wiederbelebung des beliebten Reiseführers, für den sie auch die meisten Beiträge schreibt. „Das Komm mit ist sozusagen mein Baby, ich habe das Konzept und die Grafik gemacht, die Beiträge koordiniert, alles gelayoutet. Bei Honterus wird es lediglich gedruckt“, so May vor wenigen Tagen in einer Mail an den Verfasser.

Vor wenigen Wochen ist nun die zweite Ausgabe der neuen Folge des ansprechend gemachten und exzellent gedruckten Rumänien-Büchleins erschienen. Während in der ersten Ausgabe das Sach- und Kulturerbe im Vordergrund stand, sind es diesmal mehr die Menschen mit ihren Festen, Bräuchen und kulinarischen Spezialitäten. Einen Schwerpunkt bilden das Banat, z. B. das serbische Feigenparadies Svinița oder die tschechische Enklave Eibenthal am Eisernen Tor, einen weiteren das Kreischgebiet (Großwardein, Palota, Salonta, Bildegg) und – besonders ausführlich die Dobrudscha mit ihrer schwindelerregenden Vielfalt ethnischer Gruppen: die italienische Minderheit in Greci (Măcin-Nationalpark), Lipowaner in Letea oder die türkische und tatarische Minderheit in der Hafenstadt Sulina mit ihrem weltberühmten multiethnischen Friedhof für sieben Religionen.
Königliche Kraftwagenkolonne am Tag der ...
Königliche Kraftwagenkolonne am Tag der Einweihung der Königstraße, hier beim Empfang des Segens durch den Popen von Jina (6. Oktober 1935). Vorne der von König Carol II. gesteuerte Rolls Royce, neben ihm Ministerpräsident Gh. Tătărescu. Auf dem Rücksitz Thronfolger Michael (von seinem Vater stets Mihăiță genannt), vermutlich mit dem aus Schäßburg stammenden Hofchauffeur Georg Schuller. In den Begleitfahrzeugen danach folgten die königliche Suite, mehrere Minister und die im Text genannten Abgeordneten. Foto: Dr. Eugen Dobrotă, Samml. Dr. Mircea Dragoteanu
Doch es gibt auch weniger exotische, sprich: siebenbürgischere Themen wie zum Beispiel Mühlbach mit seiner Kirche und dem Roten Berg, die wieder aufgebaute Repser Burg, den „grünen Mann von Reichesdorf“ (das bereits europaweit bekannte Original Johann Schaas, Kurator und Kirchenführer) oder das Szeklerland mit seiner Vorzeige-Kirchenburg Dârjiu (Dersz). Nicht zu vergessen die letzte Waldbahn Europas in Oberwischau, deren Dampflok auf den niedlichen Namen Măriuța hört.

Wo Ada-Kaleh heute noch fortlebt

Ein Herz für Salz (faszinierendes Porträt des bukowinischen Salz- und Wallfahrtsortes Cacica und seiner überwiegend polnischen Minderheit) und „alte Steine“ hat Nina May auch, wie an den Beispielen des Menhirs von Peceneaga oder den prähistorischen Steinskulpturen bei Drobeta-Turnu Severin/Lepenski Vir deutlich wird. Nicht zu vergessen ein Rundgang im Museum Eisernes Tor mit seinem wiederaufgebauten türkischen Kaffeesalon von der im Stausee versunkenen Donauinsel Ada–Kaleh, die zumindest botanisch in einem Vorgarten fortlebt, den ein ehemaliger türkischer Inselbewohner mit Stecklingen der dort vorkommenden Pflanzen angelegt hat.

Richtig spannend wird es beim „Lichträtsel von Pătrăuți“, einem 1487 von Stefan dem Großen gestifteten Kirchlein, wo die studierte Physikerin dem wohl nicht zufälligen Lichteinfall an einem bestimmten Tag eines kappadokischen Heiligen (8. August) im dortigen Kirchlein nachgeht, übrigens ein Bau, der schon seit langem für seine perfekten Proportionen (Goldener Schnitt) gerühmt wurde. Es wäre schön, wenn sich May in einer kommenden Ausgabe des Komm mit auch mal mit den boomenden alten und neuen Kraftorten in Rumänien beschäftigen würde, etwa jenem von Șinca Veche. Wie auch immer: eine anregendere, vielseitigere, mit so viel Herzblut geschriebene Lektüre zum Reiseland Rumänien lässt sich kaum finden.

Eine Richtigstellung zu einem Artikel von Andreea Oance über die rumänischen Höhenstraßen sei hier noch erlaubt, zumal der Autor schon selbst über die Transalpina geschrieben hatte (SbZ Online vom 9. November 2013; wiederabgedruckt im ADZ-Jahrbuch 2014). Die heute von ahnungslosen Journalisten verwendete Übersetzung „Straße des Königs“ für die Königstraße bzw. Transalpina („Drumul Regelui“, offiziell „Drumul Regelui Carol II.“, siehe Jahrbuch des Siebenbürgischen Karpathenvereins 1936, S. 46) ist ahistorisch und wurde niemals gebraucht. Außerdem wurde die höchste Karpatenstraße Rumäniens nicht 1939, sondern bereits am 6. Oktober 1935 durch König Carol II. in Selischte im Beisein von Prinz Friedrich von Hohenzollern, Ministerpräsident Gheorghe Tătărescu, Komitatspräfekt Nicolae Regman, Großfürst Michael und anderen Honoratioren eingeweiht. Mit von der Partie, bei welcher der als geschwindigkeitsverliebter Autofreak bekannte König den „‚Kraftwagen“ selbst steuerte, waren auch die sächsischen Abgeordneten Dr. Hans Otto Roth und Dr. Otto Herzog. Beim Jägerhaus Oașa (ganz in der Nähe hatte sich der Schriftsteller Mihail Sadoveanu eine eigene Jagdhütte errichtet) wurde dann ein Zwischenstopp mit einem Festessen gemacht – alles nachzulesen im Siebenbürgisch-Deutschen Tageblatt vom 8. Oktober 1935, Seite 1.
Konrad Klein mit Nina May und George Dumitriu vor ...
Konrad Klein mit Nina May und George Dumitriu vor der Schranne in Dinkelsbühl (2017). Foto: Lukas Geddert (Handyfoto)
Bestellungen des Reiseführers Komm mit in Deutschland zum Preis von 11, 90 Euro, zzgl. 3 Euro Versand, über die Erasmus Buchhandlung, Hermannstadt, deutsche Festnetznummer: (0228) 90919557, E-Mail: Erasmus@buechercafe.ro. Zum Führer direkt: http://www.buechercafe.ro/artikel.html?nummer=63193)

Konrad Klein

Konrad Klein, geb. 1952 in Hermannstadt, zählte bis zu seiner Auswanderung 1979 zu den Mitarbeitern des „alten“ Komm mit. Seinen Beitrag über das Siebenbürgische Erzgebirge fürs Komm mit 1980 schrieb er bereits auf gepackten Koffern, wo er dann unter dem ‚Notnamen‘ K. Konrad erschien. Ein Artikel über Höhlenkirchen in Rumänien (Cetățeni/Negru Vodă, Corbi, Nămăești, Colți/Kr. Buzău) konnte wegen seiner religiösen Thematik („mystisch-obskurantistische Tendenzen“, wie es damals hieß) nicht erscheinen.

Schlagwörter: Reiseführer, Rumänien, Reisen

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