3. Februar 2008

Kirchenburgen vor dem Verfall retten

Mit der Einrichtung der „Leitstelle Kirchenburgen“ im Mai 2007 unternahm die Evangelische Kirche als Projektträger einen wichtigen Schritt zum Erhalt dieses in Europa einzigartigen kulturhistorischen und architektonischen Erbes. Trotz ihrer vielfältigen Bemühungen in den vergangenen Jahren sowie zahlreicher Einzelinitiativen sind rund 100 der ca. 160 Kirchenburgen in Siebenbürgen derzeit dem Verfall preisgegeben. Ihr baulicher Zustand reicht von mittleren Schäden bis hin zur Einsturzgefährdung. Durch ein breitenwirksames Programm, das gezielt auf die bauliche Sicherung dieser Kirchenburgen für die nächsten zehn Jahre ausgerichtet ist, soll dieser Verfall gestoppt werden. Das folgende Interview mit Ioana Deac, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit der Leitstelle Kirchenburgen, führte Ruxandra Stănescu.
Frau Deac, wie kam es zur Gründung der Leitstelle Kirchenburgen?

Den Anstrengungen der Kirchenverwaltung, das wertvolle siebenbürgisch-sächsische Kulturgut zu retten, waren in den vergangenen Jahren wegen finanzieller Mittelknappheit und fehlendem Personal enge Grenzen gesetzt. Die Leitung der Evangelischen Kirche beantragte aus diesem Grund Förderung beim deutschen Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ) für den Aufbau einer „Leitstelle Kirchenburgen“. Ziel war es, professionelles Know-How aufzubauen, um daraufhin die nötigen Finanzmittel für bauliche Maßnahmen einwerben zu können. Diese Unterstützung wird durch die Deutsche Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) für eine Zeitspanne von insgesamt zwei Jahren gewährleistet. Es wird davon ausgegangen, dass nach einer erfolgreichen GTZ-finanzierten Startphase Sponsorenmittel auch für die zukünftigen Personalkosten der Leitstelle eingeworben werden können.
Bauarbeiten, die die Leitstelle Kirchenburgen im ...
Bauarbeiten, die die Leitstelle Kirchenburgen im Herbst 2007 im Kirchenbezirk Hermannstadt durchgeführt hat: Baustelle in Tarteln.
Wie viele Mitarbeiter hat die Leitstelle gegenwärtig?

Zurzeit sind Dr. Gabriella Olasz Niedermaier und Bertram Plate als Architekten in der Leitstelle beschäftigt. Steffen Mildner ist Projektkoordinator, Theodora Borghoff ist für die Erarbeitung eines Antrags auf EU-Finanzierung zuständig, und ich habe die Verwaltung und Öffentlichkeitsarbeit übernommen.

Wie begründet sich so ein Projekt?

Die baulichen Schäden an den Kirchenburgen haben uns bewegt, das Projekt zu starten. Vorrangiges Ziel der Leitstelle ist die Erarbeitung einer mittel- und langfristigen Strategie zum Erhalt und der zukünftigen Nutzung der Kirchenburgen. Die große Zahl von Initiativen, Stiftungen und Einzelpersonen, die sich um den Erhalt und die Nutzung einzelner Kirchenburgen bemühen, ist zu begrüßen. Als negativer Nebeneffekt wird es immer schwieriger, diese vielen Einzelinitiativen zu überblicken. Die gewünschten Synergie-Effekte stellen sich nicht ein, stattdessen gibt es vereinzelt Doppelarbeit. Hier setzt die Leitstelle an und präsentiert sich als Einheit, die verschiedene Informationen bezüglich der Kirchenburgen-Ensembles sammelt, aufbereitet, speichert, weiterträgt, gleichzeitig koordinierend agiert.

Welches waren die ersten Aktionen? Gibt es erste Ergebnisse?

Die bisherige Arbeit der Leitstelle konzentrierte sich im Wesentlichen auf das Sofortprogramm „Dächer“ sowie Maßnahmen zum Abbau bürokratischer Hemmnisse, die bisher alle Arbeiten an den Kirchenburgen behindern. Eine der Hauptaufgaben war die Organisation eines „Dächer-Programms“. Im Bezirk Hermannstadt wurden an sieben Kirchen (Agnetheln, Gürteln, Kirchberg, Neudorf, Rothberg, Tarteln und Thalheim) die Dächer instand gesetzt. Die Gesamtkosten betrugen rund 20 000 Euro und wurden aus privaten Beiträgen finanziert. Für vier weitere Kirchen (Zied, Kerz, Neithausen und Haschagen) wurden die Planungen erstellt. Die Bauarbeiten sollen Anfang 2008 erfolgen. Dann werden im Bezirk Hermannstadt alle Dächer repariert sein.
Erste Ergebnisse des Sofortprogramms „Dächer“ der ...
Erste Ergebnisse des Sofortprogramms „Dächer“ der Leitstelle Kirchenburgen: gedecktes Dach in Gürteln.
Kommen Sie mit der rumänischen Bürokratie zurecht?

In Rumänien gibt es im Falle von Bauarbeiten an Denkmälern seitens der zuständigen Denkmalbehörden eine Tendenz zur Verkomplizierung. So entsteht ein enormer Planungs- und Genehmigungsaufwand, verbunden mit horrenden Kosten für Dokumentationen und Studien sowie einem großen Zeitverlust. Hier setzt die Leitstelle an, die mit der Erarbeitung eines Kataloges einfacher Reparaturmaßnahmen begonnen hat und sich damit eine dringende Vereinfachung der notwendigen Genehmigungsver- fahren zum Ziel gesetzt hat. Damit verbunden wurde im letzten Jahr ein standardisiertes System zur Dokumentation und Planung bezüglich der Behebung der Schäden an den Dacheindeckungen und der Dachentwässerung entwickelt. Dies diente beim Dächerprogramm sowohl als vereinfachte Genehmigungsunterlage bei der Denkmalbehörde als auch als Vorlage für die Baufirmen bei der Bauausführung.

Wer finanziert die Arbeiten?

Die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit trägt bis Ende 2008 die Kosten der Leitstelle als kircheneigenes Projektbüro, das sich ausschließlich dem Erhalt der Kirchenburgen widmet. Gleichzeitig sieht das Konzept vor, die Kosten für konkrete Bauarbeiten vor allem über private Förderer zu finanzieren, dass heißt, die Leitstelle macht es zu ihrer Aufgabe, Spendengelder zu akquirieren, um bauliche Maßnahmen zu finanzieren. Es wird davon ausgegangen, dass nach einer erfolgreichen GTZ-finanzierten Startphase Sponsorenmittel auch für die zukünftigen Personalkosten der Leitstelle eingeworben werden können. Es sollen auch EU-Mittel akquiriert werden.

Die Leitstelle arbeitet mit mehreren Instrumenten.

Richtig. Zum einen ist dies die bereits erwähnte „Kurzplanung“. So wurde für das Dachsicherungsprogramm im Kirchenbezirk Hermannstadt ein vereinfachtes Schadensaufnahme- und Planungsverfahren entwickelt, das als Muster auch auf weitere Planungen für das Sicherungsprogramm angewendet werden soll. Dabei werden die Schäden vor Ort sowohl qualitativ als auch quantitativ erfasst und später im Projektbüro ausgewertet. Ein zukünftiges weiteres Instrument, der „Katalog einfacher Reparaturmaßnahmen an Kirchenburgen“, soll der Erlangung von vereinfachten Genehmigungen dienen. Gemeinsam mit lokalen Architekten erarbeitet, werden im Katalog verschiedene Sicherungsmaßnahmen beschrieben und mit Bildern illustriert. Sie beziehen sich dabei auf die häufigsten Schadensbilder, die sich hauptsächlich sechs Themen zuordnen lassen: Dachdeckung, Dachentwässerung, Fassadenputz, Trockenlegung, Dachstuhl sowie Mauerwerksschäden.

Welche Zukunftspläne verfolgt die Leitstelle?

Für das Jahr 2008 hat die Leistelle drei Arbeitsschwerpunkte geplant: die Vorbereitung eines möglichen EU-Projektes zur Nutzung der Budgets, die dort für die Förderung des Kulturtourismus vorgesehen sind, die Weiterführung des Dächerprogramms in den Kirchenbezirken Mediasch, Mühlbach, Kronstadt und Schäßburg und die Erarbeitung einer mittel- und langfristigen Strategie zum Erhalt und der zukünftigen Nutzung der Kirchenburgen.

Zum EU-Projekt: Die neuen Strukturfonds der EU ermöglichen den Einsatz von Fördermitteln für die Sicherung und Sanierung von Kirchenburgen sowie Pfarr- und Gemeindehäusern, die als Baudenkmäler der Kategorie A eingestuft sind. Da gute Chancen bestehen, hier Fördermittel einzuwerben, ist die professionelle Ausarbeitung eines Antrags bis zum Sommer 2008 ein Arbeitsschwerpunkt der Leitstelle. Alle weiteren Kirchenburgen sollen durch das Dächerprogramm im größtmöglichen Umfang weitergeführt werden. Wenn die Finanzierungsmög- lichkeiten für 2008 geklärt sind, unterstützt die Leitstelle die Kirchenbezirke und Gemeinden bei der Planung und Organisation des Reparaturprogramms.

Parallel zu diesen Arbeitsschwerpunkten wird die Leitstelle eine mittel- und langfristige Strategie zum Erhalt und der künftigen Nutzung von Kirchenburgen erarbeiten. Diese konzeptionelle Arbeit und eine breite Diskussion über die längerfristigen Perspektiven sind dringend erforderlich, um sicherzustellen, dass durch den Verkauf oder die Verpachtung von Pfarr-, Gemeinde- und Schulhäusern keine Chancen vergeben werden, sondern dass diese planvoll erfolgen. Die Strategie soll helfen, neue Partner und Förderer zu gewinnen, die verschiedenen Initiativen zu koordinieren.

Wer kann sich an Sie wenden, und wie kann man Kontakt aufnehmen?

Gerne können sich die Dechanten, Gemeindepfarrer, Vertreter der Gemeinden vor Ort aber auch der HOGs in Deutschland an die Leitstelle wenden. Wir freuen uns ebenfalls über die Kontaktaufnahme seitens Institutionen und Personen im In- und Ausland, die sich für die Rettung der Kirchenburgen einsetzen möchten. Die „Leitstelle Kirchenburgen“ ist als Projektbüro beim Landeskonsistorium der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien in den Räumen der Bauabteilung des Landeskonsistoriums in Hermannstadt angesiedelt. Die Kontaktdaten sind: Leitstelle Kirchenburgen, Strada General Magheru Nr. 4, 550185 Sibiu/Hermannstadt, Rumänien, Telefon: (00 40-2 69) 22 10 10, E-Mail: office [ät] projekt-kirchenburgen.ro.

Frau Deac, vielen Dank für das Gespräch.

Schlagwörter: Kirchenburgen, Kirchenrenovierung, Kirche und Heimat, HOG

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Neueste Kommentare

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  • 07.11.2008, 19:21 Uhr von gogesch: mittlerweile gibt es eine funktionierende Homepage: www.projekt-kirchenburgen.ro [weiter]
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