1. Dezember 2022

Landesgruppe Niedersachsen / Bremen: Dietmar-Udo Zey im Gespräch

Was es auf sich hat, im Verband in einem Ehrenamt tätig zu sein und für eine Mitgliedschaft eizutreten, erörtern in diesem Interview Helmuth Gaber, Vorsitzender der Landesgruppe Niedersachsen/Bremen, und sein Schriftführer und Pressereferent, der auch Vorsitzender der Kreisgruppe Lüneburger Heide ist, Dietmar-Udo Zey. Er, als Mühlbacher bekannt, ist 1947 in Leipzig geboren. Nach dem Studium, bis zu seiner Auswanderung, hat er in Hermannstadt gelebt und gewirkt. Seit 37 Jahren lebt er mit seiner Frau in Deutsch Evern in der Lüneburger Heide.
Dietmar, wir kennen uns nun seit fast zwei Jahren, dabei fürchte ich, wir wären uns außerhalb des Verbandes der Siebenbürger Sachsen nicht begegnet. Was verbindet uns?

Es muss die „gleiche Welle“ sein, auf der wir reiten. Ich meine, wir begegnen einander auf fast gleicher sachlicher und emotionaler Ebene. Natürlich hat jeder seine Eigenheiten. Und das ist gut so! Ich habe schnell erkannt, dass unser beider Vorstellungen und Erwartungen bei der Ausübung des Ehrenamtes identisch sind. Es ist nun mal so: Gleich und Gleich gesellt sich gern. Das wird das Verbindende sein.

Dietmar-Udo Zey in Unterwalder Tracht, ...
Dietmar-Udo Zey in Unterwalder Tracht, aufgenommen von der Hamburger Kunstfotografin Christina Czybik
Du wirkst auf mich, im Hier und Jetzt, stets ausgeglichen, aber auch sehr selbstbewusst. Woher rührt diese Sicherheit? Welche Erfahrungen aus Siebenbürgen speisen deine Kraftquelle?

Lieber Helmuth, wir leben im Hier und Jetzt. Ich muss „immer in Bezug“ sein. In meinem Alter soll man für jeden Gott gegebenen Tag dankbar sein und das Jetzt genießen. Und ich habe eine Vergangenheit, die mich gelehrt hat, mit der Ist-Situation zurechtzukommen. Meine Tätigkeiten als Lehrer und als Manager in einem großen deutschen Unternehmen und die damit verbundene Verantwortung haben sicherlich dazu beigetragen, mein Selbstbewusstsein zu stärken. Die Sicherheit in meinem Agieren kommt vom Training, denn ich bin wie immer zukunftsorientiert und bereit, auch noch etwas zu bewegen. Und ja, du hast sicherlich Recht, wenn du vermutest, dass auch meine Erfahrungen aus Siebenbürgen Kraft spendend waren und sind. Ich bin in einer intakten Familie, in einer disziplinierten städtischen Gemeinschaft und mit den für mich segensreichen Einflüssen eines sächsischen Dorfes, ich meine Urwegen im Unterwald, herangereift. Ich denke, dass auch Entbehrungen Kraft spendend sein können. In Sibirien bin ich gezeugt, in dem zerbombten Leipzig geboren und dann in Siebenbürgen aufgewachsen. Keine heile Welt, aber zu bewältigen.

Konntest du nach deiner Übersiedlung – hier in Norddeutschland – einige unerfüllte Träume realisieren? Welche?

Ich habe den Mut und die Kraft aufgebracht, mit meiner Familie nach Deutschland auszuwandern, und habe einen völligen Neustart gewagt. Ich war damals 34 und wusste genau: Wenn ich mein gestecktes Ziel – das war kein Traum – erreichen will, dann muss ich umsatteln, also habe ich noch einmal studiert, und zwar in die Fachrichtung, in die ich schon als Lyzeaner hinwollte: Medizin und Betriebswirtschaft; nicht um Arzt zu werden, sondern um in die Industrie zu gehen. Das war allerdings noch in Hessen. Nach Norddeutschland sind wir erst 1985, berufsbedingt, gezogen. So habe ich erworbene Fähigkeiten, Wunsch, Traum und Beruf auf einen Nenner gebracht. Es ging dabei nicht nur um die eigene Verwirklichung! Die Entwicklung und Zukunftssicherung meiner Frau und der beiden Töchter habe ich stets mit im Blick gehabt. Aus unseren Töchtern sind „brauchbare Glieder“ unserer Gesellschaft geworden – übrigens Mitglieder unseres Verbandes.

Kann man von Erfüllung sprechen? Sprang der Funken auch auf dein ­unmittelbares Umfeld, auf deine Familie über?

Bisher habe ich nichts anderes festgestellt. Meine Frau hat ihr Fachwissen, ihre Fertigkeiten und ihre Neigungen in den Jahren der Berufsausübung und in dem, was sie den Töchtern an Entfaltungsmöglichkeiten geboten hat, gedeihlich anwenden können. Darauf sind wir stolz. Fleiß, Gewissenhaftigkeit und Ausdauer sind drei Eigenschaften, die von uns Eltern auf unsere Töchter übergesprungen sind. Dazu die Verbundenheit zu und mit Siebenbürgen. Im Sommer 2021 haben wir gemeinsam mit unserer in den USA lebenden Tochter, Schwiegersohn und Enkel eine Siebenbürgen-Reise unternommen. Und die nächste Siebenbürgen-Reise, mit der zweiten Tochter samt Familie, verwirklicht sich demnächst. Für mich sind meine Träume – wenn es denn bloß Träume waren – in Erfüllung gegangen.

Was brachte dich dazu, dich der Vereinsarbeit zu widmen?

Der Landsmannschaft sind wir gleich nach unserer Ankunft in Deutschland 1981 beigetreten. Pfingsten in Dinkelsbühl mit meinen Eltern, Tanten, Onkeln und Kusinen zu verbringen, war eine Selbstverständlichkeit. Dann folgten berufsausfüllende Jahre, in denen ich viel auf Reisen und sogar fünf Jahre weg von zu Hause war – meine Frau und ich führten eine Wochenendehe –, in denen ich nur noch sporadisch mit Siebenbürgern und dem Verband in Berührung kam. Aber ab 2003 habe ich mir die nötige Zeit genommen, das Verbandsleben mitzuerleben. Im Februar 2009 habe ich mein erstes Protokoll der Vorstandssitzung der Landesgruppe Niedersachsen/Bremen verfasst – damals noch in kommissarischer Mission. Halb zog man mich, halb sank ich hin. Es war die Frau des Landesvorsitzenden, meine ehemalige Nachbarin aus Kinderzeiten, die nach einer Heimattag-Feier in Munster ihren Mann angehalten hatte, mich in den Landesvorstand zu holen. Ich hatte meine zweite Wirkstätte gefunden. Mit Herz und Hand bin ich dabei. Und ich tue, was und wie ich immer gehandelt habe: Wenn schon, denn schon – aber ordentlich. Und ich gebe mein Bestes.

Durch dein Ehrenamt lerntest du viele Siebenbürger hier in Deutschland kennen. Was schätzt du besonders am typisch sächsischen Verhalten? Was davon erwärmt dein Herz?

Bin ich mit Siebenbürgern zusammen, ich spreche jetzt nicht von Familie, dann klopft mein Herz ganz laut. Es macht sich bemerkbar: Ich bin locker, froh und, wie du ja festgestellt hast, ausgeglichen. Ich schätze den Fleiß, die Ernsthaftigkeit, mit der meine Landsleute an ihre Alltagsaufgaben herangehen, die Geselligkeit, die Freiheitsliebe, den Gerechtigkeitssinn und den Drang zur Selbstentfaltung, aber auch den Ernst, mit dem sie ihr kulturelles Erbe bewahren. Und doch: Manchmal schlägt mein Herz ganz besonders laut, wenn ich feststelle, dass es Siebenbürger gibt, die unseren Verband so lange für gut und erhaltenswert finden, solange er ihnen von Nutzen sein kann. Ehemalige Dorfbewohner müssen es doch noch hautnah fühlen, was es bedeutet, den Zusammenhalt und das Eintreten für eine gemeinsame Sache hochzuhalten. Ich weiß, es sind heute und hier andere Bedingungen, die ein notgedrungenes Zusammenstehen nicht mehr erforderlich machen. Die Selbstentfaltungsmöglichkeiten werden hier und heute nicht willkürlich gebremst. Aber das Bekenntnis zu dem, was wir typisch siebenbürgisch-sächsisch nennen, sollte zumindest so ausgeprägt sein, dass wir die Bestrebungen und Ziele des Verbandes mit unserer Mitgliedschaft unterstützen. Immer häufiger bezweifle ich, ob es das typisch sächsische Verhalten noch gibt.

Ich durfte dich zusammen mit Susanne als besessene Sammler und pedantische Kenner u.a. auch unserer Trachten erleben. Wie hoch ist der emotionale Anteil an dieser Brauchtumspflege entgegen der rein sachlichen Sammlerleidenschaft?

Mit Sammlerleidenschaft hat unsere intensive Beschäftigung mit Brauchtum und besonders mit Trachten nichts zu tun. Es ist eine tiefe emotionale Bindung an das, was ausdrucksstark vermittelt, wer und was wir sind. Siebenbürger Sachsen aus dem Unterwald, die in Niedersachsen eine zweite Heimat gefunden haben und hier gerade mit diesen nach außen gekehrten Insignien unseren neuen Landsleuten zeigen wollen, wes Kinder wir sind. Diese Trachten, die wir haben, werden uns überleben, und wir werden dafür sorgen, dass sie nur in berufene Hände geraten. Teile davon stammen aus dem 18. Jahrhundert. Doch besonders stolz bin ich auf ein Erbstück, das meine Zey-Großmutter ihrem Verlobten 1911 geschenkt hat: ein auf Samt besticktes Halsband, mit altbewährten und ortsgebundenen Motiven.

Leser der Siebenbürgischen Zeitung konnten dich im zurückliegenden Jahr ungewöhnlich oft in journalistischer Funktion erleben mit spannenden und sehr individuellen Porträts aktiver Siebenbürger Sachsen im Norden. Wie kam es dazu?

Ich denke, das weißt du noch!? Auch in diesem Fall stand am Anfang ein Ziel. Vor einem Jahr, auf unserer Landesvorstandssitzung, erörterten wir die Frage, wie wir unseren Verband attraktiver gestalten können, vor allem für Siebenbürger Sachsen, die unsere Veranstaltungen zwar besuchen, den Weg zu einer Mitgliedschaft aber noch nicht gefunden haben. Dann regte Kurt Freitag an, dass jeder unserer Vorstandsmitglieder in der Siebenbürgischen Zeitung darüber berichten könnte, warum er dem Verband angehört. Wir erhofften uns einen Motivationsschub. Ich griff den Gedanken auf und schlug vor, diese Berichte in eine Interview-Form zu gießen. Es blieb nicht bei den Vorschlägen. Es wurde ein protokollierter Beschluss, den wir dann umgesetzt haben. Etwas journalistische Erfahrung habe ich mit eingebracht.

Wovon träumst du, wenn du an Siebenbürgen denkst?

Was nun, denken oder träumen? Scherz beiseite: Ich kann mich nicht erinnern, jemals von Siebenbürgen geträumt zu haben. Aber ich denke oft genug an Siebenbürgen. Das ist dann sehr konkret. Das kommt auch dadurch, dass ich in den letzten 15 Jahren viel mit Siebenbürgen zu tun hatte. Ich war beteiligt bei der Publikation einer zweisprachigen Zeitschrift, die in Mühlbach editiert wurde, und bei der Entstehung der Ortsmonografie Mühlbachs. Mit Mitgliedern einer Darmstädter Akademie habe ich eine Studienreise nach Siebenbürgen unternommen. Auf diese Art und Weise durfte ich gar nicht träumen. Aber eine intensive Beschäftigung mit Siebenbürgen war es allemal.

Vielen Dank für dieses Gespräch.

Schlagwörter: Niedersachsen, Bremen, Zey, Interview, Schriftführer

Bewerten:

18 Bewertungen: +

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.