23. Oktober 2009

Mahnmal zum Gedenken an rumänischen Holocaust eröffnet

Die Beteiligung am Holocaust ist in Rumänien noch immer ein weitgehend unbekanntes Kapi­tel der nationalen Geschichte. Mit der Eröffnung des zentralen Holocaust-Mahnmals in Buka­rest ist dieses Thema zumindest deutlich sichtbar im öffentlichen Raum angekommen. Voraus­gegangen waren dem Bau lange Diskussionen über Schuld und Verantwortung. Entworfen wurde das Denkmal von dem siebenbürgischen Bildhauer Peter Jacobi.
Symbolträchtiger hätte der Ort kaum gewählt werden können. Das Mahnmal liegt genau in Sichtweite des ehemaligen rumänischen Innen­ministeriums, wo im Zweiten Weltkrieg die Ver­schleppung hunderttausender Juden und Roma geplant und angeordnet wurde. Auf einer Fläche von 2 500 Quadratmetern hat der Künstler Peter Jacobi einen modernen, zeitgenössischen Ort der Erinnerung geschaffen, der weithin sichtbar dominiert wird von der Säule der Erinnerung. Hier, im Zentrum von Bukarest, fast in Sichtwei­te des Hauses des Volkes, stellt sich Rumänien mehr als 60 Jahre nach dem Ende der Antones­cu-Diktaktur in einem symbolischen Akt seiner Vergangenheit.

„Heute, anlässlich der Eröffnung des Mahn­mals für die Opfer des Holocausts, bekräftigen der rumänische Staat und die rumänische Ge­sellschaft ihre Entscheidung, die Vergangenheit zu verantworten und das historische Gedächtnis im Geiste der Wahrheit wiederzufinden“, erklär­te Präsident Traian Băsescu. Mahnende Worte, die umso schwerer wiegen, als in der rumänischen Öffentlichkeit noch bis vor wenigen Jahren die Beteiligung am Holo­caust geleugnet wurde. Erst 2004 hatte sich die damalige rumänische Regierung zu ihrer Verantwortung für den Völ­kermord an Juden und Roma bekannt. Zuvor hatte eine internationale Expertenkommission unter Leitung des in Rumänien geborenen KZ-Überlebenden und Friedensnobelpreisträgers Elie Wiesel die Details der rumänischen Ver­strickungen aufgearbeitet. Demnach sind zwischen 1941 und 1944 rund 400 000 rumänische Juden und 25 000 Roma infolge der Maßnahmen der damaligen rumänischen Regierung umgekommen.
Das Holocaust-Mahnmal im Zentrum von Bukarest. ...
Das Holocaust-Mahnmal im Zentrum von Bukarest. Foto: Peter Jacobi
An der Eröffnungszeremonie am 8. Oktober nahmen neben dem Präsidenten eine Reihe von Vertretern der jüdischen Gemeinde sowie der Roma teil. Anwesend waren die bekannte Schau­spielerin Maia Morgenstern, Großrabbiner Me­nachem Hacohen, der Erste Rabbiner Shlomo Sorin Rosen und der Vertreter der Roma Du­mitru Tranca. Am Ende der Zeremonie enthüllten Bă­sescu und zwei Überlebende des Holo­causts die Gedenktafel des Mahnmals und stellten eine Urne mit Erde aus Massengräbern im Innern auf.

Der Künstler Jacobi hat für diesen Erinnerungs­ort ein modernistisch schlichtes Monument entworfen. Dominiert wird das Mahnmal von einem halb in der Erde versenkten zentralen Gedenkraum. In diesen führt eine breite Treppe hinab, deren Seiten von hohen rostbraunen Stahlwänden eingerahmt werden. Ergänzt hat Jacobi seinen Entwurf mit fünf Skulpturen und zwei Installationen.

Die Errichtung des Mahnmals geht auf die Initiative des Ministeriums für Kultur, Religions­gemeinschaften und Nationales Kulturerbe zurück, das damit Empfehlungen der internationa­len Kommission für die Untersuchung des Holo- caust in Rumänien unter dem Vorsitz von Elie Wiesel umsetzte. Die Errichtung der Gedenkstät­te geschah im Einvernehmen mit Persönlichkei­ten aus Kultur, Vertretern der jüdischen Gemein­de und Holocaustüberlebenden. Im Rahmen eines internationalen Wettbe­werbes bekam Peter Jacobi 2006 den Zuschlag für die Realisierung des Projektes.

Der Bildhauer Peter Jacobi entwarf das Holo­caust ...
Der Bildhauer Peter Jacobi entwarf das Holo­caust-Mahnmal in Bukarest.
Peter Jacobi wurde 1935 in Ploiești in Rumä­nien geboren und studierte Bildhauerei an der Kunst­akademie Bukarest, wo er seine Karriere als Künstler begann. Im Jahr 1970 wanderte er nach Deutschland aus. Von 1971 bis 1998 war Jacobi Professor an der Hochschule für Gestal­tung in Pforzheim. Er setzte sich auch international als Künstler durch. Seine Werke waren auf zahlreichen Ausstellungen in Deutschland und im Ausland zu sehen.

„Wichtigstes Projekt meines Lebens“ - Ein Rundgang durch das Mahnmal

Der moderne Entwurf des Bukarester Mahn­mals wurde von dem siebenbürgischen Bildhau­er Peter Jacobi realisiert. Für den 74-Jährigen war die Realisierung des Großprojektes eine Art Kulminationspunkt seines künstlerischen Schaf­fens. „Dieses Ensemble umfasst meine wichtigs­ten Memorial-Skulpturen der letzten 30 Jahre in bester Ausführung. Das Ensemble ist meine wichtigste bildhauerische Arbeit“, bekräftigt Jabobi. In dem Werk manifestiert sich die mehr als 30-jährige Auseinan­dersetzung des Bildhau­ers mit den Themen Krieg und Holocaust. „Das Mahnmal ist ein offenes Ensemble von mehreren Skulpturen und einem sakralen Raum.“ So beschreibt Jacobi selbst die Gedenkstätte. Der zentrale Gedenk­raum aus glattem Sichtbeton befindet sich halb in der Erde eingelassen in der Mitte des Mahnmals, wohin die Besucher über eine monumentale Treppe gelangen. Indem er nach unten schreitet, mache der Besucher bereits eine symbolische Verbeugung: „Der Raum hat innen eine durchbrochene Decke, durch die das Sonnenlicht hereinschlägt. Licht und Schat­ten bewegen sich durch den Lauf der Sonne, wodurch der Zeitlauf sichtbar wird“, erklärt Jacobi seine Intention bei der Gestaltung des Raumes. Die Interpretation der vielfältigen Schat­tenmuster bleibt dem Betrachter überlassen. Links und rechts des Eingangs befinden sich zwei Kammern. In der einen befinden sich entweihte Grabsteine von jüdischen Friedhöfen in Odessa. Die gegenüberliegende Kammer enthält ebenfalls Grabsteine von jüdischen Fried­höfen aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Diese belegten das reiche und lange zurückreichende jüdische Leben in Bukarest. Auf Bitten der jüdischen Gemeinde in Bukarest hat Jacobi die Namen von Juden und Roma in die Wände des Gedenkraumes gravieren lassen.
Schattenspiele symbolisieren den Verlauf der ...
Schattenspiele symbolisieren den Verlauf der verbleibenden Zeit. Foto: Peter Jacobi
Dominiert wird das Mahnmal von der 17 Meter hohen „Säule der Erinnerung“ aus rostbraunem Grauguss. Die Säule strebe nach oben, dorthin, wo die Seelen der Verstorbenen sind, meint der Künstler in einem poetischen Anflug. Gleichzei­tig markiere die Säule den Platz von weitem. Ein Bodenrelief mit dem Namen „Via Dolorosa“ erinnert symbolisch an die Deporationen. Das Epitaph besteht aus einem Behälter, gefüllt mit einer Vielzahl von angesägten Bruchsteinen, eine Reminiszenz an die toten Körper.

Den Roma ist eine gusseiserne Skulptur aus zwei unterbrochenen, miteinander verhakten Ringen gewidmet. Das „Rad der Roma“ habe eine dynamische Expression, erinnernd an den langen Weg der Roma nach Europa.

Eine letzte Skulptur erinnert an einen zerbrochenen Davidstern. „Ich habe die beiden Dreiecke, die den Davidstern bilden, nach oben gekippt, zu einer konstruktiven Skulptur“, erläutert Jacobi. Der Schatten auf der glatten Oberfläche fügt sich einmal im Jahr, am 9. Oktober, dem rumänischen Holocaust-Gedenktag, wieder zu einem Davidstern zusammen.

Holger Wermke

Schlagwörter: Rumänien, Holocaust, Jacobi

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