31. Oktober 2023

Wo das Leben im Dreck beginnt: Verein Weißrusslandhilfe Crailsheim führt Hilfstransporte nach Rumänien durch

Der Verein nennt sich „Weißrusslandhilfe Crailsheim“ (Baden-Württemberg) und hat 32 Jahre lang Menschen in der weißrussischen Stadt Gomel unterstützt. Mit dem Beginn des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine am 24. Februar 2022 wurde diese humanitäre Hilfe jäh gestoppt. Um trotzdem anderen Menschen helfen zu können, wurde die Arbeit nicht nur im Namen („Humanitäre Hilfe für Osteuropa“) erweitert, sondern auch in der Praxis umgesetzt. Inzwischen wurden mit sieben Lastzügen Hilfsgüter nach Elisabethstadt (Dumbrăveni) und Schäßburg (Sighișoara) gebracht. Ein Teilnehmer schildert seine Eindrücke von zwei Hilfstransporten.
Dieser Junge wächst in einem Romadorf auf. Hunde ...
Dieser Junge wächst in einem Romadorf auf. Hunde gehören zu seinen besten Freunden. Fotos: Wolfgang Rupp

Am Rand der Gesellschaft

Der Weg ist so steil und rutschig, dass er kaum passierbar ist. Starker Regen hat den Untergrund zu einer einzigen, tiefen Matschlandschaft verwandelt. Schon die Lage am Hügel, vom Ort getrennt durch einen Bach und nur verbunden durch einen schmalen Steg, unterstreicht das Besondere an dieser kleinen Siedlung. Hier leben Menschen nicht in Häusern, sondern in Baracken. Hier gibt es kein fließendes Wasser, sondern einen einzigen Brunnen für alle. Hier wachsen Kinder im Dreck auf und werden Mädchen mit 15 schwanger, weil die Eltern es so wollen.

Die Familien sind Roma und leben am Rand der Gesellschaft, die sie nicht haben, nicht akzeptieren, nicht in ihrer Mitte aufnehmen will. Doch in diesem kleinen Dorf in Siebenbürgen gibt es Menschen, die sich um Minderheiten kümmern, die nach Wegen aus diesem Leben im Dreck suchen und auch finden. Die Gruppe nennt sich „Gemeinsam Leben“, ist Teil des Christlichen Vereins Junger Menschen (CVJM) und hat in Arkeden ein Haus eingerichtet, wo sie Kindern von Romafamilien bei den Hausaufgaben hilft, wo gemeinsam gegessen, gespielt, gesungen, geredet und gebetet wird. Hier werden die Kinder auf ein Leben außerhalb der Baracken auf dem Hügel vorbereitet. Und das mit zunehmendem Erfolg.

Segensreiche Arbeit

Dieses Haus für Romakinder gehört zu den Einrichtungen des Diakonischen Ringes, der in Schäßburg und Umgebung eine vielschichtige, wichtige, großartige, segensreiche und sehr erfolgreiche Arbeit leistet. Gesicht des Diakonischen Ringes Schäßburg ist Pfarrer i. R. Martin Türk-König. Er setzt sich mit großem Engagement und Herzblut für andere ein: arme und notleidende, junge und alte, kranke und behinderte Menschen. Zusammen mit vielen Mitarbeitern organisiert er das Abladen der Hilfsgüter: Krankenhausbetten und Matratzen, Rollatoren und Krankenstühle, viele hundert Bananenkisten mit Textilien und Schuhen, Haushaltswaren und Spielsachen, Fahrräder und Kinderwagen, Hobelmaschine und Werkzeug. Der größte Teil der Ware kommt bedürftigen Menschen direkt zu, der andere kann in einem der drei Second-Hand-Laden abgeholt, mit Gutscheinen oder gegen ein geringes Entgelt erworben werden.
Auf den Dörfern leben viele Menschen in sehr ...
Auf den Dörfern leben viele Menschen in sehr ärmlichen Verhältnissen.
Mit dem Verkaufserlös werden verschiedene Einrichtungen und Stiftungen unterstützt, bei denen soziale und christliche Werte im Vordergrund stehen: Stiftung „Für die christliche Familie“ (sie sucht Pflegefamilien), „Haus des Lichts“ (Tagesstätte für Behinderte und Waisenkinder), Lukas-Spital (Rehazentrum und Hospiz), „Zum guten Hirten“ (therapeutische Kinder- und Jugendfarm), „Arkeder Kirchenburg“ (Freizeitzentrum).

Ein Leben in Armut

Ortswechsel: Unbefestigte Wege und umgestürzte Holzzäune, an vielen Stellen notdürftig hergerichtete Häuser, im matschigen Hof eine Leine mit geflickter Wäsche, im überwucherten Garten Gänse und Hühner. Es ist ein tristes Bild, das die Besucher in diesem Dorf nahe Elisabethstadt/Dumbrăveni erwartet. Die Armut ist an allen Stellen sichtbar und sie wird fühlbar, als sie den Menschen in diesem vom Rest der Welt abgeschiedenen Dorf begegne.

Die nahezu vollständig erblindete Frau lebt ...
Die nahezu vollständig erblindete Frau lebt allein in ihrem kleinen Haus und ist auf Hilfe dringend angewiesen.
Die alte Frau blickt ins Leere und sucht mit einer Kopfbewegung die Stimmen der Besucher. Sie ist fast vollständig erblindet, schwerhörig und auf Hilfe angewiesen. Eine Bewohnerin schaut regelmäßig bei ihr vorbei, kocht auf dem uralten Holzherd das Essen und hält den bescheiden eingerichteten Wohn- und Schlafraum in Ordnung. Als die betagte Frau von den mitgebrachten Lebensmitteln erfährt, stockt ihre Stimme und sie bricht in Tränen aus: Lichtblick in einem dunklen Leben.

Vom Glauben getragen

Die Menschen leben abgeschieden, in ärmlichsten Verhältnissen und sind doch nicht vergessen und verloren, weil es im tiefen Glauben miteinander verbundene Menschen gibt, die ein Bündnis der Nächstenliebe bilden. Sie möchten sich nicht in den Vordergrund stellen, sind aber dennoch die treibende Kraft dieser Aktion: Daniel Paval und sein Vater Ioan, Bürgermeister des rund 8.000 Einwohner zählenden Elisabethstadt. Sie handeln aus ihrem christlichen Glauben heraus, aus tiefer Überzeugung, Nächstenliebe und Dankbarkeit für das eigene Leben. Und sie bilden zusammen mit vielen Helfern eine große Gemeinschaft, die Hilfe leistet, Freude bringt, Mut und Hoffnung macht.
Für kinderreiche Familien ist die Unterstützung ...
Für kinderreiche Familien ist die Unterstützung besonders wichtig und wertvoll.
Mit vereinten Kräften werden mehr als eintausend Bananenkisten voll mit Textilien, Schuhen, Haushaltswaren und Spielsachen, 40 Krankenhaus- und Pflegebetten sowie Öfen abgeladen und Lebensmittelspenden übergeben. In einer Halle werden die Waren gelagert, sortiert und an Menschen und Einrichtungen in der Umgebung von Elisabethstadt verteilt; seit dem Kriegsausbruch auch an Flüchtlinge in der ukrainischen Nachbarstadt Czernowitz. Mindestens zwei Mal pro Woche fahren Mitarbeiter auch in Kriegsgebiete, dorthin, wo getötet und zerstört wird, wo Menschen ihr Hab und Gut verloren haben, in Kellern und Notunterkünften ausharren, jeden Tag in Angst und Sorge leben. Sie bringen regelmäßig Nahrungsmittel und Kleidung, Öfen und Generatoren, Medikamente und Verbandsmaterial in diese Gebiete und riskieren dabei jedes Mal ihr Leben.

Wolfgang Rupp

Schlagwörter: Hilfsprojekt, Rumänienhilfe, Crailsheim, Ukraine, Schäßburg, Elisabethstadt, Soziales, Roma

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