4. Juli 2013

Gesetz zur Entschädigung für Russlanddeportierte und andere politisch Verfolgte verabschiedet

Das „Gesetz zur Gewährung von Rechten an Personen ohne rumänische Staatsangehörigkeit, die aus politischen Gründen von der am 6. März 1945 errichteten Diktatur verfolgt wurden sowie die (nach dem 23. August 1944) ins Ausland verschleppt oder in Kriegsgefangenschaft geraten sind“, wurde am 26. Juni 2013 von Rumäniens Staatspräsident Traian Băsescu unterzeichnet und im Amtsblatt Rumäniens „Monitorul Oficial“ Nr. 398 vom 2. Juli 2013, Seite 6, veröffentlicht. Damit ist es in Kraft. Durch dieses Gesetz 211/2013 wurde auf Initiative des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland das Entschädigungsdekret 118/1990 auf alle Betroffenen ausgeweitet, die nicht mehr im Besitz der rumänischen Staatsangehörigkeit sind.
Gemäß Artikel 1, Absätze 1 und 2, des Dekretes 118/1990 in der neu gefassten Version können ab sofort alle Personen, die auf Grund politischer Verfolgung nach Verurteilung oder auf Grund eines Haftbefehls Freiheitsentzug erlitten haben, durch Administrativmaßnahmen oder zu Untersuchungen von den Repressionsbehörden festgehalten wurden, in psychiatrische Anstalten eingewiesen waren, einen Zwangswohnsitz zugewiesen bekommen haben, zwangsweise in andere Ortschaften umgesiedelt worden sind, nach dem 23. August 1944 ins Ausland verschleppt worden sind, nach dem 23. August 1944 in sowjetische Kriegsgefangenschaft geraten oder nach Vereinbarung des Waffenstillstands in Kriegsgefangenschaft behalten worden sind, entsprechende Anträge stellen (Vordrucke und Informationen können z.B. auf www.fabritius.de – Downloadbereich – ausgedruckt werden bzw. sind in der Bundesgeschäftsstelle des Verbandes erhältlich). Antrags­berechtigt sind die Betroffenen selbst oder nach deren Ableben die Witwen/Witwer, so lange diese nicht wieder verheiratet sind (Art. 5 Abs. 1 De­kret 118/1990). Anders als im Gesetz 221/2009 sind Kinder oder Enkelkinder nach dem Dekret 118/1990 leider nicht antragsberechtigt. Wurden vor dieser Änderung gestellte Anträge nach Dekret 118/1990 noch mangels rumänischer Staatsangehörigkeit abgelehnt, können nun Überprüfungen dieser Entscheidungen verlangt werden („cerere de revizuire“).

Anträge sind an die „Agenția Județeană pentru Plăți și Inspecție Socială“, kurz AJPIS, am letzten Wohnsitz in Rumänien einzureichen. Erforderlich ist immer die Zusendung eines schriftlichen Antrages, begleitet von Belegen zur Person (gut lesbare und nach Möglichkeit beglaubigte Kopien von Geburtsurkunden, Heiratsurkunden, Personalausweis), einem schriftlichen Beleg in rumänischer Sprache für das erlittene Unrecht, einer Lebensbescheinigung sowie der Erklärung, auf welches Konto die monatliche Entschädigungszahlung zu erfolgen hat. Zum besseren Verständnis einige Erläuterungen zu den einzelnen Unterlagen:

1) NACHWEISE für die Verfolgung: Muss ich beweisen, was mir passiert ist? – JA! Jeder, der eine Leistung beantragen möchte, muss den Sachverhalt, auf den er seinen Antrag stützt, belegen. Für Sachverhalte in Rumänien (Verschleppung, Deportation, Zwangswohnsitzverfügungen) sind dabei rumänische Unterlagen vorzulegen (nicht etwa deutsche Urkunden, wie der Registrierschein oder eine Heimkehrerbescheinigung, die nur nachträgliche Feststellungen einer deutschen Dienststelle wiedergeben und für das Verfahren in Rumänien nicht relevant sind). In erster Reihe können rumänische Bescheinigungen (Adeverințe) vorgelegt werden, in denen die Maßnahme bescheinigt wird. Oft wurden Maßnahmen ins rumänische Arbeitsbuch eingetragen. Dann reicht eine vollständige Kopie des Arbeitsbuches. Liegen weder Adeverințe noch das Arbeitsbuch vor, können Betroffene versuchen, eine neue Bescheinigung zu beschaffen. Je nach Sachverhalt können solche neuen Bescheinigungen vom Rathaus am Verschleppungsort in Rumänien oder der eigenen Kirchengemeinde (z.B. dem Landeskonsistorium der Evangelischen Kirche in Hermannstadt oder dem jeweiligen Pfarramt im Banat) in rumänischer Sprache ausgestellt werden. Wenn diese einfachen Belegmöglichkeiten nicht bestehen, kann ein Verfahren auf Ausstellung eines Verfolgungsbeleges bei der Dienststelle zur Verwaltung der Securitate-Archive (CNSAS) in Bukarest eingeleitet werden. Der erforderliche Antrag kann ebenfalls im Downloadbereich auf www.fabritius.de ausgedruckt und mit den im Vordruck erwähnten Unterlagen an die dort genannte Adresse eingereicht werden. Erfahrungsgemäß dauert ein solches Verfahren bei der CNSAS aber mehrere Monate, so dass den anderen Nachweismöglichkeiten der Vorzug eingeräumt werden sollte. Bei Bedarf können Sachverhalte auch durch zwei Zeugenaussagen belegt werden (Art. 10 Abs. 1 des Dekretes 118/1990). Zeugenaussagen müssen beglaubigt und in die rumänische Sprache übersetzt werden. Zeugen müssen auch angeben, woher diese das Erklärte wissen und ggf. dafür einen eigenen Beleg beifügen (z.B.: sie waren auch verschleppt und können das durch einen Nachweis belegen).

2) LEBENSBESCHEINIGUNG: Wozu dient eine Lebensbescheinigung und wie bekomme ich die? – Da die meisten Sachverhalte weit in der Vergangenheit liegen und Betroffene in vorgerücktem Alter sind, wird von diesen nicht verlangt, dass sie persönlich nach Rumänien zur Antragstellung anreisen. Die Anträge kann man per Post einreichen. Darum benötigt die Behörde aber eine Bescheinigung, dass der betreffende Entschädigungsbewerber noch lebt. Die erforderliche Lebensbescheinigung kann man auf dem dafür vorgesehenen Vordruck „Certificat de viață“ (Downloadbereich auf www.fabritius.de) von jedem Meldeamt, Rathaus etc. kostenlos für Rentenzwecke bestätigen lassen. Dafür reicht es aus, die zweite Seite (B) mit den eigenen Daten (Name, Vorname, Geburtsdatum, Adresse) auszufüllen und mit einem Ausweis bei der Gemeindeverwaltung/Stadtverwaltung zur Beglaubigung der eigenen Unterschrift (kostenlos für Rentenzwecke) vorzusprechen. Alle anderen Fragen müssen nicht beantwortet werden, diese Daten hat die zuständige Behörde.

3) ZAHLUNGSERKLÄRUNG: Wofür eine Zahlungserklärung und wie bekomme ich die? – Damit die Entschädigungsleistung aus Rumänien nach Deutschland in Euro überwiesen wird, ist die Zusendung einer Zahlungserklärung (declarație de transfer) auf einem speziellen Formular erforderlich (Downloadbereich auf www.fabritius.de). Der sorgfältig ausgefüllten Zahlungserklärung ist ein Kontoauszug Ihrer Bank im Original beizufügen, um die Existenz des Bankkontos sowie die Korrektheit der Bankdaten nachzuweisen. In der Zahlungserklärung müssen nicht Ihre Kontonummer, sondern die Bankdaten für Zahlungen aus dem Ausland (Rumänien) eingetragen werden. Diese finden Sie als IBAN und BIC Nr. in Ihren Bankunterlagen. Die Zahlungserklärung können Sie selbst ausfüllen oder Hilfe bei Ihrer Bank holen.

4) PERSONENSTANDSURKUNDEN: Wofür braucht man Geburtsurkunden, Heiratsurkunden, Sterbeurkunden? – Damit die Entschädigungsleistung aus Rumänien festgestellt werden kann, muss die Behörde die Identität der Person des Antragstellers und des Betroffenen genau feststellen. Dafür sind je nach Fall diverse Urkunden nötig. Ist z.B. im Verschleppungsnachweis (vgl. Punkt 1) noch der Mädchenname oder ein früher geführter Namen eingetragen, muss durch Personenstandsurkunden der Bezug zum heute geführten Namen des Antragstellers belegt werden. Wird der Antrag für einen verstorbenen Ehegatten gestellt, muss sowohl das Ableben (durch die Sterbeurkunde) als auch die Ehe (durch die Heiratsurkunde) belegt werden. Da die Unterlagen in Rumänien vorlegt werden müssen, sollen diese natürlich auch in Rumänisch gefasst sein. In Deutschland ausgestellte Urkunden für Sachverhalte in Deutschland (Heirat oder Ableben in Deutschland) können in ­beglaubigter Übersetzung in die rumänische Sprache vorgelegt werden. Erforderliche Übersetzungen können in unserer Kanzlei direkt gefertigt und beglaubigt werden.

Wurde ein Antrag ordnungsgemäß eingereicht, muss die zuständige Kommission in der Antragsbehörde (AJPIS) innerhalb von 30 Tagen eine Grundsatzentscheidung (Decizie) erlassen und dem Berechtigten mitteilen. Nach Erlass dieser Grundsatzentscheidung können damit dann alle Rechte des Dekretes 118/1990 geltend gemacht werden (Aufzählung der möglichen Rechte in Art. 5-9 des Dekretes 118/1990). Dazu kann gleich mit dem ersten Antrag auch die monatliche Auszahlung der Entschädigungsrente beantragt werden. Die Akte muss dann von der Antragsbehörde (AJPIS) an die Auszahlungbehörde für Renten (Casa Județeană de Pensii – CJP) gereicht werden, die dann die monatliche Rentenzahlung anweist. Wenn das in Einzelfällen nicht automatisch erfolgt, kann der Berechtigte sofort nach Zugang der Grundsatzentscheidung („Decizie“ von der Kommission) diese mit einer Kopie der vorher eingereichten Unterlagen selbst an die CJP als Auszahlungsbehörde senden.

RA Dr. Bernd Fabritius, München

Schlagwörter: Rumänien, Russlanddeportation, Rechtsfragen, Entschädigungszahlung

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Neueste Kommentare

  • 04.07.2013, 17:54 Uhr von Brodelavend: Hut ab vor diesem Erfolg und dem Beratungsservice dazu. Hoffentlich machen nun recht viele ... [weiter]

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