13. Juni 2014

Christoph Bergner: "Siebenbürgisch-sächsische Kultur ist die älteste Freiheitskultur Europas"

Der Bundestagsabgeordnete Dr. Christoph Bergner hat die siebenbürgisch-sächsische Kultur als eine der frühesten und sogar als „älteste Freiheitskultur Europas“ bezeichnet. In seiner Festansprache bei der Eröffnung des Heimattages am 7. Juni 2014 in Dinkelsbühl sagte der CDU-Politiker, das Erbe, das auf dem Königsboden in Siebenbürgen gewachsen sei, zähle „zu den wertvollen Kraftquellen für die geistig-kulturellen Entwicklung unseres Kontinents“. Das Motto des Heimattages, „Heimat ohne Grenzen“, formuliere „die Aufgabe, siebenbürgisch-sächsische Kultur in Rumänien, Deutschland und Europa zu bewahren und für seine Fortschreibung in die europäische Zukunft zu sorgen“. Dr. Bergner hat als Aussiedlerbeauftragter der Bundesregierung (2006-2013) die Anliegen der Siebenbürger Sachsen ebenso dezidiert gefördert wie er sich als neuer Vorsitzender des Deutsch-Rumänischen Forums u.a. für den Erhalt des deutschsprachigen Schulunterrichts in Rumänien einsetzt. Seine Rede wird im Folgenden im Wortlaut wiedergegeben.
Meine Frau und ich sind sehr dankbar dafür, dass wir wieder beim Heimattreffen der Siebenbürger Sachsen hier in Dinkelsbühl dabei sein können. Wir freuen uns darüber – es ist eine Gelegenheit zu vielfältigem Wiedersehen, und inzwischen ist Dinkelsbühl geradezu zu einem festen Pfingsterlebnis für uns geworden, so wie es bei vielen von Ihnen auch der Fall ist.

Was uns bei diesem Heimattreffen immer besonders fasziniert, ist neben der Wiedersehensfreude, die wir haben können, dass neben liebgewordenen, schönen, unentbehrlichen Heimatfesttraditionen, wie dem Trachtenumzug, der Kundgebung vor der Schranne, dem Fackelzug und anderem mehr, auch jeder Heimattag seine besonderen aktuellen Bezüge und Beiträge hat. Welturaufführungen kultureller Art, so wie wir sie für dieses Treffen wieder angekündigt bekommen haben, Lesungen, Konzerte, Jugendveranstaltungen sowie die Auseinandersetzung mit aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen.

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Ich erinnere mich deshalb auch besonders deutlich an die Diskussionen, an denen ich teilhaben konnte unten im Kleinen Schrannensaal: Debatten über das Fremdrentengesetz mit all dem, was der deutsche Gesetzgeber bei dieser Gesetzgebung getan und versäumt hat, ein Gespräch über 60 Jahre Bundesvertriebenenrecht und seine fortwirkende Bedeutung bis heute. Kurz gesagt, es verdient hervorgehoben zu werden, wie bei diesem Heimattag Brauchtumspflege, Reflexionen über Herausforderungen der Gegenwart und die Erörterung von Zukunftsfragen miteinander verbunden werden.

Dr. Christoph Bergner während seiner ...
Dr. Christoph Bergner während seiner Festansprache im Schrannensaal in Dinkelsbühl. Foto: Gunter Roth
Und deshalb möchte ich voranstellen ein Wort des Dankes und der Anerkennung für alle, die dieses Treffen vorbereitet haben und die, wie in den vorangegangenen Jahren, zum Erfolg dieses Treffens beitragen.

Aber wenn wir von der Faszination dieses Heimattages der Siebenbürger Sachsen sprechen, so sind es nicht nur die Leistungen derjenigen, die sich in wirklich beispielhafter Weise für diesen Heimattag engagieren – übrigens auch zwischen den Heimattagen für Informationen und Netzwerke, ich nenne die Siebenbürgische Zeitung, den Internetauftritt und vieles andere mehr.

Der Heimattag hätte sicher nicht diese Attraktivität, wenn er nicht aus einem reichen geistigen und kulturellen Erbe und Fundus schöpfen könnte. Und das ist der zweite Gesichtspunkt, der mir immer wieder wichtig ist. Die siebenbürgisch-sächsische Kultur ist eine der frühesten, ich wage zu sagen wahrscheinlich sogar die älteste Freiheitskultur Europas. Dies gilt jedenfalls, wenn man die Breite des gesellschaftlichen Lebens insgesamt in den Blick nimmt.

Wenn man über die Entwicklung der Freiheit in Europa redet, beginnt man meist erst mit der Zeit der Französischen Revolution. Dabei wird vergessen, dass auf dem Königsboden Siebenbürgens mit seinen Freiheiten eine freie geistig-kulturelle Verwirklichung und Selbstfindung bereits in Zeiten stattfand, in denen andere Regionen Europas noch von Lehensherrschaft und Leibeigenschaft geprägt waren. Auf dieses Erbe, das auf frühe Freiheit begründet ist, können die Siebenbürger Sachsen immer wieder Bezug nehmen. Das Erbe, das auf diesem Königsboden gewachsen ist, kann ohne Übertreibung zu den wertvollen Kraftquellen für die geistig-kulturellen Entwicklung unseres Kontinents gerechnet werden.

Und weil diese Kraftquellen gebraucht werden, bedarf es ihrer Bewahrung, es bedarf der Pflege der siebenbürgisch-sächsischen Traditionen und ihrer Einbettung in die Wirklichkeit im 21. Jahrhundert. Das ist es, was Ihre Verbandsarbeit ausmacht, zu der ich immer nur wieder gratulieren kann. Und, meine Damen und Herren, ich habe in dieser Stunde auch das Bedürfnis, meiner Freude darüber Ausdruck zu verleihen, dass bei der letzten Bundestagswahl Ihr Bundesvorsitzender Bernd Fabritius Mitglied des Deutschen Bundestages wurde.

Und dabei denke ich nicht nur an die zweifellos günstigen Wirkungen, für manches Anliegen, bei dem ich jetzt schon, lieber Bernd‚ deiner Verstärkung spüre, wenn es um Vertriebenenarbeit und Ähnliches geht, sondern ich will auch darauf aufmerksam machen, weil das noch nicht lange her ist: Am 25. Mai war Bernd Fabritius in seiner neuen Funktion Wahlbeobachter der OSZE in der Vielvölkerstadt Odessa. Und, meine Damen und Herren, ich scheue mich nicht, zu sagen, ein Siebenbürger Sachse bringt für eine so schwierige Aufgabe besondere Kompetenzen mit, für die wir dankbar sein dürfen.

So habe ich auch die siebenbürgisch-sächsischen Heimattage als Orte des Brückenschlags in Erinnerung. Insbesondere des Brückenschlags nach Rumänien, aber natürlich auch nach Übersee, Herr Senator Michael Skindell aus Ohio und verehrte Frau Käthe Paulini aus Kanada. Es ist ein Brückenschlag, der den Zusammenhalt in Europa festigt und mit Blick auf die beiden weitgereisten Gäste sogar die transatlantischen Kontakte stärken kann.

Im Sinne des Brückenbaus verstehe ich auch das Motto dieses Heimattages: „Heimat ohne Grenzen“. Auf den ersten Blick scheint das ein Widerspruch in sich zu sein. Denn natürlich denkt man bei dem Begriff „Heimat“ immer zuerst an einen besonderen, an einen durch eigene Bindung fixierten und deshalb „begrenzten“ Raum. Sie wissen auch, dass sich mit diesem Motto Deutungen verbinden, die zu kontroverser Betrachtung einladen.

Ich habe als Beauftragter für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten sehr viel über eine These nachdenken und mich mit ihr auseinandersetzen müssen, die da behauptet, die siebenbürgisch-sächsische Identität bleibe eng an die rumänische Mărginime, die rumänische Umgebung, und auch die Nachbarschaft der Szekler gebunden. Ich habe mich intensiv damit auseinandergesetzt, weil ich diese These nie einfach abtun wollte und abtun konnte.

Aber das Motto „Heimat ohne Grenzen“ bildet hierzu so etwas wie eine Gegenthese, indem es die siebenbürgisch-sächsische Wirklichkeit (sowohl in Rumänien wie auch in Deutschland) in den Kontext des Zusammenwachsens von Europa stellt.

Die Eröffnung dieser Veranstaltung mit dem Spielen der Europa-Hymne ist ja geradezu ein Hinweis darauf, dass dieser Heimattag mit seinem Motto siebenbürgisch-sächsische Heimatpflege, in Verbindung zu einem zusammenwachsenden Europa stellt, einem Europa, das gekennzeichnet ist durch die Freizügigkeit am Arbeitsmarkt und, verehrter Herr Botschafter Comănescu, sicher bald auch durch Zugehörigkeit Rumäniens zum Schengen-Raum und zum freien Austausch untereinander.

In diese Wirklichkeit das siebenbürgisch-sächsische Erbe, mit seinen Prägungen durch das rumänisch-ungarische Vielvölkerumfeld, hineinzunehmen und in Rumänien wie hier weiterzutragen, scheint mir ein wichtiges Anliegen zu sein. Und deshalb ist dieses Motto des Heimattages aus meiner Sicht so wertvoll.

Meine Damen und Herren, ich stehe nun erstmals vor Ihnen in meiner neuen Funktion als Vorsitzender des Deutsch-Rumänischen Forums, einer Institution, die das Ziel verfolgt, Verbindungen zwischen Deutschland und Rumänien zu festigen, auszubauen und sozusagen Brücken zu bauen. Deshalb sei es mir gestattet, dass ich auf einen Brückenpfeiler hinweise, der gefährdet scheint und dessen Festigung ich mir jedenfalls in besonderer Weise vorgenommen habe, und das sind die deutschen Schulen, die Schulen der deutschen Minderheit, die Schulen in der Sprache der deutschen Minderheit in Rumänien. Seit sechs Monaten liegt ein Antrag des Demokratischen Forums der Deutschen Rumäniens vor, das uns um die Aufstockung der Gehälter der deutschsprachigen Lehrer bittet.

Bernd Fabritius und ich haben in den Haushaltsberatungen, die in den Ausschüssen letzte Woche zu Ende gingen, leider ernüchtert feststellen müssen, dass das Brett, das hier zu bohren ist, dicker ist, als wir erwartet hatten. Aber wir wollen und werden dieses Brett weiter bohren! Auch wenn es formale Hindernisse gibt, die wir überwinden müssten.

Und wenn es zum Engagement für dieses Ziel, die Stärkung des Lehrpersonals an deutschen Schulen in Rumänien, noch einer besonderen Motivation bedurfte, so habe ich sie in der letzten Woche erhalten. Ich bin vor einer Woche bei den Deutschen Kulturtagen in Schäßburg gewesen und habe mich dort zu der Absicht bekannt, einen Zuschlag für die deutschsprachigen Lehrerinnen und Lehrer aus Deutschland zu ermöglichen. Mein Bekenntnis ist in der Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien veröffentlicht worden und ich habe Zuschriften erhalten. Eine Zuschrift ist mir besonders unter die Haut gegangen, sie kam aus Hermannstadt. Der Absender schreibt, dass der deutsche Fachunterricht wegen Lehrermangels immer weiter eingeschränkt würde, aber auch, dass nicht alle Kinder, die in Hermannstadt in Vorschulklassen Deutsch lernen wollen, Deutsch lernen können, und dass der deutsche Fachunterricht selbst an der Vorzeigeschule Brukenthal-Lyzeum wegen des Fehlens geeigneter Lehrer von Jahr zu Jahr weiter eingeschränkt werden muss. Frau Unterstaatssekretärin Cosmatu weiß, wovon die Rede ist.

Und nun kommen zwei Sätze, die ich zitieren möchte: „Dabei bringt Deutschland jeder Absolvent des deutschsprachigen Schulwesens in Rumänien großen Nutzen. Egal, ob als zukünftiger Beschäftigter deutscher Firmen in Rumänien oder in Deutschland. Die Chinesen haben dies erkannt und 'klotzen' am Hermannstädter Konfuzius-Institut mit von China finanzierten Professoren und Stipendien. Obwohl das Interesse an Chinesischer Sprache bei den Hermannstädtern weit geringer ist, als für Deutsch.“ Der Briefschreiber endet mit dem Satz: „Es wäre schön, wenn der deutsche Staat in dieser Beziehung von China lernen könnte.“

„Heimat ohne Grenzen“ ist kein abstraktes Motto. Es formuliert die Aufgabe, siebenbürgisch-sächsische Kultur in Rumänien, Deutschland und Europa zu bewahren und für seine Fortschreibung in die europäische Zukunft zu sorgen. In diesem Sinne wünsche ich diesem Heimattag einen guten, einen erfolgreichen und einen harmonischen Verlauf. Herzlichen Dank!

Schlagwörter: Heimattag 2014

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