10. März 2009

Respekt und Verständnis angemahnt

Zur aktuellen Debatte um die Besetzung des Stiftungsrates der Bundesstiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ erklärt der Bundesvorsitzende des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, Dr. Bernd Fabritius:
Die öffentliche Debatte der letzten Wochen hat leider wieder aufgezeigt, wie wenig Verständnis und Respekt dem Schicksal der Heimatvertriebenen und deren berechtigten Anliegen entgegengebracht wird. Selbst einige herausragende Politiker solidarisieren sich mit haltlosen Vorwürfen von Mitgliedern der polnischen Regierung und in polnischen Medien gegen den Bund der Vertriebenen (BdV) und dessen Präsidentin Erika Steinbach. Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) verteidigt die Position des Bundes der Vertriebenen und kontert mit harscher Kritik an der öffentlichen Debatte dazu sowie den Interventionen der polnischen Regierung: „Die unverhohlene und geradezu aggressive Einmischung eines Nachbarlandes in deutsche Entscheidungen ist nicht akzeptabel und widerspricht dem viel beschworenen europäischen Geist.“

Befremdlich ist auch, wenn die Bundeskanzlerin vom Koalitionspartner aufgefordert wird, sich entscheiden zu müssen, ob sie (entweder) ein gutes Verhältnis zum Bund der Vertriebenen oder zu Polen wolle (so der Vizepräsident des Deutschen Bundestages, Wolfgang Thierse). Das Nominierungsrecht des Bundes der Vertriebenen beruht auf einem Gesetz, dass der Bundestag mit Zustimmung des Koalitionspartners verabschiedet hat. Soll es nun keine Geltung mehr haben? Diese Position verkennt weiter, dass die Besetzung des Stiftungsrates der Bundesstiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ kein deutsch-polnisches Problem sein darf. Es ist eine innerdeutsche Aufgabe. Kein anderes Land hat Bedenken angemeldet. Das Konzept dieses Erinnerungsprojektes, mit dem seine Planer und Vordenker Erika Steinbach (CDU) und Peter Glotz (SPD) schon vor Jahren gestartet sind, hat parteiübergreifenden Ursprung und soll im Sinne eines „nie wieder!“ Vertreibungen in ganz Europa in mahnender Erinnerung halten. Dies entspricht dem Geist der Charta der deutschen Heimatvertriebenen, die als anerkanntes Instrument europäischer Versöhnungspolitik Maßstäbe setzt: Hier verzichten die deutschen Heimatvertriebenen auf Rache und Vergeltung, unterstützen alle Kräfte, die sich für „die Schaffung eines geeinten Europas“ einsetzen, und wollen „durch harte, unermüdliche Arbeit teilnehmen am Wiederaufbau Deutschlands und Europas“. Irrationale und unbegründete Befindlichkeiten in Polen dürfen nicht dazu führen, diese berechtigten Anliegen eines deutschen Opferverbandes zu verhindern. Befindlichkeiten müssen zwar zur Kenntnis und – wenn sie begründet sind - ernst genommen werden. Ansonsten wäre ihnen aber durch sachliche und nachdrückliche Information entgegenzuwirken.

Unerträglich ist auch, dass die Fraktionsvorsitzende von Bündnis90/Die Grünen im Deutschen Bundestag, Renate Künast, den Bund der Vertriebenen, in dem alle Verbände der Heimatvertriebenen und Aussiedler, einschließlich unseres Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, vereint sind, in der ARD-Talkshow Anne Will (Sendung am 1. März 2009) pauschal verunglimpft und dem stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU Fraktion, Wolfgang Bosbach (CDU), wegen seiner sachlichen Erwiderung und Fürsprache für den Bund der Vertriebenen vorgeworfen hat: „Sie beten diesen Bund der Vertriebenen gesund, das ist unerträglich“.

Der Bund der Vertriebenen ist der Zusammenschluss der in 21 Landsmannschaften, 16 Landesverbänden und vier angeschlossenen Mitgliedsorganisationen organisierten Vertriebenen, Aussiedler und Spätaussiedler. Frau Künast verkennt, dass weder der Bund der Vertriebenen, noch die dort vereinten Heimatvertriebenen, Aussiedler und Spätaussiedler „gesundbetungsbedürftig“ sind. Ich ermuntere Frau Künast, sich über Inhalte und Ziele der Arbeit unseres Verbandes sowie der anderen im BDV vereinten Verbände sowie über das Schicksal der Aussiedler und Heimatvertriebenen zu informieren, bevor sie derart verletzende Äußerungen öffentlich tätigt.

Wenn Gegner des Erinnerungsprojektes das Schicksal der Heimatvertriebenen und Aussiedler sogar damit rechtfertigen wollen, dass Deutschland (unbestreitbar) die Schuld des Zweiten Weltkriegs auf sich geladen hat, dann verkennen diese, dass ein Verbrechen keinesfalls durch ein anderes Rechtfertigung finden kann.

Ich danke allen Politikern, die sich mit uns und unseren Anliegen solidarisch zeigen und diese durch sachliche Argumentation unterstützen. Heimatvertriebene und Aussiedler haben – wie alle Opfer des Zweiten Weltkriegs – ein schweres Schicksal erlitten. Sie haben ein Recht darauf, dass ihnen fair, mit Respekt und Verständnis begegnet wird. Auch sollten Debatten mit ihnen und nicht über sie geführt werden.

Dr. Bernd Fabritius, Bundesvorsitzender und Mitglied im Präsidium des BdV

Schlagwörter: BdV, Zentrum gegen Vertreibungen, Fabritius

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