Kleinalisch - Informationen
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Einst ein rein siebenbürgisch-sächsisches Dorf
Ein rein siebenbürgisch-sächsischer Ort war das Dorf Kleinalisch in einem engen Seitental der Kleinen Kokel. Vorübergehend waren auch Fremde da, z.B. ein Hirte oder Kolonisten aus den Westkarpaten oder in den neueren Zeiten ein Brigade- oder ein Farmleiter. Sie kamen und gingen wieder. Die Sachsen aber lebten, arbeiteten, kämpften und feierten da mehr als 700 Jahre lang – bis zur großen Auswanderungswelle der Jahre 1989-91. Einige Jahrzehnte früher waren es 900 Seelen gewesen – in den 90-er Jahren aber gab es nur noch einen winzig kleinen Bruchteil davon und neue, andere Menschen besiedelten allmählich das Dorf.
Die nahen Berge und Hügel, man könnte sagen fast vor der Haustüre, waren einst mit kostbaren Weinreben bepflanzt, vor allem die sonnigen Süd- und Südwesthänge lieferten edle Weine, die früher an die Gasthäuser der umliegenden Städte verkauft wurden und somit eine große wirtschaftliche Bedeutung hatten. Nach dem Zweiten Weltkrieg landete das edle Nass dann in den großen Weinkellereien, z.B. in Seiden. Die Weinrebe war auch ein bevorzugtes Motiv in den Giebeln der Häuser. Nicht nur den Weinbau, auch die Mundart hatten die Vorväter vor über 700 Jahren vermutlich aus dem Raum Köln – Trier – Lüttich mitgebracht. Auffallend war das „J“ im Anlaut, das auch noch in anderen 5 Dörfern im Kokelgebiet zu finden ist; außerdem die häufige Verwendung der betonten Umlaute ä, ö, ü. „Wir gehen auf den Jahrmarkt“ hieß dann „Mĕr jähn of den Jährmert“; eine große Gemeinde, das war „en jrüß Jemien“, der Garten „dĕr Jörten“ usw.
Weitere Besonderheiten gab es natürlich im Rahmen der Sitten und Bräuche. Zu Pfingsten beispielsweise setzten die Burschen am Vorabend ihrer Liebsten einen „Pfingstbaum“ vor das Haus und im Gegenzug bekamen sie dann beim Besuch des Pfingstgottesdienstes von der Angebeteten einen äußerst kunstvoll gebundenen Blumenstrauß, den sie mitnahmen auf die Empore und dort für die Dauer des Gottesdienstes an den dafür vorgesehenen Stellen platzierten. Ein einzigartiger Brauch war der „Freudenumzug“, mit dem die Hochzeitsfeierlichkeiten zu Ende gingen, scherzhaft „Betteln“ genannt. Nachdem am Sonntag die kirchliche Trauung vollzogen und ausgiebig gefeiert worden war, wurde am Montagmorgen das Hochzeitspaar samt Trauzeugen auf einen Pferdewagen geladen, dazu ein genügend großer Vorrat an Hochzeitsgebäck und Wein. Gefolgt von einem zweiten Wagen und den anderen Hochzeitsgästen begann der Umzug zu Ehren der frisch Vermählten. Gut gelaunt, zum Teil singend und scherzend gingen die Teilnehmer von Haus zu Haus. Dieser Umzug hatte auch den Sinn, dem jungen Paar die Begründung des eigenen Hausstandes zu erleichtern. Aus jedem Haus wurden kleine Gaben gebracht: eingekochte Lebensmittel wie Tomatensaft oder Marmelade, ein Korb Kartoffeln, Getreide, selbst gekochte Seifenstücke, kleine Handarbeiten, usw. Als Dank gab es Hochzeitsgebäck aus dem Wagen und natürlich ein Glas Wein entweder vom Wagen oder vom betreffenden Hauswirt. Allmählich geriet das ganze Dorf in heitere Stimmung, lesen wir in einem mit „Schuster“ unterzeichneten Aufsatz. „Ich habe es erlebt, dass vor lauter Übermut und Freude mit dem Wagen des jungen Paares noch eine Spritztour in die Weinberge gemacht wurde. Die schöne Aussicht und die Freude an der Tier- und Pflanzenwelt der Umgebung waren ein wirklicher Genuss.“
„Ein heiteres, rühriges, lebensfrohes, man kann sagen geistvolles Völkchen lebt durchgängig auf diesen Dörfern“ schrieb Anonymus schon 1840 über die 13 Dörfer, die gemeinsam gegen die Willkür der Adligen gekämpft haben und zu denen auch Kleinalisch gehörte. Ab und zu kamen schwere Zeiten, Epidemien oder Kriege, doch die Kleinalischer bewahrten standhaft ihren Frohsinn, ihre Offenheit, ihr Vertrauen in jeden neuen Tag, ihre Hilfsbereitschaft z.B. beim Hausbau sowie ihre bedingungslose Fürsorge füreinander. Dadurch konnten auch die Kinder „so lustig, unbeschwert und fröhlich den Alltag genießen“, schreibt Schuster, und schließlich: „Nun sind sie überall in Deutschland und in der Welt verteilt, in ihrem Herzen lebt aber bestimmt das Gefühl der Geborgenheit in der Gemeinschaft weiter, und wenn sie es dort bewahren, wird ihnen alles Liebe und Gute widerfahren.“
2019 haben sich 700 Jahre seit der ersten urkundlichen Erwähnung von Kleinalisch erfüllt. Ein Grund zum Feiern, zwei Tage lang, am 11. und 12. August, und zwar vor Ort in der alten Heimat.
Johann Krestel (Veröffentlicht auch im RTI-Magazin Nr. 10)
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