Marktschelken - Informationen

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HOG-Informationen / Geschichte

erschienen in der Siebenbürgischen Zeitung, 15. Dezember 1998
Die Gemeinde Marktschelken liegt nördlich von Hermannstadt, etwa in der Hälfte der Entfernung zu Mediasch, an der Nationalstraße 14 und am linken Ufer des Weißbaches, eines linksufrigen Nebenflusses der Großen Kokel. Der Ort ist eingebettet in Wiesen, Wälder, Weiden, Weinberge, Ackerland und Bachläufe. Seine Pflanzen- und Tierwelt ist genau so mannigfaltig: Fichten, Buchen, Eichen, Pappeln, Ahorn, Weiden, Flieder, Adonisröschen, Meerzwiebeln und Schneeglöckchen schmücken die Hügellandschaft, Rehe, Füchse, Hasen, Wölfe und allerhand Kleintiere beleben sie. Die drei Täler, in die sich die Gemeinde schmiegt, sind das Weißbachtal (der Bach entspringt in Salzburg), das Winzertal und das Tal des Angerlegden-Baches, der im 12 Kilometer entfernten Petersdorf entspringt.

1309 wird Marktschelken als Selk zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Andere Bezeichnungen für den Ort aus den Chroniken: Schelken (1365), civitas maior Schelk (1412), Groß Schelken (1532). In den Urkunden wird 1309 ein Dechant Symon de Selk genannt, was auf die frühe Bedeutung dieses Ortes als Sitz des Schelken Kapitels hinweist. Der Schelker Stuhl wird 1336 erstmals als solcher erwähnt, er war der untere innerhalb der "zwei Stühle" der "Mediascher Provinz" und umfaßte die Ortschaften Marktschelken, Kleinschelken, Arbegen, Frauendorf, Wurmloch, Mardisch, Schaal, Haschagen und Kleinkopisch. Die Führung des Schelker Stuhles lag in den Händen eines Königrichters mit dem Amtssitz in Marktschelken.
Im Jahre 1412 erhielt die civitas maior Schelk (Stadt Groß Schelken) vom siebenbürgischen Woiwoden Stibor ein Jahrmarktprivilegium, was die Ortsbezeichnung Marktschelken zur Folge hatte.
1516 gab es im Ort 62 Wirte, 4 Witwen, 4 Hirten und 1 Müller. 1520 bestätigte König Ludwig II. den Marktschelkern das Recht, in freier Wahl einen eigenen Richter zu bestimmen. In den darauf folgenden Jahren hatten die vier Richter der Gemeinden Marktschelken, Kleinschelken, Frauendorf und Arbegen das Recht, über Leben und Tod in ihren Dörfern zu urteilen. Ihre Sitzungen hielten sie im Marktschelker Rathaus ab, das sich im Burgring über dem Eingang zum Kirchhof befand. Zum Zeichen der eigenen Gerichtsbarkeit wurde auf dem Marktplatz ein Pranger aufgebaut - ein etwa sechs Meter hohes vierseitiges Türmchen, auf dessen Spitze in einer Wetterfahne die Jahreszahl 1525 eingearbeitet war. Die Fahnenspitze lief in einer linken Hand mit drei zum Schwur erhobenen Fingern aus, die das alte Wappen des Schelker Stuhles darstellte. An jeder der vier Prangerseiten befand sich eine Nische mit einem festen, verschließbaren Eisenring, der dem Missetäter um den Hals angelegt wurde, so daß er während der Abbuße seiner Strafe aufrecht stehen mußte. Neben ihn legte man die von ihm gestohlenen Gegenstände. Ein Amtsrichter zwang ihn, wenn Menschen vorübergingen, zu schreien: "Was hier liegt, habe ich gestohlen!" Den Pranger haben rumänische Studenten, denen eine große Menge Gleichgesinnter mit der Staatsfahne folgten, an ihrem ersten Ostertag 1935, während die Sachsen im Gottesdienst waren, zerstört. Über die Prangerzerstörung berichtete eine deutsche Tageszeitung am 3. Mai 1935 (laut Aufzeichnungen von Heinrich Bretz, Rektor in Marktschelken).
Bei der Bevölkerungszählung von 1532 wurden in Groß Schelken 81 Wirte verzeichnet.
Am 25. Mai 1541 wurde in Marktschelken ein Landtag abgehalten, bei dem u.a. der Hermannstädter Königsrichter Georg Hutter mit zwei Ratsherren sowie der gewesene Kronstädter Stadtrichter Martin Brandt mit dem Ratsherren Stephan Greissing anwesend waren. Auf diesem Landtag wurden die Weichen für die Entwicklung Siebenbürgens unter türkischer Oberhoheit für die folgenden anderthalb Jahrhunderte gestellt, da hier mehrere Landesvertreter für die künftigen Verhandlungen mit den Osmanen bestimmt wurden.
In Marktschelken lassen sich vom 16. Jahrhundert an verschiedene Handwerker feststellen, die sich in Zünften zusammenschlossen. Urkundlich sind folgende Zünfte nachgewiesen: Leineweber, Schuster, Wollweber, Schmiede, Maurer und Töpfer.
1595 wird im Ort erstmalig eine Schule erwähnt.
1719 sterben 95 Ortsbewohner an der Pest.
1804-1805: Durch die Regulation werden das Marktgemeinderecht sowie Marktschelken als Gerichtsvorort des Schelker Stuhls aufgehoben.

Kirche und Kirchenburg Bereits Ende des 13. Jahrhunderts entstand hier eine turmlose Basilika, die dem Heiligen Martin geweiht war: 1414 heißt es in einer Appelationsurkunde "ecclesia Sanct Martini de Schelk maiori", d.h. die Kirche des Heiligen Sankt Martin in Marktschelken.
1520 begannen die Bewohner, die romanische Basilika zu einer Wehrkirche umzubauen. Wie den Forschungsarbeiten der Historikerin und Malerin Juliana Fabritius-Dancu zu entnehmen ist, erhielt das Mittelschiff dabei ein Tonnengewölbe, die Arkadenbogen wurden erhöht und ein neues Seitenschiff angebaut. Im Zuge des Umbaus der Kirche behielt das Chorquadrat sein altes Kreuzgratgewölbe, das von drei Rundbogenfenstern erhellt wird. Der schlichte Barockaltar stammt erst aus dem Jahre 1776. Über dem Chor errichtete man ein Wehrgeschoß und zugleich die Ringmauer mit mehreren Wehrtürmen und verschiedenen eingegliederten Bauten: den Tortum, auch Sünderturm genannt, weil hier das " Armensünderglöcklein" hing, das Rathaus, die alte Schule, eine Fleischhalle, ein Gefängnis und ein Fruchthaus.
1800 wurde die Kirche verlängert und 1806 der viergeschossige Glockenturm gebaut. Bei einer Generalreparatur in den folgenden Jahren wurden die Turmfenster vergrößert und mit Eisenrahmen versehen. 1936 erfolgte die letzte große Restaurierung der Kirche. 1906 wurde die alte Ringmauer mit allen der Kirchenburg eingegliederten Bauten restlos abgetragen und anschließend die jetzige Ringmauer vom Maurermeister Andreas Roth (1857-1948) errichtet.
Aus Chroniken geht hervor, daß die Kirche des öfteren von feindlichen Horden geplündert wurde, so z.B. von den sogenannten "Kurutzen" um das Jahr 1700, die Fenster herausbrachen, Türen und Laden zerschlugen, Behänge und anderes wertvolles Kircheninventar raubten. Die Einwohner mußten flüchten, das Dorf wurde angesteckt und brannte völlig nieder.
Die erste Orgel erhielt Marktschelken im Jahr 1720, sie wurde vom Hermannstädter Meister Martinus Hammer gebaut. Die heutige Orgel wurde 1839 von den Brüdern Friedrich und Wilhelm Metz gebaut, 1931 überholt und repariert. Das Gehäuse ist einfach gehalten, der barocke Klang gewahrt. Das Instrument besitzt ein Manual und zwölf Register.
Von den verschiedenen Vereinen, die das Gemeinschaftsleben Marktschelkens im Laufe der Geschichte geprägt haben, war der Raiffeisenverein einer der bedeutendsten. Dem Neuen Volkskalender vom April 1922 ist zu entnehmen, daß der Bau der Wasserleitung im Jahr 1896 ursprünglich nur von den Hofbesitzer der Obergasse unternommen wurde. Bei der damaligen Verschuldung der Leute wäre das Vorhaben jedoch gescheitert, wenn nicht der Raiffeisenverein billig und in leichter, bequemer Weise das Geld dazu besorgt hätte. Die Wasserleitung allerdings war lebensnotwendig für die Obergasse, die vom Aussterben bedroht war: Wegen des Wassermangels wollten keine Burschen mehr in die Obergasse heiraten. 1922 war sie indes die bevölkerungsreichste Gasse und hatte meist zwei Wirte auf einem Hof, so der Neue Volkskalender. Der Raiffeisenverein förderte auch andere wichtige Bauten: die schon erwähnte Renovierung der Kirche und der Ringmauer (1908) sowie den Bau der neuen Schule (1911), die auch heute noch steht. Große Verdienste hat der Verein sich auch um die Wiederherstellung der verwüsteten Weingärten erworben und vielen Bauern beim Ankauf von Hof, Vieh und Grund geholfen.

Bevölkerung
Wie groß die Zahl der Ansiedler war, die einst Marktschelken gründeten, ist nicht bekannt. Bis in das 16. Jahrhundert ist es wohl eine rein sächsische Gemeinde gewesen. Im 17. Jahrhundert verzeichnet das "Lexikon Transilvanicum" außer evangelischen Sachsen auch rumänische Familien und ungarische Dienstboten. In den folgenden Jahrhunderten ist dann neben den Sachsen eine zahlreiche anderssprachige Bevölkerung herangewachsen, und Sachsen, Rumänen, Ungarn und Zigeuner lebten meist friedlich zusammen. Die sächsische Bevölkerung lebte in den drei Hauptstraßen - Obergasse, Niedergasse, Hintergasse - und auf dem Marktplatz. Es gab sechs Nachbarschaften, die nach ihrer Lage im Dorf benannt wurden.
Eine der bedeutenden Persönlichkeiten des Dorfes war Rektor Heinrich Bretz (1862-1947), der in seiner 42jährigen Dienstzeit nicht nur das Schulwesen und Kulturleben Marktschelkens geprägt hat, sondern auch über die Grenzen des Dorfes hinaus bekannt wurde. Er war neben seiner aufopferungsvollen Tätigkeit als Lehrer und Rektor auch Chor- und Adjuvantendirigent, Gründer und Leiter der Theatergruppen, Initiator bei der Einrichtung verschiedener Vereine wie der Freiwilligen Feuerwehr, des Raiffeisenvereins und anderer Körperschaften. Auch nach seiner Pensionierung leitete er als Hilfslehrer in Marktschelken und den umliegenden Gemeinden Jugendchöre. Bereits 1907 schloß er sieben Gemeinden zum "Weißbachtaler Sängerbund" zusammen und veranstaltete jedes Jahr Sängerfeste. 1911 ließ er unter dem Titel "Froher Dreiklang" 50 deutsche und sächsische Lieder für gemischten Chor im Verlag Joseph Drotleff drucken.

Ausreise und Neuanfang
Einer der entscheidenden und doch tragischsten Abschnitte in der Geschichte Marktschelkens im 20. Jahrhundert ist die Ausreise fast aller sächsischer Bewohner nach Deutschland. Die Erschütterungen der letzten fünfzig Jahre mit dem Zweiten Weltkrieg und seinen verheerenden Folgen, der Deportation nach Rußland, der totalen Enteignung, der nervenaufreibenden Diskriminierung der Deutschen durch Partei und Staat, führten zum Verlassen der Heimat. Weil viele Männer und Frauen nach Gefangenschaft und Deportation in Deutschland gelandet waren, begann in den 60er Jahren, im Zuge der Familienzusammenführung, der Exodus und ein Neuanfang in der Bundesrepublik. Zur Zeit leben nur noch 15 Sachsen in Marktschelken von den ehemals rund 700 Seelen im Jahre 1930.
Auf Initiative des evangelischen Pfarrers Georg Peter, vormals Seelsorger in Marktschelken, kam man ab 1984 jedes zweite Jahr zu den ersten vier Heimattreffen in seiner Kirchengemeinde Langen bei Frankfurt zusammen. Danach fanden die HOG-Treffen, gleichfalls alle zwei Jahre, in Nürnberg statt, von den Ehepaaren Johanna und Hans Schuster sowie Rosina und Alfred Schoger organisiert.
Beim achten Treffen im September 1998 wurde ein neuer Vorstand gewählt, der sich gleich nach seiner Konstituierung mit der dringenden Frage der Friedhofspflege in Marktschelken beschäftigte. Ein jährlicher Beitrag von 10 DM pro Familie wurde vereinbart, und die tatkräftige Familie Seidner, wohnhaft in Marktschelken, für die Betreuung gewonnen.
Für das zur Zeit in Arbeit befindliche Heimatbuch werden Daten gesammelt und weitere Beiträge an Rosel Potoradi, Parsevalstraße 8a, 97074 Würzburg, erbeten. Wertvolle Vorarbeit wurde von Hannelore Maurer aus Crailsheim geleistet, die erfreulicherweise für die Mitarbeit am Heimatbuch gewonnen werden konnte.


von Rosel Potoradi