Zunftgeschichte

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medwescher
schrieb am 26.11.2011, 10:10 Uhr
Hallo zusammen,

beim Studium einer alten Handschrift, die aus dem 16. Jh stammt, (Freiherr Bedeus von Scharberg: Aus einem Medwischer Stadtbuch des 16. und 17. Jahrhunderts, in Archiv des VfsL 3(1), 1858)stoße ich auf Notizen in Latein über das Zunftwesen, die aber auch einzelne Worte in Deutsch bzw. Sächsisch und ggf. andere Sprachen (Ungarisch?)enthalten, deren Sinn sich mir nicht erschließt. Vielleicht kann jemand helfen? Ich reihe das mal hier auf:

Ein Schneider bekommt 2 Gulden für eine "Hasicka". Was ist das wohl?

"Secures astiales wt BanthEkes, SchrothEkes".... zunächst nehme ich an dass "wt" ein Schreibfehler ist und vielleicht wulgo heissen soll. Secures sind die Äxte, und "Ekes" lese ich als sächsich "Äkes", "Äxte". Wikipedia kennt Schrot und Bandäxte, aber was genau sind das? Und wie übersetzt man "secures astiales" exakt?

"Vantra" oder "Wanthrak" wird im Zusammenhang mit Gewebe (Stoffen)verwendet: Bedeus schreibt in einer Fußnote dazu "ein altes Flächenmaß für Textilien, das Wort zusammengesetzt aus dem altdeutschen "Rick" für Gestell, und "Want" (oder "Wat") für Zeug, Tuch, Gewand, also: Gestell zum Aufspannen des Tuchs, das ist also so viel Tuch als auf einen Rahmen gespannt wird" ... Tja: aber wie groß war der Rahmen?

Bei den Schustern steht" Item Calceos taletarios viriles wulgo Mannes gemechter" - "Calceos taletarios" wird wohl mit Schnürstiefel übersetzt, aber woher kommt der Sprachgebrauch "Gemechter" für Stiefel (bei Frauen wird das gleiche Wort verwendet!)

In einer alten Preissatzung wir verrechnet "Item pro conviseo Emta urnas musti V (=5)" (Der Eimer Most wurde in Mediasch als "Preisetalon" verwendet und für jede Weinlese neu festgesetzt!) ... was ist "conviseo emta"?


Es würde mich freuen, wenn jemand helfen könnte, die Nüsse zu knacken!

Schönes Wochenende allen Knoblern
Medwescher

sibihans
schrieb am 26.11.2011, 16:18 Uhr (am 26.11.2011, 16:43 Uhr geändert).
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Schrotaxt (Zimmerei). Zimmerei. Klinge mit schwach gewölbter Schneide. Dreieckiges Schaftloch und Hahnansatz.
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BanthEkes

Ich vermute daß das eher eine Bartaxt ist.
Klingsor
schrieb am 29.11.2011, 13:42 Uhr (am 29.11.2011, 14:12 Uhr geändert).
3.

Ein Schneider bekommt 2 Gulden für eine "Hasicka". Was ist das wohl?

Sicher ist, das kommt aus dem Ungarischen, und nämlich in Beziehung zu:
házi(ak,t) 1.häuslich, zum Hause gehörig
(Német és Magyar Szótár.Szerkesztették Simonyi Zsigmond és Balassa József. Második Magyar-Német Rész. Budapest Franklin Társulat.1902/Deutsches und ungarisches Wörterbuch. redigiert von Siegmund Simonyi und Josef Balassa. Zweiter, ungarisch-deutscher Theil. Budapest Franklin-Verein 1902, S.146 unten.)

MEINE(improvisierte!) Deutung: Haus-Rock
wobei das Diminutivale im Ungarischen manchmal nicht unbedingt die Kleinigkeit des Objektes zum Ausdruck bringt, sondern vielmehr das Emotionale, Vertrauliche, Liebkosende.

Mag sein, ich täusche mich gewaltig...aber bestimmt nicht die zitierte Wörterbuch-Stelle.

Vantra, Vantrak:

ich respektiere Bedeus von Scharberg, aber diesmal scheint mir Wand(er[n])-Rock die richtige Lesart.
Also ..ich habe die Original-Transkription des Textes nicht hier..denn der Zusammenhang des Ganzes ist wichtig.

Mag sein, dieselbe? Person hat sowohl ein Haus-Rock als auch ein Wander[n]-Rock bestellt .
A liest man in 7bürgen manchmal als offenes o...

wt ist eigentlich kein Schreibfehler wt=(lat.): aut= anders gesagt, oder, nämlich


Viel Spaß
Klingsor
der Ijel
schrieb am 29.11.2011, 19:51 Uhr (am 29.11.2011, 20:02 Uhr geändert).
"Vantra" oder "Wanthrak" wird im Zusammenhang mit Gewebe (Stoffen)verwendet:

Wamtrenk ist auf Sächsisch ein Längenmas wenn es um
das Aufspannen der Fäden beim Webstuhl ging.
En gūnz Wuntrenk oder Roadaresch-Wamtrenk sen 14 Ellen en Hoalf Wamtrenk sen 7 Ellen
Frau Seiwert Sara geb Bell geb. 1925 bestättigt gerade diese meine vagen Vorstellungen.
--------------------------------
Zu den Äxten kann ich sagen:
Schicht-Åkkes war die Breite Zimmermanns Axt, mit der wurde aus runden Baumstämmen vierkantige Balken gehauen.

Der Daasel, zum die Dauben für Fässer zu bearbeiten Mulden und Tröge aus Baumstämmen.

Mit einer leichteren normalen Axt wurden im Wald die gefällten Bäume -entastet-
der Begriff dafür -schnaiseln-
s wird hier weich ausgesprochen wie bei Besen.

Ein weiterer Begriff fällt mir dabei ein, Die gefällten Bäume wurden auf Wagenlänge zugeschnitten, 3-4 Meter Länge
Wofür das Verb -keepen- verwendet wurde.

Mit SchrothEkes". weiss ich im säksischen leider nichts anzufangen
Doch gibt es den Begriff Schroide-Latjer
Ein solides Leiterförmiges Gestell welches als schiefe Ebene auf die Kellertreppen gelegt wurde. Um darauf die Weinfässer ein, oder auszulagern.
Desgleichen auf den Wagen zu verladen.
Klingsor
schrieb am 29.11.2011, 19:59 Uhr (am 29.11.2011, 20:12 Uhr geändert).
5.
@Klingsor"Vantra, Vantrak":

ich respektiere Bedeus von Scharberg, aber diesmal scheint mir Wand(er[n])-Rock die richtige Lesart.


(hier habe ich falsch gedeutet)
die richtige Deutung darunter:


@der Ijel "Vantra" oder "Wanthrak" wird im Zusammenhang mit Gewebe (Stoffen)verwendet.Wamtrenk ist auf Sächsisch ein Längenmas wenn es um
das Aufspannen der Fäden beim Webstuhl ging.
En gūnz Wuntrenk oder Roadaresch-Wamtrenk sen 14 Ellen en Hoalf Wamtrenk sen 7 Ellen
Frau Seiwert Sara geb Bell geb. 1925 bestättigt gerade diese meine vagen Vorstellungen.


Gut zu wissen, vielen Dank, hier habe ich mich gewaltig getäuscht..
Ich hoffe doch, der Rest bleibt richtig und hilft irgendwie...(kleine, vorsichtige Schritte)...

Klingsor
medwescher
schrieb am 04.12.2011, 00:55 Uhr
Hallo, ich habe ein paar Tage lang nicht nach meinem Forenbeitrag schauen können und nun bin ich beeindruckt! Ich danke sehr für die Hinweise und die Diskussion der Zusammenhänge ... es ist wie Klingsor sagt: viele kleine Schritte!

Noch fehlt die Deutung der "Gemechter" für Stiefel... Vielleicht findet sich da auch etwas
Einen wunderschönen Adventsonntag wünscht Euch
Medwescher
medwescher
schrieb am 04.12.2011, 01:01 Uhr
Ach ja, noch zu den Äxten:

Zu Schrotaxt findet sich im Internet dies: Schrotaxt Schrotaxt (Zimmerei). Zimmerei. Klinge mit schwach gewölbter Schneide. Dreieckiges Schaftloch und Hahnansatz. (Forenbeitrag) (siehe hierzu http://de.academic.ru/dic.nsf/pierer/48681/Schrotaxt

dazu passt auch der Hinweis von sibihans. Seier Deutung, dass Bandaxt (bzw. Bantekes) eher eine Bartaxt sei, kann ich nicht ganz folgen: Dazu findet sich in Wikipedia: Bandaxt oder Bundaxt : Eine Bandaxt auch Bandhacke ist ein Werkzeug und eine Waffe die in den Handwerksberufen der Böttcher und Küfer benutzt wird. Die Klinge hat einen vorderen Bart und ist einseitig geschliffen. Sie wird dazu benutzt die Eisenringe Bottichreifen an Fässern festzuschlagen. Im 17. Jahrhundert wurde sie von den Stückknechten als Zweitwaffe benutzt. (http://de.wikipedia.org/wiki/Benutzer:MittlererWeg/BKL_Artikel:SCHWERT:Bandaxt)

Gute Nacht
Klingsor
schrieb am 07.12.2011, 19:00 Uhr (am 07.12.2011, 19:23 Uhr geändert).
8.


Nur so, zur Aufrundung des Gesamtbildes, danach kann man das Ganze zusammenfügen:

Link: Schröter (Beruf) wiki.de

KLICK:
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Schroten und Schrotleiter
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Klingsor
Klingsor
schrieb am 07.12.2011, 21:26 Uhr (am 07.12.2011, 21:52 Uhr geändert).
9.

@der IjelMit "SchrothEkes". weiss ich im säksischen leider nichts anzufangen


Warum eben Schrotaxt/SchrothEkes?

Beim Schroten, nachdem der Faß auf dem Schrotwagen entlang gelegt war, mußte man ihn befestigen, damit er nicht seitlich herunter rollt.
Dafür verwendete man dreieckig geschnittene Holzklötze, manchmal auf der Innenseite (zum Faß hin) ein bißchen hohl abgerundet. 4 Stück wenigstens, auf den Bodenbrettern des Wagens, unter dem Faß. Damit sie nicht auseinander rutschen, hat man sie zuerst mit der Schrotaxt zum Faß hin fest geklopft, dann jeweils zwei mit einer Holzlatte quer auf dem Wagen zusammen befestigt, wobei die Latte an diesen Holzklötzen festgenagelt wurde..Immer noch mit dieser Schrotaxt.

Da die Schröter allg. bekannt waren, und das Schroten ein Spectaculum – Zirkus sagte man in Hermannstadt - an und für sich war, wurde diese Axt berühmt, und so hat man diese Axt, eigentlich eine Band-Axt, volkstümlich umbenannt, sie avancierte zur Schrot-Axt.

Über Berufs-Schröter in Hermannstadt (manchmal waren sie eine ganz freche und unverschämte Sorte Burschen) schreibt ziemlich viel irgendwo in einem Buch über Hermannstadt Harald Krasser

aber über das häuslich-bürgerliche Schroten und Vereinigungen genannt die “Schrotte“ (als Nachbarschaft gemeint, und als Ausschank-Recht) schreibt Emil Sigerus: Vom alten Hermannstadt. 2 Ausg. Johannis Reeg-Verlag Heilbronn . 2003, Kapitel: Vom Essen und Trinken, Ss.136-137

Band-Axt:

Hier bin ich mir nicht mehr so sicher, aber es scheint vom BINDEN zu kommen, nämlich von dem Beruf der Büttner und Faß-BINDER…wobei die aus Eisen-BAND gefertigte rotglühende Eisenreifen, die die Dauben zusammenhalten müssen, also um-BINDEN, eben mit dieser Binde-Axt, BAND-Axt um die Dauben hinunter geschlagen werden.Und nämlich nicht mit der Nase der Axt(die breite Seite, wie ein Hammer, aber immer irgendwie abgerundet, also nicht dafür geeignet), sondern mit dem Bart(siehe Bart-Axt), also mit dem nicht-schneidenden Teil der Axt, in Verlängerung zur scharfen Kante der Klinge, auf de Seite näher zur Hand.Manchmal hielt man eine Band-Axt mit dem Bart auf dem Reifen, und mit einer anderen Axt oder Hammer schlug man auf die Nase der darunterhaltenden Band-Axt.


Mit viel Spaß

Klingsor
Klingsor
schrieb am 08.12.2011, 12:19 Uhr (am 08.12.2011, 12:28 Uhr geändert).
10.


1. CORRIGENDA in eigener Sache..Posting 9. zweiter Abschnitt
Band-Axt , Zeile 4:
Nicht Nase der Axt, sondern Nacken.

2.damit man es besser versteht... KLICK:

Fahren Sie mit der Maus über die Box um die Vorschau anzuzeigen.
Die Axt-Teile
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Mit viel Spaß

Klingsor
medwescher
schrieb am 09.12.2011, 19:06 Uhr
Hallo, nach einigen Tagen, wo ich nur dem Beruf, und nicht der Berufung (=Hobby ) nachgehen konnte, lese ich dankbar die weiteren Ausführungen. An diesem Wochenende werde ich mal eine Zusammenfassung der Infos versuchen, um eine griffige Formulierung für die Fußnoten meiner Übersetzung zu bekommen.

Schönen 3. Advent allerseits wünscht Euch
medwescher
der Ijel
schrieb am 09.12.2011, 20:54 Uhr
Band-Axt:

nämlich von dem Beruf der Büttner und Faß-BINDER…wobei die aus Eisen-BAND gefertigte rotglühende Eisenreifen,
???

Nun, Mein Vater war ausser Landwirt bzw. Winzer auch angelernter Fassbinder. Ich als der Jüngste habe oft zuschauen dürfen und nicht selten auch einen Reifen auf dem Ambos halten müssen.
Während der Vater mit dem Meissel das abgemessene Stück Bandeisen von der Rolle trennte.
Danach wurde erst ein Loch an dem einen Ende des zu endstehenden Reifens, mit hilfe des Durchschlags geschlagen,
als Untersatz auf dem Amboß diente eine grössere Schraubenmutter.

Das Ende mit dem Loch wurde flach auf das andere Ende des Bandeisens gelegt, die Überlappung etwa 10-15 cm.
Kalt zusammengenietet. Danach wurde der Reif mit der Finne des Handhammers so geschrägt dass er sich auf die Wölbung des Fasses gut anpassen lies, auch kalt.
Und kalt wurde er auch auf das Fass gelegt und mit Hilfe des Satzhammers, keineswegs mit einer Axt, festgeschlagen.

Der Såtzhümmer wie ihn mein Vater nannte, hatte auch eine Finne ca 1 cm stark, doch nicht quer zum Hammerstiel wie der gewöhnlicher Hammer, sondern in längs Richtung. Und er war zur Hälfte aus einem Stück Hartholz gefertigt.

Die Finne wurde mit der Linken auf die Reifenkannte gesetzt und auf das Holzteil des Satzhammers wurde mit dem normalen 1kg. Hammer, geschlagen, so wurden die Dauben fest angezogen.Während der Bötcher in kreisendem Gang klopfend und schlagend das Fass umkreiste.
Takt und Rythmus dieses Vorganges ist mir noch sehr lebendig in den Ohren

Rotglühende Reifen hat der Schmied auf die Felgen des Wagenrades aufgezogen.

Hanwerkergruß und schöne Feiertage
sibihans
schrieb am 09.12.2011, 21:41 Uhr (am 09.12.2011, 21:42 Uhr geändert).
Schrotaxt , eine Axt, welche die Gestalt der Zimmermanns=Axt hat, um damit Bäume von einander zu schroten oder zu hauen. Sie hat oben kein so breites und dickes Oehr, als die Holzaxt, damit beim Hauen keine so breite Kerbe entstehe. Die Schrotaxt der Bergleute ist ganz von Eisen und hat die Gestalt des Winkeleisens, wovon die eine Seite 3 <148, 601> Zoll breit und einen Zoll stark ist, die andere aber die Stelle des Stiels vertritt.
Allein, ein ganz eigenes und das vornehmste Werkzeug ist die Axt bei dem Bau=Handwerke der Zimmerleute oder Werkmeister, als welche verschiedene Aexte haben, nehmlich: eine Bind=Axt, oder eigentliche Zimmer=Axt, eine Stich=Axt, eine Zwerg=Axt etc.
"Bind=Axt". Jetzt müssten nur noch unsere Dialektexperten herausfinden ob das sächsisches Wort BanthEkes sich nicht dadrauf beziet.

Der Ausdruck Schrotaxt ist Bestandteil der Oeconomischen Encyclopädie (1773 - 1858) von J. G. Krünitz, deren Online-Version Sie hier starten können:

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