Gedanken über das Denken

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OREX
schrieb am 01.05.2014, 20:47 Uhr
Der französische Mathematiker und Philosoph René Descartes soll gesagt haben:

a) über den Verstand:
Nichts auf der Welt ist so gerecht verteilt wie der Verstand. Denn jedermann ist überzeugt, dass er genug davon habe.

b) über das Denken
Ich denke, also bin ich. / Cogito, ergo sum.

Was versteht man eigentlich unter Denken? Es ist eine schwierige Frage. Ich will aber keine dicken Wälzer bemühen, sondern nur ein paar von meinen Gedanken aufschreiben. Denke ich auch? Wenn ich den Kehrsatz „Ich bin, also denke ich“ nehme, so muss ich wohl denken. Bin ich aber? Jetzt schließt sich der Kreis, jetzt beißt sich die Katze in den Schwanz. Mögen die Theoretiker diesen Faden weiterspinnen.

Denken die Tiere? Wohl kaum. Gefühle mögen sie haben – ich bin sicher, sie haben welche. Aber denken? Wo beginnt das Denken? Ich würde sagen, der erste Schritt in der Entwicklung des Denkens war die Unterscheidung zwischen „Heute“ und „Gestern“. Kommt nicht davor das Erkennen der Individuen einer Gruppe? Gibt es das nicht schon bei Tieren? Den Elefanten sagt man sogar ein sehr gutes, ein „Elefantengedächtnis“ nach. Sie erinnern sich noch nach Jahrzehnten an Personen, die ihnen was Schlechtes angetan haben und rächen sich. Also denken die Elefanten? Schwer zu sagen. Der nächste große Schritt beim menschlichen Denken, ist die Unterscheidung von „Heute“ und „Morgen“. An die Zukunft denken heißt schon, abstrahieren zu können. Parallel dazu entwickelte sich die Sprache als Kommunikationsmittel. Man kann mit ihr nicht nur Gefühle oder einfache Informationen („habe Fressen gefunden“) durch Gejaule übermitteln, sondern es werden Gedanken übertragen: „Morgen gehen wir auf Mammutjagd“. Das Gehirn als Ort, wo das Denken stattfindet, entwickelte sich immer mehr und die Denkprozesse wurden immer komplexer. In dem Augenblick, wo die Zahl Drei zum Beispiel nicht mehr nur „drei tote Wölfe“ meint, sondern rein als Zahl dasteht, wo man zu zählen anfängt, beginnt das abstrakte Denken, das eigentliche Denken. Fachleute sagen, das Denken habe sich parallel mit dem aufrechten Gang und mit der Entwicklung der Hand als Universalwerkzeug verfeinert.

Wir können jetzt sagen, das eigentliche Denken, das was den Menschen ausmacht, ist die Fähigkeit zum Abstrahieren. Man braucht aber auch die Sprache zur Kommunikation und als formgebendes Mittel für die Gedanken. Ohne Sprache gibt es keine Gedanken. Ein Gedanke ist das Produkt eines Denkprozesses. Zum Beispiel die soeben geschriebenen Sätze. Sind es gute Gedanken, sind es schlechte Gedanken, ist es Spinnerei, oder sogar Verrücktheit? Gemäß der Aussage vom Descartes über den Verstand (siehe oben), attestiere ich mir einen guten Verstand und sage: „Diese Gedanken sind alle richtig“. Also falsches Zeugnis, Lüge wie man sagt, das kann man mir nicht nachweisen, denn ich habe entsprechend meines Kenntnisstands nach bestem Wissen und Gewissen und mit voller Überzeugung die Sachen niedergeschrieben. Wenn dem so ist, dann ist ja alles in Ordnung, dann muss ja alles richtig sein. Aber halt! Meine Gedanken, meine Überzeugungen, wie sind sie entstanden? Wir leben nicht allein, wir leben in einer Gesellschaft. Wir wachsen auf in der Familie, hören und lernen deren Gedanken, deren Überzeugungen. Aus Radio und Fernsehen werden wir täglich mit Meldungen und Meinungen überschüttet. Wir sagen zwar immer: „Das ist meine Meinung“. Habe ich mir diese Meinung, diese Gedanken, aber nicht auf Grund der Informationen, die ich aus dem Umfeld kriege, gebildet? „Es ist meine Meinung“ kann man sagen, aber sie kann gesteuert sein von anderen. Eine breite Bildungs- und Wissensbasis kann dieser Gefahr vorbeugen.

Ich hoffe wir wissen jetzt was „Denken“ und „Gedanken“ bedeutet. Aber der Denkprozess und seine Produkte, die Gedanken, entstehen nicht im luftleeren Raum, im Nichts. Es braucht eine materielle Basis, wo das alles stattfindet und entsteht. Diese materielle Basis ist das Gehirn. Das menschliche Gehirn ist die komplexeste Struktur, die es auf dieser Erde gibt. Vor Jahren habe ich irgendwo folgende Aussage, deren Quelle mir leider nicht bekannt ist, gelesen:

Wenn das Gehirn eines Menschen so einfach wäre, dass wir es verstehen könnten, dann wären wir so dumm, dass wir es doch nicht verstehen würden.

Es ist eine bekannte Tatsache: In der Physik muss die Meßmethode immer feiner sein als die zu messende Größe. Genauso muss auch das Analyseinstrumentarium feiner, präziser sein als das analysierte Objekt. Also das Gehirn als Analyseinstrument muss noch besser funktionieren als das Gehirn als Untersuchungsobjekt. Das mag in Einzelfällen stimmen, dass der Untersuchende intelligenter als der Untersuchte ist. Im Schnitt, also statistisch gesehen sind die beiden Gehirne gleich, es ist ja dieselbe Gehirnart, ein menschliches Gehirn. Wird jemals jemand ein ebenso intelligentes Gehirn wie seines oder sogar ein noch intelligenteres bis ins letzte Detail verstehen, begreifen, wie die Gedanken entstehen? Wohl kaum. Ich glaube, da sind uns von der Schöpfung Grenzen gesetzt.

Die Computertechnik hat in den letzten Jahrzehnten enorme Fortschritte gemacht. Man erforscht das menschliche Gehirn auch im Hinblick auf die Verwendung entdeckter biologischer Mechanismen beim Bau eines Elektronenhirns. Man will sozusagen die Hirnfunktionen in den Computer implementieren. Man spricht heute schon von künstlicher Intelligenz. Was ist das? Es sind Programme, von Menschen geschrieben, die anhand von Informationen, von Erfahrungen, durch Versuch und Irrtum, „lernen“ bestimmte Aufgaben zu erfüllen. Diese Elektronenhirne steuern Roboter, die in der industriellen Fertigung eingesetzt werden oder verschiedene Arbeiten in einer lebensfeindlichen Umgebung, z.B. im Weltall verrichten. Autos werden eines Tages von Computern gesteuert. Man setzt sich dann etwa in Stuttgart ins Auto, gibt als Ziel München Hauptbahnhof ein oder sagt es einfach, denn der Computer versteht bereits die menschliche Stimme. Dann kann man sich ruhig zurücklehnen und kommt ausgeruht und sicher ans Ziel. Es werden Computer sogar in der Chirurgie beim Fräsen der Knochen für ein künstliches Gelenk eingesetzt. Leistungsfähige Computer, die die besten Schachspieler schlagen, gibt es schon. Wird der Computer eines Tages intelligenter als der Mensch? Wird der Mensch sogar überflüssig? Das sind existentielle Fragen, die es vernünftig zu lösen gilt. Tatsache ist: Der Computer ist ein Werkzeug. An und für sich ist der „Blech-Otto“ eine dumme Kiste, die erst „Leben“ durch die von Menschen geschriebenen Programme erhält. Diese Programme funktionieren nach den Regeln der mathematischen Logik. Jeder einzelne Schritt, den ein Programm macht, ist vom Programmierer vorgegeben. Ein Programm und somit auch der Computer können nie intelligenter als ihr Schöpfer, der Mensch, sein. Also, der Mensch wird nie überflüssig. Der Computer macht alles schneller und in der Regel sicherer als der Mensch (Stichwort Müdigkeit). So viele Varianten „in Gedanken“ durchspielen, wie ein moderner Computer es innerhalb kürzester Zeit macht und die günstigste Variante, den günstigsten Zug herausfinden, so schnell kann kein Schachweltmeister sein. Die Maschine kann also große Datenmengen innerhalb kürzester Zeit verarbeiten, aber denken? Kann der Computer denken? Ideen, Geistesblitze haben? Niemals!

Durch den massiven Einsatz von Computern und Robotern werden immer mehr Leute beschäftigungslos. Zum einen Segen, weil die Arbeit erleichtert wird, zum anderen Fluch, weil dadurch viele Menschen arbeitslos und somit unglücklich werden. Die Gesellschaft muss sich neu orientieren. Diejenigen, die aus dem Produktionsprozess frei werden – unabhängig von der Ursache, z.B. auch krankheitsbedingt wie die Parkinsonkranken –, brauchen eine sinnvolle Beschäftigung. Es wird viel mehr Zeit für Bildung und künstlerische Aktivitäten zur Verfügung stehen. Die Gesellschaft muss die frei gewordenen Kräfte in solche sinnvolle Aktivitäten einbinden.

Wir stehen vor großen Herausforderungen. Wir dürfen nicht klagen, wir müssen sie anpacken und die Probleme lösen. Wir müssen ein Leben lang lernen, unsere Wissensbasis verbreitern, um so wirklich unsere eigene Meinung zu haben. Wir haben nicht eine, sondern viele Chancen. Wir müssen sie nur nutzen.

11. Juli 2006

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