Siebenbürgische Geschichten

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Misch 39
schrieb am 29.12.2007, 15:25 Uhr
Bei dem Geburtstagsfest des Pfarrers von Hetzeldorf präsidierte einmal der hochangesehene Stadtpfarrer von Mediasch. Wie ein liebender Vater thronte er inmitten der Amtsbrüder und hatte auch für jede der anwesenden Pfarrfrauen ein fröhliches Scherzwort oder eine artige Bemerkung. Die Fenster des Empfangszimmers standen weit offen, trotzdem musste sich der hochwürdige Herr oft und oft mit dem Taschentuch über die Stirne streichen. Am Morgen hatte ein Gewitter gedroht und darum waren alle Gäste warm angezogen erschienen. Doch der einsetzende Wind hatte die Wolken wieder vertrieben und jetzt brannte eine erbarmungslose Augustsonne vom Himmel, so daß der Pfarrerin von Pretai, einer etwas beleibten und vollblütigen Frau, der Atem auszugehen drohte. Sie verschwand daher für einen Augenblick in einem Nebenraum und entledigte sich wenigstens ihrer baumwollenen Hose, die sie dann gefaltet im Vorzimmer, wo die Überzieher der geistlichen Herren hingen, ihrem Mann in die Brusttasche steckte. Wenigstens glaubte sie so. Am Abend brach man auf, der gute Wein hatte dafür gesorgt, daß die Herrn laut und aufgeräumt in die Kutschen stiegen.
Am nächsten Morgen bürstet die Frau Stadtpfarrerin den Überzieher ihres Mannes und es fällt ihr die geblähte Brusttasche auf. Sie greift hinein und zieht und zieht wie einen Bandwurm ein rosa Hosenbein und dann noch eines samt Ansatz heraus und stutzt und staunt. Ganz ratlos wird sie verwirrt: Wie ist das möglich? Ihr Mann und eine fremde Frauenhose! Natürlich ein merkwürdiger Zufall. Aber merkwürdig ist und bleibt er.
Kurz entschlossen nimmt sie die Hose an beiden Beinen und tritt in das Arbeitszimmer ihres Mannes. Ohne ein Wort zu sagen, hebt sie das Gewebe vor die Augen des hochwürdigen Herrn, der die Brille emporschiebt und sie verständnislos anstarrt.
"Nun?", fragte die Pfarrerin.
"Nun?", fragt es zurück.
"Wie kommt diese Bescherung in deine Überziehertasche?"
"In meine Tasche? Das ginge nicht mit rechten Dingen zu."
"Aber du wirst doch etwas davon wissen? Wer ist es? Wie heißt sie?"
Dem Stadtpfarrer steigt die Röte ins Gesicht. "Hör auf mit dem Unsinn!", sagt er barsch und beugt sich wieder über seine Akten.
Seither acht Tage eisiges Schweigen zwischen den Ehegatten.
Er will nicht herausrücken, denkt sie.
Was könnte ich Glaubwürdiges sagen, denkt er.
Acht Tage eisiges Schweigen, bis in der nächsten Pfarrkonferenz der Pretaier Pfarrer fragt: "Hat nicht einer der Amtsbrüder nach dem Geburtstagsfest in seinem Überzieher ein delikates Kleidungsstück meiner Frau mitgenommen?"

(aus Adolf Meschendörfer: "Siebenbürgische Geschichten")

Wünsche noch Allen einen guten Rutsch ins Neue Jahr 2008
Misch
siebenschläfer
schrieb am 29.12.2007, 20:30 Uhr
Weitere Kurzgeschichten und Anekdoten gibt es in dem Heft: "Des Kantors 11. Gebot" von Erich Phleps. Leider ist das Heft weder bei amazon.de noch bei siebenbuergen-buch.de verfügbar.
Vielleicht kennt jemand auch andere Bezugsadressen.

Mit dieser Gelegenheit wünsche ich allen eine schöne Silvesterfeier und einen guten Rutsch ins neue Jahr.

Gruß,
siebenschläfer.
Günther (Administrator)
schrieb am 30.12.2007, 15:28 Uhr

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