Gästebucheintrag von Werner Meybaum

06.08.2004, 15:19 Uhr

Werner Meybaum

Guten Tag liebe Freunde,

Ich bin Werner Meybaum ... ein Lorbaß aus Ostpreußen ... ich stamme aus Marienthal - zwischen Jäglack und Drengfurth, Kreis Rastenburg

Ich wohne in Minneapolis in Minnesota ... oft habe ich Heimweh ... Heimweh, gehoert und verstanden zu werden ... oft komme ich leer von der Heimat nach hause zurueck ... wieder einmal nicht gehoert ... wieder einmal nicht verstanden worden ...

Oft gehen meine Gedanken zurueck ... die Vorkriegsjahre, die Flucht aus Ostpreussen ... ueber das Frische Haff - steckengeblieben in Pommern - Angst - Durst - Hunger - Frieren - Typhus ... und wie ich totkrank, mit 5 jahren auf der Flucht in Bad Polzin, ploetzlich und traumatisch, von meiner Mutter fuer ein halbes Jahr getrennt wurde.

Die Nachkriegsjahre haben mich auch fuerchterlich gepraegt ... mein Vater - Kriegsgefangenschaft - wir wohnten in den Fluechtlingsbaracken an der Bille in Wohltorf bei Hamburg, und in der Kampstrasse in Reinbek

Mit 14 Jahren fing ich bei der Bahn an zu arbeiten ... und dann fuer die Spedition Bernhagen & Riege im Hamburger Hafen ... 5 Tage Arbeit ... 1 Tag Schule ... Ich habe nicht viel gelernt ... ich war billige Arbeitskraft

Auf der Aussenalster habe ich segeln gelernt. Mit einem kleinen Schiff ... kam ich in Amerika ... mit 19 Jahren ... alleine an ... in New York City habe ich eine Schauspielerin kennengelernt ... ich habe sie bewundert ... ich war wunschlos gluecklich ... zwei Jahre spaeter haben wir geheiratet ...

Auf der Hochzeitsreise wollte sich meine Frau trennen ... ich bekam panische Angst hinterlassen zu werden ... und fing an zu betteln ... wenn du mich nicht verlaesst ... brauche ich keine zaertlichkeiten ... und so ist sie geblieben. Aber jedes Jahr wiederholte sich dieser Todestanz ...

Ich bin hier nocheinmal fuer 5 Jahre zur Schule gegangen. Mein Lieblingsfach war Physik ... aber es wurde zu schwer fuer mich ... und so habe ich meine Schule im Maschinenbau beendet, und habe viele Jahre in der mechanischen Entwicklung von Komputers ... als Lehrer ... und ein paar Jahre ... habe ich selbststaendig ... als Berater gearbeitet.

Ich schreibe auch Sachen ueber mein Boot bauen ... mein Haus bauen ... mein Zitter bauen und spielen ... mein Amateur-Radio spielen ... wb0gsx ... die Natur ... meine Naturphotography.

Mit 44 Jahren hat sich mein Leben geaendert. Fuer 14 Tage habe ich fremde Menschen zugehoert und gelernt ... weniger zu wünschen ... weniger Rat zu suchen ... weniger Rat zu geben ... dafuer mehr auf mich selbst zu vertrauen ... meine eigene innere Stimme zu hoeren ... meine eigenen Wegweiser zu folgen ... meine eigenen Probleme selber zu lösen.

Nach 20 Jahren vergeht kaum ein Tag, wo ich nicht an die 14 Tage ... an die verschiedenen Teilnehmer ... an die verschiedenen Erlebnissen denke. Es ist nicht leicht ... Schuelern zu vertrauen, dass sie von sich selbst ... von einander lernen koennen. Carl Rogers hat in seinen Buechern mehr darueber geschrieben ... wieviel mehr die Schueler lernen ... wenn sie ihre eigene innere Stimme hoeren und folgen ... wenn sie lernen, auf sich selbst zu verlassen und zu vertrauen. Seitdem konnte ich meine alten Rollen ... als Lehrer ... als Berater ... nicht mehr spielen.

Ich habe von fruehmorgens bis spaetabends gearbeitet ... sorgte fuer meine Familie ... sowie mein Vater ... ich habe nicht geraucht und nicht getrunken ... ich bin zur Kirche gegangen

Es fiel mir ... und faellt mir immer noch ... unheimlich schwer ... mir selbst was zu goennen ... dass nicht notwendig ist.

Ich trage alte Klamotten ... ich fahre alte Autos ... ich sammle alte Sachen

Mein Lebenlang hatte ich meine Gefuehle runtergeschluckt ... ein paarmal landete ich im Krankenhaus ... aber keiner kam auf den wirklichen Grund meiner Schmerzen ... es ging mir noch nicht schlecht genung.

Mit 50 Jahren ging alles kaputt ... Frau war weg ... Kinder waren weg ... Freunde waren weg ... ich war wieder alleine ... es konnte mir nicht schlechter gehen ...

Fuer 3 Jahre ... bin ich 3 mal die Woche ... zu 3 verschiedenen Selbsthilfegruppen gegangen ... ich habe fremde Menschen zugehoert ... ich habe mitgeweint ... ich habe mich an meine eigene Kindheit erinnert ... und den Grund gefunden ... warum ich fuer 30 jahre solche panische Angst hatte von meiner Frau hinterlassen zu werden ...

Der Grund meiner panischen Angst war ... dass ich mit 5 Jahren ... so ploetzlich und so traumatisch von meiner Mutter ... fuer ein halbes Jahr ... getrennt wurde ...

Ich habe meine Familiengeschichte gesucht und gefunden, es mir alles aufgeschrieben ... wie es mir im Leben so gegangen ist ... es mir immer wieder stundenlang, wochenlang von Anfang bis Ende selber vorgelesen, als ob mein inneres Kind auf meinem Schoss sass, und die Geschichte immer nocheinmal, von vorne vorgelesen haben wollte ... oft bis in den fruehen Morgenstunden ... Oft haben wir uns gewundert .. wo die Traenen herkamen ... was sie bedeuten ...

Ich habe 2 Kinder und 4 Enkelkinder ... Als die Enkelkinder noch in Windeln waren ... noch klein waren ... habe ich ein paar Tage in der Woche fuer sie gesorgt

Seitdem lebe ich alleine ... ein einfaches schlichtes Leben ... in einem Holzhaus, dass ich selber gebaut habe ... ich esse und trinke Sachen die gut fuer mich sind ... es hat vier jahre gedauert, bis ich mein gewicht von 90 kg auf 72 kg runterbekommen habe ...

Wenn ich 8 Stunden geschlafen habe ... aufwache ... und zurueck ins Bett gehen will ... dann ist es fuer mich ein Zeichen, dass eine neue depressive Episode anfaengt. Wenn ich es rechtzeitig erkenne ... stelle ich mir eine Aufgabe ... tue es ... bewundere es ... und strahle mit Freude und neuer Kraft ...

Wenn ich ein warmes Bad ... mit Kerzenlicht ... mit klassischer Musik im Hintergrund ... nehmen will ... und sich unangemeldete Gedanken in meinem Kopf draengen ... dann ist es fuer mich ein Zeichen, dass eine neue Zwangsgedanken Episode anfaengt. Wenn ich es fruehzeitig erkenne ... nehme ich den ersten Gedanken ... bearbeite ihn so gut ich kann ... bewundere meine Arbeit ... und strahle ... mit Freude ... mit neuer Ruhe und Stille ...

In diesem Sinn ... lebe ich ein sinnvolles Leben ... und ab und zu ... kann es vorkommen ... dass ich wunschlos gluecklich bin.

Ostpreußen, ist fuer mich ein Zu Hause, wo ich eigentlich hingehöre ...

Das Internet, ist fuer mich ein Ersatz Zu Hause, wo ich gehört und verstanden werde.

Herzliche Gruesse,
Werner
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