Ostern 2005

Und Ostern geht in Alzen, 30 km von Hermannstadt/Sibiu entfernt, weiter! Dort kommen auf dem Kirchhof unerwartet viele Menschen aus den drei zugehörigen Dörfern zusammen. Es ist nicht wie in alten Zeiten. Es ist eine andere Zeit mit ihren Früchten. Es ist Ostern 2005 in Siebenbürgen. 20 Kinder sind mit ihrer Lehrerin gekommen, die ihnen Herz und Mühe geschenkt hat. Ein Bläsernonett aus Breidenfeld bei Ratzeburg spielt schwungvoll und gekonnt. Nach dem Gottesdienst ziehen fast 100 Personen den Kirchberg hinunter. Am Fuße desselben hält die Lehrerin, auch Älteste und Kuratorin, eine ungewöhnliche Rede. Sie erinnert an die Weggegangenen und die Verbundenheit mit ihnen. Ostern beflügelt sie zu Worten der begründeten Hoffnung: Die drei Dörfer im Harbachtal sind auf dem Wege, zusammen wieder eine unübersehbare Gemeinde zu werden. Selbstbewusst wird vom Ortspastor hinzugefügt: „Wir sind hier, und wer dazugehören will, soll kommen.“ Ich frage meinen Nachbarn, ob nicht für einige anwesende Rumänen übersetzt werden könne. „Übersetzt wird nicht, sollen die Deutsch lernen,“ sagt er zu mir. An der Festtafel im Pfarrhaus sind dann alle wieder versammelt ohne Sprachprobleme. Mein alter Nachbar ist von dem überraschenden Ostergeschehen überwältigt. Er denkt an das in unserem Dorf geplante Treffen zu Christi Himmelfahrt und die Gottesdienste der jüngsten Zeit: „Was wir in unserem Dorf haben, wird noch öfter sein, aber Ostern in Alzen war einmalig.“ Er nimmt später in einigen Gottesdiensten nach dem Segen das Wort zum Dank an den Prediger, wie es in alten Zeiten vielleicht sogar üblich war. Bis jetzt hatte ich es noch niemals erlebt. Der Mann ist alt, hat vieles untergehen und viele weggehen sehen, und nun bewegt sich etwas in seiner Gegenwart. Er ist dabei und spürt es, und solange er das spürt, ist er gegenwärtig und nicht allein Anwalt des Gewesenen. Sie alle wissen die Gemeinschaft der Feste zu schätzen. Unser ehrenamtlicher Organist, dieses in der 3. Generation seiner Familie und Bauer im Nebenerwerb, freut sich schon auf Christi Himmelfahrt: „Das war schön – und der Umzug mit der Blaskapelle durchs Dorf am 1. Mai!“ „Aber das ist doch ein staatlicher Feiertag gewesen …“ Seine Antwort bringt es auf den Punkt: „Staat oder mit der Kirche – es war eben ein Fest fürs ganze Dorf.“

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