Die Großauer Kirchenburg

Über das Aussehen der alten romanischen Kirche in Großau, die dem heiligen Servatius geweiht war, haben wir weder schriftliche noch mündliche Aufzeichnungen. Auch hier wurde das alte Gotteshaus getragen, ohne es zuerst in einem Bilde zeichnerisch oder in der Ortsckronik schriftlich der Nachwelt zu übermitteln. Desto genauere Urkunden besitzen wir über die jetzige Kirche.
Wie wir mit der ursprünglichen Kirchenlage nicht ganz im Klaren sind, so können wir heute die alte Burganlage nicht mehr genau feststellen. Durch das Anbauen neuer Gemäuer und durch das Abtragen alter Mauerteile hat sich das Bild der Ringmauer stark verändert (siehe im Grundriß die einzelnen Bauzeiten). Dennoch wollen wir an Hand der noch vorhandenen Mauerreste eine möglichst annähernde Wiederherstellung dieser schönen und großen Kirchenburg versuchen.Die erste Beschreibung dieser Anlage stammt von Julius Halava´ts, der auch ein Grundriß der Kirche und Burg beigegeben ist, die wir hier mitverwertet haben.
Kirche
Der älteste Teil dieses Gotteshauses sind die 2-3 Geschosse des Glockenturmes (im Grundriß und Längsschnitt schwarz); sie stammen unstreitig noch von dem romanischen Bau. Wenn wir in den Raum „h“ (siehe Grundriß) mittels zweier Stiegen hinabsteigen und die nackten Steinwände genau untersuchen, so können wir feststellen,daß wir uns hier in dem Restteil des nördlichen romanischen Seitenschiffes, der an den Turm anstößt, befinden. Die armseligen Konsolenreste des einstigen Kreuzgewölbes und der jetzt teilweise vermauerte, große Rundbogen des Turmerdgeschosses sind deutlich erkennbar (im Grundriß einfach schraffiert und im Längsschnitt der Bogen mit der viereckigen Türe, durch die man ins Turmerdgeschoß eintreten kann, gut sichtbar. Dies kreuzgewölbte Erdgeschoß -- 11m im Geviert mit 2.70m dicken Mauern-- ist heute vollständig dunkel, da alle vier Bogen dieser Vohalle vermauert sind (im Grundriß einfach schraffiert). Ein Beweis, daß der Turm zur Zeit der Türkenkriege wehrhaft umgebaut wurde und somit statt des jetzigen Dachhelms einen hölzernen Wehrgang besaß. Das zweite Geschoss war eine Turmempore, für gottesdienstliche Zwecke bestimmt, hatte zwei Fenster gegen den Kirchhof zu, von denen eines jetzt zugemauert ist. („e“im Längsschnitt), das andere heute als Zugang zu den Glocken und zum Kirchenaufboden dient. Aus der Empore führen in die Turmmauer verlegte Steinstiegen zum dritten und vierten Geschoß hinauf („d“und „f“ im Längsschnitt). Das vierte und fünfte Geschoß dieses Turmes dürfte zur Zeit der Erbauung der jetzigen Kirche aus Stein neu erbaut worden sein, dafür ist das oberste Geschoß aus Ziegeln als jüngster Zubau zu werten.
Von der einstigen dreischiffigen romanischen Pfeilerbasilika ist, außer den Seitenschiffresten, noch bloß ein Pfeileraufsatz des ersten Arkadenbogens erhalten geblieben („c“im Grundriß und Längsschnitt). Alles übrige ist leider spurlos verschwunden .Und statt in ein düsteres, niedriges Kirchenschiff treten wir in eine große und helle, auf hohen Pfeilern ruhende spätgotische Hallenkirche ein (siehe Längsschnitt, im Grundriß kreuzschraffiert).
Über ihre Erbauung sind wir sehr gut unterrichtet. Die Kirche war um das Jahr 1498 durch den Meister Andreas, Steinmetz von Hermannstadt, erbaut worden. Doch bei Auszahlung des vereinbarten Lohnes von 400 Gulden forderte der Baumeister für die Wölbung und Ausschmückung der Fenster noch eine weitere Entlohnung, da diese Arbeit in dem Bauvertrag nicht mit einbedungen gewesen war. Diese Angabe bestätigt auch durch ein Schreiben der Pleban Johannes von Meschen, der bei Abschließung des Bauvertrages zugegen gewesen war. Er fügte auch hinzu, daß der Meister Andreas in Meschen auch die Kirche erbaut und für die Ausschmückung der Fenster eine besondere Entlohnung von 100 fl. erhalten habe. Dieses Schreiben des Plebans Johannes von Meschen ist erhalten geblieben und gewährt uns zugleich einen Einblick in die damaligen Baukosten einer Kirche Das Schiff dieser Hallenkirche ist 18.30m lang und 17.50 m breit und wird durch ein Netzgewölbe übedeckt, das 6 achteckige hohe Pfeiler tragen. Ein 1.20 m dicker spitzbogiger Triumphbogen verbindet die Halle mit dem gothischen Chorraum, der dreiteilig ist. Das Hauptchor ist 15.50 m lang und 8.40 m breit. Links und rechts schließt sich je ein Seitenchor an, die ursprünglich unmittelbar mit der Halle in Verbindung standen und gegen das Hauptchor ganz offen waren. Nach der Reformationszeit wurde das nördliche Seitenchor neben der Wendeltreppe zur Sakristei umgebaut (im Grundriß punktiert,im Längsschnitt siehe „g“). Die Chorräume sind mit einfachen Rippenkreuzgewölben, die in einfachen Trag- und Schlußsteinen endigen, überführt. Ein unförmliches Satteldach ist über diese schön gegliederte Innenarchitektur gestülpt worden.
Ringmauer
Wie ein streng gehütetes Kleinod umgibt die Kirche eine große, mit Türmen bespickte Wehrmauer (siehe Grundriß. Dieser Bering dürfte aus dem XVI. Jahrhundert stammen, als die Türken das Land wiederholt vewüstet haben und die Bevölkerung vor dem sicheren Tod hinter steinerne Ringmauern geflüchtet ist. Damalls wurde die Ringmauer ständig in gutem Zustande erhalten. Seit aber friedliche Zeiten die Kriegswirren ablösten, ist die Ringmauer nicht mehr ausgebessert worden, sie fiel an vielen Stellen zusammen und wurde abgetragen.
Seine alte Fassung hat der Bering noch nördlich und südlich von der alten Einfahrt (siehe im Grundriß „alte Einfahrt“) einigermaßen erhalten. Wenn auch der alte Torturm, den die Sturmflut anstürmender Feinde nicht zum Wanken bringen konnte, endlich doch der unterwühlenden Wasserflut des daneben fließenden Zibinsbaches zum Opfer fiel, so sind hier die zwischen doppelte Mauern eingebauten engen „Zwinger“ Räume erhalten geblieben. Und diese engen Zwinger sind für Großau sehr kennzeichnend (siehe im Grundriß „Zwinger“), die aber leider größtenteils abgebrochen wurden. Ihren mutmaßlichen Verlauf haben wir im Grundriß mit zwei parallelen Strichen angedeutet. An der Kirchhofseite der Zwingermauer wurden die Wohnhäuschen der Einwohnerschaft angebaut. An Stelle des alten Torturmes wurde weiter südlich ein neuer Torturm samt Burghüterwohnung in die Ringmauer eingebaut (siehe im Grundriß „neue Einfahrt“, mit Punkten besät, angedeutet). Wenn wir durch diesen Torturm in den Kirchhof eintreten, empfängt uns rechter Hand ein jetzt alleinstehender achteckiger Turmkoloß aus Stein (siehe im Grundriß „i“) der sich machtvoll über die Ringmauerhöhe erhebt (siehe Abbildung der Kirchenburg). Er ist ein riesiger Wehrturm, der hier in der Zwingermauer, wo die äußere Ringmauer bastelartig vorspringt, als Gegenwehr gegen die aus dem Rotenturmpaß hervorbrechenden Türken errichtet worden ist. Ursprünglich war er noch um ein Geschoß höher, als er jetzt ist. Es fehlt ihm nämlich das oberste, gewöhnlich aus einer dünneren Mauer über den Pechnasenkranz vorgekragt errichtete Wehrgeschoß. Dies Geschoß wurde wahrscheinlich, da es baufällig war, abgetragen, so das jetzt das spitze Dach unmittelbar auf den Gußlöchern der Pechnasen liegt. Von diesem Turm aus konnte auch der in den Kirchhof bereits eingedrungene Feind wirksam beschossen werden; da die Pechnasen rund um den Turm kranzförmig herumlaufen (im Grundriß mit doppelten Strichen angedeutet).
Da die Burg gegen Norden zu nicht durch den Bach geschützt war, sind hier zwei Vorhöfe angebaut worden. In dem ersten Vorhof steht jetzt das schmucke Pfarrhaus in einem Obstgarten friedlich eingebettet. Unweit davon ist der Schöpfbrunnen, der auch zur Zeit der Belagerung die Bevölkerung mit dem köstlichen Naß labte. Dieser Vorhof scheint ursprünglich auch mit einem engen Zwinger gegen den zweiten Vorhof zu abgeschlossen worden zu sein. Bei „b“(im Grundriß) glaube ich noch ein kleines Scharwachtürmchen feststellen zu können, das aus der Ringmauer kanzelartig vorspringt und mit Schießscharten versehen ist.
Der zweite Vorhof wird zur Beherbung des Viehstandes benützt worden sein.

Von Walter Horwath - Kronstadt

Kirchliche Blätter Nr. 2, 12.Januar 1933 S.11-14.

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