Die Großauer Burg

„Insula Cristiani“ ist nach der Mitte des 12. Jahrhunderts entstanden: mit über hundert Einwohnern war es eine grosse Ortschaft. Trotzdem wurde der steinerne Kultbau erst um das Jahr 1250 errichtet, denn damals begann man in der Gegend romanische Basiliken mit Emporen im Westturm und über den Seitenschiffen zu bauen. Der Gemeinderaum erstreckte sich bis zum heutigen Chor; seine Nutzfläche betrug 420 und die der Emporen noch 170 Quadratmeter. Der Bau war also besonders gross und demnach war das Dorf schon hundert Jahre nach seiner Gründung 400-600 Einwohner gezählt haben. Am Ende des 13. Jahrhunderts ist die Kirche von Palisaden umgeben gewesen und zu den frühen Wehranlagen gehörte auch der achteckige Steinturm, dessen Mittelgeschoß als Kapelle gedient hatte. Nach den Angaben des Dorfes in den Jahren 1332-36 ergibt sich für diese Zeit eine Einwohnerzahl von höchstens 600 Menschen. Wenn die aufgezeichnete Abgabenhöhe stimmt, so muß ein besonderes Ereignis das Dorf in seiner Entwicklung zurückgeworfen haben. Es erholte sich aber schnell und setzte sich zum Ziel, wie nur wenige Ortschaften es getan haben, anstatt der alten Basilika einen neuen Hallenbau zu errichten. Die Arbeiten begannen bald nach der Mitte des 14. Jahrhunderts an der Ostseite. Das neue Chor mit seinem Drei-Apsiden-Schluß entstand unter dem Einfluß der Klausenburger Michaelskirche. Die Arbeiten mußten aber abgebrochen, bevor das Chor eingewölbt war. Bei der aufkommenden Türkengefahr ist dann der Ausbau der Wehranlagen wichtiger gewesen. Die nur noch teilweise erhaltene, innere Ringmauer entstand wahrscheinlich damals, am Ende des 14. Jahrhunderts. Neue Arbeiten wurden im darauffolgenden Jahrhundert durchgeführt. Um 1450 wurde das Chor eingewölbt und über ihm ein Wehrgeschoß errichtet. 1472-1486 erhöhte der Hermannstädter Steinmetz Andreas die Seitenschiffmauern zwischen Turm und Chor und erbaute anstelle der Mittelschiffwände schlanke Bündelpfeiler. Da es jedoch wegen der Bezahlung der Bauarbeiten zu einem Prozess kam, blieben Gewölbe und Masswerke unausgeführt. Im 15. Jahrhundert entstand auch die zweite, äußere Ringmauer mit fünf Türmen. Der neue Mauerkranz war dazu bestimmt, die Verteidigung zu erleichtern. Eine zusätzliche Hoffläche zu schaffen, war nicht unbedingt erforderlich gewesen, denn die alte Mauer umschloß eine Fläche von 4500 Quadratmetern, die etwa einer Bewohnerzahl von 900 Einwohnern entsprach, wie sie das Dorf im Jahr 1468 hatte. Ein nördlich der Burg gelegener zusätzlicher Zwingersollte die gesicherte Fläche trotzdem vergrössern. Zwischen dem 15. und 19.Jahrhundert wurden einige Türme und Mauerabschnitte ausgebessert und auch erhöht. Das Dorf konnte aber keine wesentlichen Veränderungen an der Burg vornehmen, weil es viel von seiner einstigen Kraft verloren hatte. Während es 1488 über 800 Bewohner gab, zählte man 1536 noch 450 und 1712 sogar nur 320. Vergleich dazu war die Burg nun eigentlich zu groß und auch schwerer zu verteidigen. So fiel sie z.b. im Jahr 1658 in die Hände der Feinde.

Paul Niedermaier

“Die Woche“ 15+18/19.XII.1975,S.6.

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