Die Mobilisierung auf dem Lande aus einer Gemeinde im Unterwald
Großpold, den 2. August 1914.
Gewitterschwül lastet es auf den Gemütern:
Wird’s kommen oder nicht? Gerüchte schwirren durch die Luft. Wir kommen vom Bahnhof, wo wir Neues zu erfahren hofften. Es musste etwas im anzug sein. Der Postmeister und Notär hatten Nachtdienst beim Telefon. Mit bangen Gedanken legten wir uns zur Ruh. Ein Poltern und Schlagen an meiner Zimmertür weckte mich. Ich mache Licht und öffne. Der Notär ist’s. „Allgemeine Mobilisierung!“ sagt er ernst und breitet auf dem Tische die Mobilisierungskundmachung aus. Aufmerksam lesen wir sie durch, erst die weisse, dann die rote. Wie sollen wir’s am besten machen? Es ist 13:30 Uhr. Da etliche schon am Nachmittag desselben Tages einrücken müssen, besprechen wir schon morgens 8:00 Uhr einen Gottesdienst mit Abendmahl abzuhalten. Die Einladung dazu soll mit der Verkündigung der Mobilmachung zugleich erfolgen. Der Notär geht die nötigen Maßnahmen zu treffen.
Also Krieg! Mit seinem Weh und Jammer steigt er drohend empor. Ich trete ans Fenster und sehe in die düstere regnerische Nacht hinaus.
Still und friedlich liegt die Gemeinde da, noch nicht ahnend daß ihr ein schreckliches Erwachen beschieden ist. Ich sehe über die mattglänzenden nassen Dächer, sind’s Tränen die der Himmel weint über das künftige Weh? Hör ich’s doch schluchzen! Meine Frau weint bitterlich. Auch ich kann mich nicht mehr beherschen heiß steigt es mir am Herzen herauf, und die Augen werden nass. Ich lehne den Kopf an die Fensterscheiben, mir ist so bange und da ringsum im Dorfe da schlafen sie noch still und friedlich, mancher die letzte Stunde unter dem Dach seines Heims und träumt von zukünftigen Plänen, hoffnungsfroh und glücklich.
Mich leidet’s nicht mehr in der Stube. Ich muss zu Menschen! Noch hängt’s am Himmel grau und trüb und ein feiner Sprühregen durchdringt alles.
Zum Abschiednehmen just das rechte Wetter! Ich komme zur Wachstube. Da sind die Notäre, die Richter und der Vizerichter, die Polizeigeschworenen, die Nachtwächter und der Amtsdiener versammelt, schon bereit die Mobilmachung kundzumachen. „Warten wir noch eine halbe Stunde!“ Es ist noch dunkel und man kann doch nichts machen! „Lassen wir sie noch ein paar Augenblicke schlafen“ sage ich. „Lassen wir sie“ entgegnet der Richter weich „sie werden jetzt viele Nächte nicht mehr ruhig schlafen!“
Alles ist bereit. Die Notäre haben die Kundmachung unter dem Arm, ein Geschworener einen Hammer und Nägel bei der Hand, der andere kleine Papiervierecke damit die Nägel nicht ausreißen. Der Amtsdiener testert an seiner Trommel herum. Noch einmal bringen sie sich die im Mobilisierungsakt bestimmten Orte wo die Kundmachung befestigt werden soll in Erinnerung. Die Stimmung ist ernst. Es beginnt zu tagen. „Also gehen wir!“ Wir gehen still vor die Gemeindekanzlei. Da werden die ersten Kundmachungen angeschlagen. „Trommelt jetzt! Es ist uns allen bewußt welch einen entscheidungsreichen Augenblick wir durchleben. Herr hilf!“ Der Amtsdiener geht bis auf die Mitte der Straße. Er beginnt zu schlagen. Einen Augenblick lang halten wir den Atem an. Wie dumpf es klingt: Turrum - turrum - turrum. Vom Regen nass hat das Trommelfell einen tiefen, erschütternen, klagenden Ton bekommen.- Hier, dort, öffnen sich die Laden, da eilt ein Mann eine Frau ins Gassentor.-- Es muß was besonderes sein dass man so früh trommelt. „Allgemin Mobilisierung äs ugesut! Dä de bä der Linie, uch dä de bä der Honvet sein, messen an 24 Stangden, dä de bä dem Landsturm sen (uch) und noch net 42 Johr sen, an 48 Stangden aräcken. Hekt morjen äm 8 wird Kirch mät Ovendmohl uefgeholden!“
„Allgemeine Mobilisierung!“
Also Krieg! mit ehernem Tritt schreitet das Schicksal daher; es hat sich an die kleine Schar geheftet die von Ecke zu Ecke von Gasse zu Gasse geht um ihre ernste Pflicht zu erfüllen. Schon sind sie längst in der Nachbargasse, wieder klingt das erschütternde: Trum- turrum- turrum. Die Trommel ruft zum Streite! Alles ist für den Augenblick wie gelähmt. Aus dem friedlichen Schlaf ein so bitteres Erwachen. Die Frauen laufen zueinander, Nachbarin mit Nachbarin weint, die Männer sind ernst und still. In manchem Auge zittert eine Träne. Ich gehe durch die Gasse , da stehen drei-vier bei einander. Müsst Ihr alle einrücken? Ja noch heute! Auch Ihr Nachbar? Ja ich bin noch nicht 42. Drüben hat sich ein Häufchen bebildet. „Grüss Gott! Trifft’s auch Euch? Ja ja Herr Pfarrer. Wie Gott will. Nun kann man schon den Text der Kundmachung lesen, es ist hell genug. Die Militärpflichtigen stehen davor und lesen oder blättern in ihrem Militärpass. Noch ist keine Stunde vergangen , da ist auf dem Gemeindeamt ein gehen und kommen, ein Fragen und Antwort geben. Sachsen, Romänen, Zigeuner kommen mit ihrem Militärpapier. „Wann muß ich einrücken?“ fragt der eine. Wie fahr ich am besten zu meinem Dienstort? der andere. Gehöre ich nach Hermannstadt oder nach Maroschwasarhelj? so geht es in einem fort. - Jedem wird Aufschluß gegeben. Es macht einen guten Eindruck mit welcher Selbstverständlichkeit ein jeder der Einberufung folgt. Kein Hasten und Rennen, ruhig und ernst wie es Männern zu solcher Zeit ziemt. Unterdessen sind die Frauen und Mädchen auf der Gasse tätig geworden. Erst war’s eine, dann noch eine, jetzt sind sie in allen Gassen draussen und kehren die Gassen, es ist ja in 2 Stunden Gottesdienst! Da darf doch die Gasse nicht ungekehrt bleiben. „Und führet zum Guten den Glanz und den Schimmer und ruhet nimmer. Zwei junge Lehrer sind fleißig über dem Hecktographen. Sie machen Abzüge von dem: „Gott erhalte.“ Ein Adjuvant aber geht seine Kollegen verständigen dass sie zur Kirche die Instrumente mitbringen, es soll auch geblasen werden!
Es ist 8 Uhr morgens! Die Glocke ruft über die Gemeinde: „kommet her zu mir alle die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken!“ Und sie kommen Mann und Weib, Eltern mit ihren Söhnen, die Schwestern mit dem Bruder. Die schwarzen Behänge und die brennenden Lichter am Altar passen so gut zu dem düsteren Morgen, noch mehr zu der Stimmung der Herzen. Die Kirche ist bis auf das letzte Plätzchen gefüllt. Da fällt die Orgel ein, ihre Töne leiten den Choral ein: „Es zieht o Gott ein Kriegswetter jetzt über unserm Haupt einher.“ Das war ein Gesang! zu Zeiten mehr ein Schluchzen! Nun betritt er Pfarrer die Kanzel. „Aus tiefer Not schrei ich zu Dir! Lass uns nicht zuschanden werden!“ Und nun beginnt er zu sprechen, oftmals übermannt von der Grösse des Augenblicks, und spricht von dem was diese Morgenstunde uns so recht als teuerste Güter ans Licht stellt! Von Familie, Vaterland, Gott! und das es uns auch in diesem Augenblick gelte: „Fürchte dich nicht, ich bin bei dir, weiche nicht denn ich bin dein Gott, ich stärke dich ,ich helfe dir auch, ich erhalte dich durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit! (Jesaia 41/10) Damit es aber heissen könne: „Fürchte dich nicht, muss herzliche Liebe zueinander und Versöhnung mit Gott gemacht werden. Wir demütigen uns vor Gott! Die ganze Gemeinde liegt auf den Knien!
O, so tief und ernst ist vielleicht noch nie gebetet worden: Und vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeben unseren Schuldigern! Zum Abendmahl versammeln sich die Männer und Burschen im Chor, fast kann sie der Raum nicht fassen! Ich sehe vor mir die Blüte der Gemeinde: kräftige Gestalten mit sehnigen Armen und hellen Augen und arbeitsgewohnten Muskeln. Auf manch einem liegt die ganze Last einer Bauernwirtschaft! Was wird werden wenn er nimmer kommt?
Dort rückwärts in der Menge der Frauen wischt eine Mutter mit ihrem blauen Taschentuch über die Augen, als ihr Einziger vor den Altar hintritt.
Nun kommen die Frauen an die Reihe hübsch nach dem Alter, alte gebückte Mütterchen, kinderreiche Hausmütter und zuletzt die jungen Frauen die nur vor wenigen Monaten das junge Eheglück begründet. Wie ich sie bedaure, denn Scheiden und meiden tut ach so weh.-- Nun betet die Gemeinde das Kriegsgebet. Vom eigenen Jammer und Schmerz steigt die Seele empor zur Bitte für Grosses, für Volk König und Vaterland! Und als das Amen des Pfarrers verhallt ist, da setzt der Adjuvantenchor ein mit schmetternden Trompeten: Gott erhalte, Gott beschütze unsern König unser Land. Aus voller Brust singt die Gemeinde mit. Die Hymne wirkt wie ein Stahlbad. Von Strophe zu Strophe wächst die Zuversicht. Die Haltung wird straffer, das Auge glänzender, der Mut unverzagter und das Rückrad an dem die Klänge wie ein elektrischer Strom auf und ab rieseln, wird steifer. Und als es zuletzt mit vor Erregung bebenden Lippen erklingt: Heil dem König! Heil dem Lande! dieses Reich wird ewig stehn! da hat die Gemeinde ihre Fassung wieder.
Und nun hinaus: Mit Gott für König und Vaterland!
Es ist kurz nach Mittag. Hell schmettern Trompetensignale durch die Gassen! Sie rufen die Veteraner und die Jugendwehr. Vor dem Gemeindesaal sammeln sich die Scharen. Alte und Junge,Frauen und Mädchen,Kinder stehen in Gruppen: Antreten! Richtung nehmen! Habt acht! Rechts schaut! die Musikkapelle spielt das „Gott erhalte“. Die entrollte Veteranenvereinsfahne wird herbei getragen! Es ist niemand, der sich der Weihe des Augenblicks entziehen kann. Auch siebzigjährige verhärtete Herzen sind weich wie Wachs. Der Vorstand des Veteranervereins hält eine kurze, markige, herzergreifende Ansprache an die Kameraden! Sie endet mit einem Heil auf seine Majestät! Doppelreihen rechts um! Marschieren marsch! Der Zug setzt sich unter den hellen Klängen des Marsches: „Ich hat einen Kameraden“ in Bewegung. Der Pfarrer, Prediger und Notär haben sich der Fahne angeschlossen und marschieren mit. Vor dem Zug, neben und hinter ihm die Gemeinde. Frauen und Mädchen halbwüchsige Buben mit schwerem Zwerksack bepackt. Es darf sich keiner der Einrückenden sein Eingesacktes selber tragen. Noch einmal will man ihm den letzten Liebesdienst tun. So gehts zum Bahnhof. Da ist noch ein letztes sich besprechen, ein Händeschütteln und Abschied nehmen, verschieden nach Temperament und Alter. Die einen stehen still beieinander und sehen mit Tränenschwerem Auge in die Welt, andere halten sich innig umschlungen, wieder andere suchen die innere Bewegung zu verbergen. Manche sind überwältigt von des Tages Erregung! Wer will`s ihnen verdenken? Ein jeder reicht dem Pfarrer die Hand! „Auf Wiedersehn“. Endlich kommt der Zug. Noch ein letztes Aufzucken des Schmerzes, ein Schluchzen und Tücherschwenken, Gott mit Euch! Heimwärts flutet die Menge mit verweinten Augen!
Den nächsten Tag ein ähnliches Bild, Morgens um 7 Uhr Gottesdienst. Der Organist spielt den letzten Choral, dann steigt er von der Orgelbank, auch er muss jetzt einrücken. Heute sind es die Familienväter die ausziehn. Noch einmal blasen die Adjuvanten. Auf dem Bahnhof übergeben sie ihre Instrumente ihren Buben. Weiss Gott wann sie sie wiedersehen. Vielleicht ...
Gewitterschwül lastet es auf den Gemütern:
Wird’s kommen oder nicht? Gerüchte schwirren durch die Luft. Wir kommen vom Bahnhof, wo wir Neues zu erfahren hofften. Es musste etwas im anzug sein. Der Postmeister und Notär hatten Nachtdienst beim Telefon. Mit bangen Gedanken legten wir uns zur Ruh. Ein Poltern und Schlagen an meiner Zimmertür weckte mich. Ich mache Licht und öffne. Der Notär ist’s. „Allgemeine Mobilisierung!“ sagt er ernst und breitet auf dem Tische die Mobilisierungskundmachung aus. Aufmerksam lesen wir sie durch, erst die weisse, dann die rote. Wie sollen wir’s am besten machen? Es ist 13:30 Uhr. Da etliche schon am Nachmittag desselben Tages einrücken müssen, besprechen wir schon morgens 8:00 Uhr einen Gottesdienst mit Abendmahl abzuhalten. Die Einladung dazu soll mit der Verkündigung der Mobilmachung zugleich erfolgen. Der Notär geht die nötigen Maßnahmen zu treffen.
Also Krieg! Mit seinem Weh und Jammer steigt er drohend empor. Ich trete ans Fenster und sehe in die düstere regnerische Nacht hinaus.
Still und friedlich liegt die Gemeinde da, noch nicht ahnend daß ihr ein schreckliches Erwachen beschieden ist. Ich sehe über die mattglänzenden nassen Dächer, sind’s Tränen die der Himmel weint über das künftige Weh? Hör ich’s doch schluchzen! Meine Frau weint bitterlich. Auch ich kann mich nicht mehr beherschen heiß steigt es mir am Herzen herauf, und die Augen werden nass. Ich lehne den Kopf an die Fensterscheiben, mir ist so bange und da ringsum im Dorfe da schlafen sie noch still und friedlich, mancher die letzte Stunde unter dem Dach seines Heims und träumt von zukünftigen Plänen, hoffnungsfroh und glücklich.
Mich leidet’s nicht mehr in der Stube. Ich muss zu Menschen! Noch hängt’s am Himmel grau und trüb und ein feiner Sprühregen durchdringt alles.
Zum Abschiednehmen just das rechte Wetter! Ich komme zur Wachstube. Da sind die Notäre, die Richter und der Vizerichter, die Polizeigeschworenen, die Nachtwächter und der Amtsdiener versammelt, schon bereit die Mobilmachung kundzumachen. „Warten wir noch eine halbe Stunde!“ Es ist noch dunkel und man kann doch nichts machen! „Lassen wir sie noch ein paar Augenblicke schlafen“ sage ich. „Lassen wir sie“ entgegnet der Richter weich „sie werden jetzt viele Nächte nicht mehr ruhig schlafen!“
Alles ist bereit. Die Notäre haben die Kundmachung unter dem Arm, ein Geschworener einen Hammer und Nägel bei der Hand, der andere kleine Papiervierecke damit die Nägel nicht ausreißen. Der Amtsdiener testert an seiner Trommel herum. Noch einmal bringen sie sich die im Mobilisierungsakt bestimmten Orte wo die Kundmachung befestigt werden soll in Erinnerung. Die Stimmung ist ernst. Es beginnt zu tagen. „Also gehen wir!“ Wir gehen still vor die Gemeindekanzlei. Da werden die ersten Kundmachungen angeschlagen. „Trommelt jetzt! Es ist uns allen bewußt welch einen entscheidungsreichen Augenblick wir durchleben. Herr hilf!“ Der Amtsdiener geht bis auf die Mitte der Straße. Er beginnt zu schlagen. Einen Augenblick lang halten wir den Atem an. Wie dumpf es klingt: Turrum - turrum - turrum. Vom Regen nass hat das Trommelfell einen tiefen, erschütternen, klagenden Ton bekommen.- Hier, dort, öffnen sich die Laden, da eilt ein Mann eine Frau ins Gassentor.-- Es muß was besonderes sein dass man so früh trommelt. „Allgemin Mobilisierung äs ugesut! Dä de bä der Linie, uch dä de bä der Honvet sein, messen an 24 Stangden, dä de bä dem Landsturm sen (uch) und noch net 42 Johr sen, an 48 Stangden aräcken. Hekt morjen äm 8 wird Kirch mät Ovendmohl uefgeholden!“
„Allgemeine Mobilisierung!“
Also Krieg! mit ehernem Tritt schreitet das Schicksal daher; es hat sich an die kleine Schar geheftet die von Ecke zu Ecke von Gasse zu Gasse geht um ihre ernste Pflicht zu erfüllen. Schon sind sie längst in der Nachbargasse, wieder klingt das erschütternde: Trum- turrum- turrum. Die Trommel ruft zum Streite! Alles ist für den Augenblick wie gelähmt. Aus dem friedlichen Schlaf ein so bitteres Erwachen. Die Frauen laufen zueinander, Nachbarin mit Nachbarin weint, die Männer sind ernst und still. In manchem Auge zittert eine Träne. Ich gehe durch die Gasse , da stehen drei-vier bei einander. Müsst Ihr alle einrücken? Ja noch heute! Auch Ihr Nachbar? Ja ich bin noch nicht 42. Drüben hat sich ein Häufchen bebildet. „Grüss Gott! Trifft’s auch Euch? Ja ja Herr Pfarrer. Wie Gott will. Nun kann man schon den Text der Kundmachung lesen, es ist hell genug. Die Militärpflichtigen stehen davor und lesen oder blättern in ihrem Militärpass. Noch ist keine Stunde vergangen , da ist auf dem Gemeindeamt ein gehen und kommen, ein Fragen und Antwort geben. Sachsen, Romänen, Zigeuner kommen mit ihrem Militärpapier. „Wann muß ich einrücken?“ fragt der eine. Wie fahr ich am besten zu meinem Dienstort? der andere. Gehöre ich nach Hermannstadt oder nach Maroschwasarhelj? so geht es in einem fort. - Jedem wird Aufschluß gegeben. Es macht einen guten Eindruck mit welcher Selbstverständlichkeit ein jeder der Einberufung folgt. Kein Hasten und Rennen, ruhig und ernst wie es Männern zu solcher Zeit ziemt. Unterdessen sind die Frauen und Mädchen auf der Gasse tätig geworden. Erst war’s eine, dann noch eine, jetzt sind sie in allen Gassen draussen und kehren die Gassen, es ist ja in 2 Stunden Gottesdienst! Da darf doch die Gasse nicht ungekehrt bleiben. „Und führet zum Guten den Glanz und den Schimmer und ruhet nimmer. Zwei junge Lehrer sind fleißig über dem Hecktographen. Sie machen Abzüge von dem: „Gott erhalte.“ Ein Adjuvant aber geht seine Kollegen verständigen dass sie zur Kirche die Instrumente mitbringen, es soll auch geblasen werden!
Es ist 8 Uhr morgens! Die Glocke ruft über die Gemeinde: „kommet her zu mir alle die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken!“ Und sie kommen Mann und Weib, Eltern mit ihren Söhnen, die Schwestern mit dem Bruder. Die schwarzen Behänge und die brennenden Lichter am Altar passen so gut zu dem düsteren Morgen, noch mehr zu der Stimmung der Herzen. Die Kirche ist bis auf das letzte Plätzchen gefüllt. Da fällt die Orgel ein, ihre Töne leiten den Choral ein: „Es zieht o Gott ein Kriegswetter jetzt über unserm Haupt einher.“ Das war ein Gesang! zu Zeiten mehr ein Schluchzen! Nun betritt er Pfarrer die Kanzel. „Aus tiefer Not schrei ich zu Dir! Lass uns nicht zuschanden werden!“ Und nun beginnt er zu sprechen, oftmals übermannt von der Grösse des Augenblicks, und spricht von dem was diese Morgenstunde uns so recht als teuerste Güter ans Licht stellt! Von Familie, Vaterland, Gott! und das es uns auch in diesem Augenblick gelte: „Fürchte dich nicht, ich bin bei dir, weiche nicht denn ich bin dein Gott, ich stärke dich ,ich helfe dir auch, ich erhalte dich durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit! (Jesaia 41/10) Damit es aber heissen könne: „Fürchte dich nicht, muss herzliche Liebe zueinander und Versöhnung mit Gott gemacht werden. Wir demütigen uns vor Gott! Die ganze Gemeinde liegt auf den Knien!
O, so tief und ernst ist vielleicht noch nie gebetet worden: Und vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeben unseren Schuldigern! Zum Abendmahl versammeln sich die Männer und Burschen im Chor, fast kann sie der Raum nicht fassen! Ich sehe vor mir die Blüte der Gemeinde: kräftige Gestalten mit sehnigen Armen und hellen Augen und arbeitsgewohnten Muskeln. Auf manch einem liegt die ganze Last einer Bauernwirtschaft! Was wird werden wenn er nimmer kommt?
Dort rückwärts in der Menge der Frauen wischt eine Mutter mit ihrem blauen Taschentuch über die Augen, als ihr Einziger vor den Altar hintritt.
Nun kommen die Frauen an die Reihe hübsch nach dem Alter, alte gebückte Mütterchen, kinderreiche Hausmütter und zuletzt die jungen Frauen die nur vor wenigen Monaten das junge Eheglück begründet. Wie ich sie bedaure, denn Scheiden und meiden tut ach so weh.-- Nun betet die Gemeinde das Kriegsgebet. Vom eigenen Jammer und Schmerz steigt die Seele empor zur Bitte für Grosses, für Volk König und Vaterland! Und als das Amen des Pfarrers verhallt ist, da setzt der Adjuvantenchor ein mit schmetternden Trompeten: Gott erhalte, Gott beschütze unsern König unser Land. Aus voller Brust singt die Gemeinde mit. Die Hymne wirkt wie ein Stahlbad. Von Strophe zu Strophe wächst die Zuversicht. Die Haltung wird straffer, das Auge glänzender, der Mut unverzagter und das Rückrad an dem die Klänge wie ein elektrischer Strom auf und ab rieseln, wird steifer. Und als es zuletzt mit vor Erregung bebenden Lippen erklingt: Heil dem König! Heil dem Lande! dieses Reich wird ewig stehn! da hat die Gemeinde ihre Fassung wieder.
Und nun hinaus: Mit Gott für König und Vaterland!
Es ist kurz nach Mittag. Hell schmettern Trompetensignale durch die Gassen! Sie rufen die Veteraner und die Jugendwehr. Vor dem Gemeindesaal sammeln sich die Scharen. Alte und Junge,Frauen und Mädchen,Kinder stehen in Gruppen: Antreten! Richtung nehmen! Habt acht! Rechts schaut! die Musikkapelle spielt das „Gott erhalte“. Die entrollte Veteranenvereinsfahne wird herbei getragen! Es ist niemand, der sich der Weihe des Augenblicks entziehen kann. Auch siebzigjährige verhärtete Herzen sind weich wie Wachs. Der Vorstand des Veteranervereins hält eine kurze, markige, herzergreifende Ansprache an die Kameraden! Sie endet mit einem Heil auf seine Majestät! Doppelreihen rechts um! Marschieren marsch! Der Zug setzt sich unter den hellen Klängen des Marsches: „Ich hat einen Kameraden“ in Bewegung. Der Pfarrer, Prediger und Notär haben sich der Fahne angeschlossen und marschieren mit. Vor dem Zug, neben und hinter ihm die Gemeinde. Frauen und Mädchen halbwüchsige Buben mit schwerem Zwerksack bepackt. Es darf sich keiner der Einrückenden sein Eingesacktes selber tragen. Noch einmal will man ihm den letzten Liebesdienst tun. So gehts zum Bahnhof. Da ist noch ein letztes sich besprechen, ein Händeschütteln und Abschied nehmen, verschieden nach Temperament und Alter. Die einen stehen still beieinander und sehen mit Tränenschwerem Auge in die Welt, andere halten sich innig umschlungen, wieder andere suchen die innere Bewegung zu verbergen. Manche sind überwältigt von des Tages Erregung! Wer will`s ihnen verdenken? Ein jeder reicht dem Pfarrer die Hand! „Auf Wiedersehn“. Endlich kommt der Zug. Noch ein letztes Aufzucken des Schmerzes, ein Schluchzen und Tücherschwenken, Gott mit Euch! Heimwärts flutet die Menge mit verweinten Augen!
Den nächsten Tag ein ähnliches Bild, Morgens um 7 Uhr Gottesdienst. Der Organist spielt den letzten Choral, dann steigt er von der Orgelbank, auch er muss jetzt einrücken. Heute sind es die Familienväter die ausziehn. Noch einmal blasen die Adjuvanten. Auf dem Bahnhof übergeben sie ihre Instrumente ihren Buben. Weiss Gott wann sie sie wiedersehen. Vielleicht ...
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