Mit Freunden in der Heimat - Michael Herbert, Amberg

Wir leben seit 1984 in Amberg, einer Stadt in der Oberpfalz, in Bayern. Hier fühlen wir uns wohl. Gleich nach unserer Einreise, spielte ich, bei der SGS Siemens Amberg, Handball. Das Vereinsleben hat die Zukunft unserer Familie deutlich geprägt. Die Handballkollegen haben uns bei vielen Entscheidungen beraten und geholfen (z. B. Umzug, Wohnungseinrichtung, Wahl des Berufes, Vermittlung von Jobs usw.).
Mittlerweile spielen wir, die „Alten Herren“, nicht mehr aktiv Handball, treffen uns regelmäßig, mit Frauen, zum Stammtisch, feiern Feste und organisieren Ausflüge.
Im Laufe der Jahre haben wir viel von unserer Heimat erzählt und fanden viele interessierte Zuhörer. Der Gedanke mal mit Freunden nach Siebenbürgen zu fahren, trat vor einigen Jahren auf. So richtig konkret wurde es erst voriges Jahr, ausgelöst durch die vielen TV-Reportagen über Hermannstadt.
Am Samstag den 12. Juli 2008 war es dann soweit. Früh morgens um 4 Uhr, starteten wir Richtung Heimat, zwei VW-Busse mit 9 Personen: die Ehepaare Brigitte und Kurt Wenzel, Hanni und Paul Frank, Dorle und Günter Schobert, Rose und ich und unser „Single“ Peter, seine Frau konnte leider nicht mitkommen. Die Fahrt verlief sehr gut, obwohl wir 20 Stunden unterwegs waren. Um Mitternacht, kamen wir ein bisschen müde, aber froh da zu sein, bei Ortrun Binder in der Pfaffengasse an. Ortrun’s freundlicher Empfang mit einem kühlen „Ursus“ Bier, nahm uns die Müdigkeit, wir bezogen unser Quartier und saßen dann noch gemütlich im Garten.
Am nächsten Tag, Sonntag, gingen wir in die Kirche. Den Gottesdienst gestaltete die Vikarin. Frau Agnes Köber. Anschließend wurde zu der Eröffnung der Ausstellung von Karikaturist Rudi Schmückle geladen. Pfarrer Dr. Cosoroaba eröffnete die Ausstellung und stellte den Künstler und seine Werke vor. So ein Zufall! Rose und ich kannten Herrn Schmückle. Er war unser Kunstlehrer im Heltauer Textilgymnasium. Er und wir freuten uns nach so langer Zeit zu sehen, unterhielten uns sehr angeregt. Unsere Freunde betrachteten mittlerweile die ausgestellten Karikaturen, sehr sehenswert (zu sehen auf www.rudischmueckle.ro).
Nachmittags entspannten wir im schönen, großen Binderischen Garten, Ortrun spendierte Kaffee und Hanklich, anschließend machten wir eine Wanderung nach Michelsberg, durch die ehemaligen Obstplantagen. Der Weg war nicht sehr attraktiv, da am Wegesrand viel Abfall lag, die Hitze machte uns auch zu schaffen. Der Anblick von Michelsberg lies uns dann alles wieder vergessen, wir kehrten in „Sub cetate“ (Unter der Burg) ein, wo wir unser Abendessen einnahmen. Bei Abenddämmerung machten wir uns über das Silberbachtal, durch die alten Krautgärten, auf den Heimweg. Der Weg durch die Krautgärten war total zugewachsen, wir mussten uns durch Brennnesseln und Sträucher durcharbeiten.
Vom guten Frühstück bei Ortrun gestärkt, bei gutem Wetter, fuhren wir am Montag Richtung Bulea. Mit von der Partie war Fred Schuster, der bei Ortrun im Garten, mit dem Wohnwagen campiert. Fred erzählte uns unterwegs, über seine Tätigkeit als Geologe in den Karpaten. Bei dem Bulea-Wasserfall machten wir Halt, sahen uns die Hütte und Umgebung an. Einige von uns wanderten vom Wasserfall bis zum See, die anderen fuhren mit den Bussen. Oben trafen wir uns, machten Brotzeit und genossen den herrlichen Anblick. Auf dem Heimweg hielten wir bei der „Fintinita Haiducului“ zum Abendessen. Leider war alles sehr voll, tranken Kaffee, aßen Profiterol, fuhren anschließend nach Heltau. Ortrun war so lieb, stellte uns ihre Küche zur Verfügung. Die Männer holten Gemüse vom Markt, bereiteten einen leckeren Salat, Peter, unser Hobbykoch, zauberte Spiegeleier mit Schinken in die Pfanne. Das schmeckte viel besser als in der Gasstätte, das Ursus Bier passte gut dazu. Es war ein sehr gelungener Abend. Ortrun hat sich sehr wohl in unserer Runde gefühlt.
Am Dienstag regnete es. Wir entschlossen uns, den Freunden Heltau zu zeigen. Zuerst gingen wir in mein Elternhaus, in der Pfaffengasse (Nr. 33, früher 510). Hier treffen wir meinen ehemaligen Handballtrainer Nelu Precup mit Frau Gela an, ihre Tochter wohnt auf dem Hof. Sie begrüßen uns sehr herzlich, sind bereit uns den Hof, Wohnungen und Garten zu zeigen. Alles ist in sehr gutem Zustand, sind sehr überrascht und zugleich froh, dass es so ist. Anschließend gehen wir zu Roses Elternhaus in der Bahngasse, gegenüber von der „IGO“. Das Haus bietet leider nicht so einen guten Anblick. Rose spricht mit dem Eigentümer, er zeigt ihr den Garten. Weiter geht es an der „Herbert&Roth“ vorbei, eine Ruine, Marktgasse rauf. Viele Häuser sind in einem sehr guten Zustand, Straße neu geteert, viele Blumen sind am Wegrand und an den Fenstern. Der Marktplatz ist sauber hergerichtet. Vor dem Rathaus ein schöner Park mit Springbrunnen, ein sehr erfreulicher Anblick.
Der Regen wird stärker, gehen rasch in die Kirche. Herr Bell führt uns, erzählt sehr interessant über die Geschichte. Anschließend besteigen wir den Turm, genießen den Ausblick, trotz Regen. Da wir Hunger haben, versuchen wir in Heltau etwas Essbares zu finden. In dem Gebäude, wo früher das „Menaj“ war, befindet sich die Gaststätte „Il Padre“. Der erste Eindruck ist nicht einladend, der Raum ist eine Bar, recht dunkel, aber dahinter gibt es einen Speiseraum, der sich sehen lässt. Wir werden von einer jungen freundlichen Bedienung empfangen. Das Essensangebot ist reichhaltig, das Essen sehr gut, nur zum Empfehlen.
Unser Weg geht dann Richtung Friedhof. Bei der Seidenfabrik frage ich Nelu Fratila, wann wir die Fabrik besichtigen könnten. Es geht auch gleich. Also los, die Führung beginnt sofort. Werden durch Spinnerei, Weberei, Veredelung und Lager geführt. Es wird nur noch ca. 1/3 der gesamten Fläche genutzt, der Rest liegt leer oder wird teilweise von anderen Firmen genutzt. Für unsere Freunde ist es sehr interessant einen Textilbetrieb zu sehen, da wir ihnen viel vom Weberstädtchen Heltau erzählten. Nach der Führung werden wir von Vali Fratila, der Direktorin, Nelu’s Frau, mit einem Kaffee empfangen. Wir stellen einige Fragen, unterhalten uns, vergessen die Zeit. Den Besuch auf dem Friedhof verschieben wir, da wir um 17 Uhr in Zoodt sein müssen. Der Regen hat aufgehört, Sonne kommt raus. Wir fahren zu unserer Bekannten Lenuta nach Zoodt, sie hat einen Pferdewagen organisiert. Dumitru, unser Kutscher, ist schon da, er soll uns bis zum „Grünen Tisch“ fahren. Lenuta packt Wein, Bier und Schnaps ein. Los geht’s durch ganz Zoodt. Dumitru begrüßt lautstark Bekannte: „Au venit neamurile din Germania!“ (Meine Anverwandten aus Deutschland sind da). Unterwegs, beim ersten Elektrizitätswerk, machen wir Halt, Dumitru spricht mit einem Freund. Wir können das Werk und das Museum besichtigen. Es ist sehr sehenswert, vieles ist in Deutsch beschriftet (Rose und ich müssen mal nicht so viel übersetzen), die Anfänge und Entwicklung der Elektrizität, aus dieser Gegend werden dargestellt.
Weiter geht es das Zoodttal aufwärts. Sind überrascht von der Sauberkeit, kein Müll, die Feuerstellen sind gefegt, es sind große Müllcontainer aufgestellt. Dumitru erzählt uns, sie hätten eine neue Bürgermeisterin, die würde sehr viel Wert auf Sauberkeit legen: „Facem curatenie ca la sasi!“ (Wir machen sauber wie die Sachsen!). Wir halten auf so einer sauberen Wiese, Dumitru spannt das Pferd aus, bereitet es zum Reiten vor. Einige Frauen reiten, tanzen mit Dumitru auf rumänische Volksmusik, die Männer trinken ein Bier, einfach herrlich! Bei Abenddämmerung fahren wir nach Zoodt rein, es kommt gerade die Büffelherde. Ein ungewohntes Bild für unsere Freunde.

Bei Lenuta erwarten uns eine „Tuica“ und ein leckeres Abendessen. Es gibt Kalbsgulasch mit „Mamaliga“ (Polenta), Büffelkäse, Ursus-Bier, Wein.
Fahren am Mittwoch mit dem Linienbus von Heltau nach Hermannstadt.
Fred Schuster hat eine Stadtführung organisiert. Eine Bekannte von ihm, Frau Grau, Lehrerin in Ruhestand, führt uns mit viel Elan, zwei Stunden durch Hermannstadt. Wir sind begeistert von ihrer Art die Sehenswürdigkeiten ihrer Stadt zu zeigen. Nachher bummeln wir individuell durch Hermannstadt. Allen hat es gefallen, wollen noch mal kommen. Die Rückreise nach Heltau erfolgt auch per Linienbus, diesmal über Michelsberg.
Am Abend ist eine Grillparty in Ortruns Garten geplant. Nelu Fratila hat Mici und Steaks aus Hermannstadt beschafft, von einem Sächsischen Metzger. Ortrun bereitet einen leckeren Heltauer Kartoffelsalat, Peter, Paul, Günter und Kurt machen einen gemischten Salat, Vali und Nelu bringen Kartoffeln in der Pfanne, einen Kuchen, Wein und Schnaps (net bekrit dich! – Sächsische Redensweise), ich grille, umringt von Ortruns Hunden, Gänsen, Hühnern, Katzen. Leider fängt es an zu regnen, aber das ist auch kein Problem. In Ortruns Garten ist für alles gesorgt. Die Freunde nehmen die reich gedeckte Tischplatte, stellen sie auf den geschützten Gartentisch unter dem Dach. Die Party geht weiter, bis spät in die Nacht…
Am Donnerstag, Wetter ist wieder schön und warm. Wir fahren in den Jungen Wald. Einige besuchen das Dorfmuseum, die anderen fahren mit der Straßenbahn nach Rasinari. Hier gehen wir durch das sehr saubere Dorf, sind immer wieder überrascht wie sauber alles ist.
Am Abend wollen wir in Hermannstadt essen, Ortrun ist eingeladen. Einige fahren schon nachmittags mit dem Linienbus. Der Rest fährt abends mit Ortruns Auto. Wir essen sehr gut in der „Crama Veche“, begleitet von drei rumänischen Musikern. Anschließend geht’s in die Piano Bar, am Kleinen Ring. Es wird sehr lustig. Dorle bietet sich an, die Frauen mit dem Auto heim zu fahren, so kann Ortrun ihren ersten Caipirinha (Zuckerrohrschnaps mit Limetten) trinken. Die Männer fahren zu fünft +Fahrer in einem Taxi nach Heltau. Die Fahrt über die alte Straße ist sehr abenteuerlich und gleich lustig, sind um 2 Uhr, wohlbehalten im Quartier.
Am Freitag ist herrliches Wetter, sehr warm. Unser Ziel ist Salzburg. Das Bad ist neu hergerichtet, sauber, Liegen sind vorhanden. Unseren Freunden gefällt es sehr gut. Fahren nachmittags heim, da wir zu Ludovica, einer Bekannten, zum Grillen eingeladen sind. Es wird auch ein sehr schöner Abend, trotz Regen.
Samstag, unser letzter Aufenthaltstag, ist zur freien Verfügung. Die Freunde nutzen diese Zeit um noch individuell was zu sehen. Einige wollen auf den Friedhof, die anderen noch mal auf die Michelsberger Burg, Rose und ich machen noch ein paar Pflichtbesuche. Treffen uns alle bei Ortruns Nachmittagskaffee mit Kuchen.
Den Abschiedsabend gestalten Ortrun und Peter. Es gibt ein sächsisch-bayerisches Abendessen. Unsere beiden Köche bereiten eine sächsische Gulasch mit bayerischen Semmelknödeln, dazu gebratene „Ardei“ (Paprikasalat). Es schmeckt köstlich!
Wir genießen den Abend, den schönen Garten, die Kulisse, mit unserer Kirche und den Bergen im Hintergrund. Ortruns Gesang, die uns bekannten sächsischen Lieder, beeindrucken uns sehr, es fließt manche Träne. Dieser Abend war die Krönung für all die schönen Stunden, die wir mit Ortrun verbringen durften.
Nicht zu vergessen ist, der tägliche Kaffee mit Kuchen und Hanklich, das gute, reichhaltige Frühstück, mit vielen Honigarten, aus eigener Produktion. Leider konnten unsere Freunde Tom, Ortruns Mann, nicht kennenlernen, da er zu der Zeit mit den Bienen am Schwarzen Meer war.
Ortrun hat uns sehr geholfen, unseren Freunden ein Stück lebende Heimat erleben zu lassen, so wie wir es noch in Erinnerung haben. Die Natur, Kirche, Häuser, sind da, die sächsischen Mitbürger fehlen. Ortrun hat diese Leute für uns verkörpert. Ihre Gastfreundschaft, Humor, der unkomplizierte Umgang mit unseren Freunden werden wir nie vergessen.
Danke Ortrun!

Unsere Rückreise am Sonntag ging über Schäßburg, mit einem kurzen Besuch der schönen Altstadt, über Klausenburg und Oradea. Übernachteten in Ungarn, in einer Pension. Am Montagabend kamen wir ohne Zwischenfälle, in Amberg gut an.
Für die Freunde, die nicht mit uns nach Siebenbürgen kommen konnten, haben wir einen rumänischen Abend organisiert. Wir trafen uns im Kaffee Anders in Ursensollen. Meine Schwester Doris, kochte einige rumänische Spezialitäten, Rose machte Aufstriche, die mitgebrachten Produkte, Schnaps, Ursus-Bier, Käse wurden auch serviert. Hatte eine Präsentation vorbereitet, mit den vielen Bildern, die wir auf unserer Reise geschossen hatten. Es war, wie so oft, ein sehr unterhaltsamer Abend.

Diese Reise wird unseren Freunden und uns in ewiger Erinnerung bleiben.

Michael Herbert

Erschienen auch im Heltauer Nachrichtenblatt, Folge 67, Advent 2008

Weitere Anekdoten, Geschichten, Erzählungen »