Hermannstädter Studenten schreiben singend Geschichte

Zur Gründung des Hermannstädter Studentensportclubs
Bereits 1973, das heißt keine vier Jahre nach der Ansiedlung und Inbetriebnahme der ursprünglich aus bloß zwei Fakultäten bestehenden „deutschsprachigen“ Außenstelle der Klausenburger Babes-Bolyai-Universität in Sibiu / Hermannstadt, machten Überlegungen zur Gründung eines Studentensportclubs die Runde. Bedingung für die Gründungsurkunde des „Clubul Sportiv Universitar Sibiu“ war die Teilnahme von drei Studentenmannschaften an offiziellen Meisterschaften. Eine Basketballmannschaft unter Trainer Flaviu Stoica gab es bereits. Die im Entstehen begriffene Fußballmannschaft visierte die Kreismeisterschaft an. So musste eine dritte Mannschaft her, die auch an der Meisterschaft des Kreises Hermannstadt teilzunehmen hatte. Was lag da näher als der in Siebenbürgen und überhaupt in ganz Rumänien sehr populäre Handballsport.
Singende Studenten als Geburtshelfer
Zwei „Vorspiele“ hatten bereits stattgefunden: Zum einen waren die Germanistikstudenten vom Haupt- wie vom Nebenfach Deutsch gegen ihre Lehrer zu einem Kleinfeldhandballspiel auf dem Luceafarul-Platz angetreten. Auf Seiten der Lehrer spielte auch der heute noch in Hermannstadt als Universitätsdozent wirkende Udo-Peter Wagner mit. Zum anderen nahm eine Handballmannschaft an der landesweiten Studentenmeisterschaft in Oradea / Großwardein teil, als deren Betreuer ich nach Nordwestsiebenbürgen mitgefahren war. Aus Großwardein mit einer aus dem Boden gestampften Mannschaft zurückgekehrt, in der mit „Hans zum Quadrat“ (Maurer und Seiwerth), mit Sorin Toma sowie den Zwillingsbrüdern Herbert und Klaus Fabritius auch gute Handballer mitmischten, galt es nun, die Mannschaft zu verstärken sowie Geld zu besorgen, um die nötigen Gebühren entrichten und die Ausfahrten der Mannschaft im Landkreis finanzieren zu können. Bei einer der Besprechungen mit dem Kern der künftigen Studentenmannschaft brachte Hans Seiwerth eine zündende Idee ins Spiel: „Wie wäre es, wenn wir zu Gunsten der Mannschaft ein Benefizkonzert veranstalten?“ Da fast jeder von der deutschsprachigen Fernsehsendung her wusste, dass Ricky Dandel und Hans Seiwerth als Sänger in dieser Sendereihe immer wieder sehr erfolgreich auftraten, ließen wir Hans gewähren. Wie er vorging, und was dabei herauskam, erzählt er anschließend aus der Erinnerung. Ich möchte bloß noch Dank sagen: den singenden Studenten Ricky, Carmen und Hans, den exzellenten Trainern Schuster und Martini von der Sportschule Hermannstadt, deren Schüler Ioan und Mircea Ciocea, Nelu Dordea, Heini Höchsmann, Berni Roth und Hannes Wepprich unsere Studentenhandballmannschaft maßgeblich verstärkten. Siegfried Habicher
Benefizkonzert „Haide U“
Ich weiß heute nicht mehr, ob jenes Konzert im Mai 1974 damals so hieß; wohl eher nicht, denn es war ja etwas, das es nicht geben durfte, für etwas, das es schon gab, das aber aus finanziellen Gründen bereits infrage gestellt war: unsere Handballmannschaft. Vor allem durfte es nicht „Benefizkonzert“ heißen, denn das wäre ideologisch nicht vertretbar gewesen. Das, woran ich mich heute noch ganz spontan erinnern kann, ist die fantastische Aufbruchstimmung in einer Zeit, als politisch Abbrucherscheinungen schon Normalität zu werden begann. Doch das interessierte uns für einige Tage nicht. Der Entschluss war schnell gefasst, so schnell, dass ich heute nicht mehr weiß, wie, wann und wo der Einfall überhaupt geboren wurde. Das Programm stand in kürzester Zeit: Ricky Dandel, damals Student im dritten Jahr, sagte sofort zu und als Kenner der Hermannstädter Bühne gab er mir auch sehr wertvolle Hinweise. Wir beendeten das strategische Gespräch mit einem „Blütenzweig!“, ein Schlagwort, von dem keiner von uns so genau wusste, wo es herkam; wir benutzten es immer wieder vor, während und nach Fernsehaufnahmen, wenn wir den Eindruck hatten, wieder eine Kleinigkeit an der Zensur vorbeigemogelt zu haben. (Ricky wird mir verzeihen, dass ich heute dieses Geheimnis preisgebe.) Mit Carmen Stoia konnten wir auch eine Studentin für die Aktion gewinnen. Auf der Suche nach dem geeigneten Saal sahen wir vom Gewerkschafts-kulturhaus ab, weil das zu sehr „im Visier“ stand, und ein „Nu se poate!“ dort wohl auch von keiner anderen der Hermannstädter Bühnen ignoriert werden konnte. Aber beim Theater wäre jemand (so Ricky), der für so etwas zu begeistern sei. So stand ich eines Vormittags vor dem Seiteneingang zum Staatstheater und fragte den in Zivil gekleideten Portier nach Herrn (d-l!) Duţiu. Ich wurde vorgelassen und befand mich dann im Büro des Direktors. Herrn Duţiu habe ich als stramm stehenden Mittvierziger im Lederrock in Erinnerung, mit schwarzen, nach hinten gekämmten Haaren, und dunkeln Augen mit scharfem Blick, die aber irgendwie das ironisch-wohlwollende Lächeln, das um seine Mundwinkel spielte, andeuteten. „Deci un concert de binefacere vor studenţii noştri”, sagte er sichtlich amüsiert und lehnte sich in seinem Sessel zurück und rieb mit der Hand an seinem schwarzen Rollkragen und fügte in bestimmtem Ton hinzu: „Dar n-o să-l numiţi astfel!“ Nach dem nächsten Atemzug nannte er die Bedingungen: Wochentags, an einem Nachmittag und wir müssten für die Reinemachefrauen einen Obulus entrichten, weil abends Theater-vorstellungen stattfanden; keine Miete, keine Stromkosten – nichts von alledem! Also wurde die Werbetrommel kräftig gerührt, Plakate wurden gefertigt, Papierstreifen zu Eintrittskarten doppelt gestempelt. Und dann kam der Tag des Benefizkonzerts, das nicht so heißen durfte. Wenn ich mich richtig entsinne, begann es um Vier. Den Anfang durfte ich bestreiten, da meine Lieder zum Teil besinnlich waren. An zwei Programmpunkte denke ich besonders gerne: an „Jackson“, im Duett mit Carmen und an „Haide U“, eine Art Lobgesang auf unsere Handballmannschaft, wo ich versucht hatte, alle Namen der aktuellen Mannschaft einzubauen: „Mulţi sunt care ar juca/ cum joacă fraţii Ciocea,/ cu un dor de a fenta/ cum face Nelu Dordea“, oder „urmează doi Fabritius: dreapta out şi stânga sus“... Nach jedem Vierzeiler sang der Saal den Refrain nach: „Haide U-U, haide U-U-U-U!“ Der zweite Teil war für Ricky reserviert. Er hatte über die ihn begleitende Band („Riff“?) die Verstärkeranlage organisiert. Zu aller Überraschung aber erschien auf der linken Seite der Bühne ein kleiner Bub mit hoher Stimme, der seinen Gesang mit flinken Fingern auf der übergroßen Gitarre begleitete: Marius Ungureanu. Es war der Anfang seiner Künstlerlaufbahn, denn im Saal befand sich ganz zufällig Christian Berger von der deutschen Fernsehredaktion. Ricky begann mit einem Geständnis, nämlich, dass er als Halbstarker auch Handball gespielt habe, und als er dann singend loslegte, kam die Stimmung auf, die das Ereignis unvergesslich machte. Unvergesslich ist auch ein Weiteres: Es wurde außer Rumänisch und Deutsch an jeder Zensur vorbei mehrheitlich Englisch gesungen! Was ich vergessen habe, ist die Höhe des Gewinns, doch dürfte Letzterer in Wirklichkeit auf einer anderen, höheren, jenseits des Materiellen liegenden Ebene anzusiedeln sein. Hans Seiwerth

Siegfried Habicher und Hans Seiwerth

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