Kleinalisch im Rosengarten
Anekdoten, erzählt im Sommer 2016
von Michael Krestel sen. Nr. 41
Spötteleien zwischen Nachbardörfern sind nichts Ungewöhnliches. Im Jahr 1922 besuchte Bischof Friedrich Teutsch auch Kleinalisch. Am Ende des Dorfes wurde er mit einem Lied empfangen. Am darauf folgenden Gottesdienst nahmen auch Gäste aus Rode teil. In seiner Predigt sprach der Bischof von „Kleinalisch im Rosengarten“. Ein Roder in der ersten Reihe murmelte: „…und viel dummes Volk darin.“ Der Bischof hörte das und erklärte, dass Kleinalisch rein sächsisch sei und schön liegt, also fühle man sich wirklich wie in einem Rosengarten. *
Einer der Bauern betätigte sich auch als Friseur und Dorfbarbier. Bei ihm wollte sich der Bischof rasieren lassen. Der Barbier benutzte keinen Rasierschaum, sondern spuckte kräftig in die Hände und rieb mit der Spucke das Gesicht des Bischofs ein. Dieser rief entsetzt aus: „Ja – machen Sie das immer so?“ Der Barbier aber beruhigte ihn: „Nein, Hochwürdiger Herr, den gewöhnlichen Leuten spucke ich gleich ins Gesicht“. *
Rode war eine starke Gemeinde und die Roder meinten stolz, das sei die „heschest Jemain“, also die schönste Gemeinde. Als sie ihren Turm bauten, hatten sie im Spätherbst nicht genügend Dachziegel und deckten den Turm übergangsweise mit Stroh. So überwinterte der Turm. Im Frühjahr war das Stroh noch feucht, noch vorhandene Weizenkörner keimten und das Dach wurde allmählich grün. Wie sollte die grüne Pracht am besten beseitigt werden? Einer der Männer hatte einen Vorschlag: „Wir haben ja unseren guten Büffelstier, der uns schon viele schöne Kälber beschert hat, den ziehen wir mit dem Flaschenzug hoch, dass er den jungen Weizen frisst.“ Gesagt, getan. Doch der Stier bekam beim Hochziehen keine Luft mehr. Die Roder ließen ihn schnell wieder herunter, aber er war bereits tot. Ratlosigkeit machte sich breit. Da meinte ein anderer der Männer: „Weil er uns so viele schöne Rinder beschert hat, sollten wir den Stier ehrenvoll neben unserem Friedhof begraben.“ So geschah es und auch ein schöner „Stein“ wurde aufgestellt. – Ein Kleinalischer kam später vorbei und wunderte sich: Wieso war jemand außerhalb des Friedhofes begraben worden? Er trat näher und las: „Hier ruht der alte Büffelstier.“ Er kramte in seinen Taschen, holte einen Nagel hervor und ritzte als Fortsetzung ein: „Was er einst war, das seid jetzt ihr.“ *
Der stärkste Mann in Kleinalisch war Michael K. Einst fällte sein Schwager im Wald hinter der Breite einen dicken Baum. Aus dem Stamm wollte er eine Kelter bauen. Allein konnte er den schweren Stamm nicht auf den Wagen laden, er rief noch sechs Leute und bat sie um Hilfe, darunter auch den starken Schwager Michael K. Dieser stellte eine Bedingung: ein Eimer Wein sollte auf den Tisch. Er trank den Holzeimer fast halb leer, dann gingen sie in den Wald. Michael K. schickte fünf Helfer an das eine Ende, am anderen blieb er mit dem Schwager. Zu zweit schafften sie das Gleiche wie die anderen fünf. Der schwere Baumstamm konnte reibungslos aufgeladen und glücklich nach Hause gebracht werden, der restliche Wein wurde ausgetrunken. *
Stefan, der Sohn von Michael K., war fast so kräftig wie sein Vater. Er hatte in der Stadt Wein verkauft an ein Gasthaus und auf dem Heimweg musste er mit dem Pferdewagen nachts durch einen Wald hindurch. Plötzlich tauchten drei dunkle Gestalten auf. Zwei von ihnen hielten die Pferde an, der dritte rief auf Ungarisch: „Geld oder Leben!“ Stefan antwortete: „Was wollt ihr? Ich verstehe euch nicht.“ Er stieg vom Wagen, ging zu ihnen und meinte: „Jetzt verstehe ich euch vielleicht.“ Die gleiche Aufforderung wurde wiederholt. Da packte Stefan zwei von ihnen am Kragen und knallte ihre Köpfe zusammen. Dem dritten ging es ebenso. Stefan warnte sie: „Wenn ihr mir noch mal in die Quere kommt, wehe euch!“ Die Gestalten verschwanden schleunigst im Gebüsch. *
Christian, ein Vertreter der Schässburger Versicherungsgesellschaft „Transilvania“, benutzte das Haus der Martinis, damals Nr. 8, als „Filiale“, von wo aus er den Leuten Angebote machte. Diesen Umstand machte sich der witzige Martini für einen seiner Zahlreichen Späße zunutze. Er ließ austrommeln, dass die Versicherung Hahnenmist kaufe. Als tatsächlich eine Frau mit einer Tüte voll Mist erschien, fragte er: „Ist der Mist ausschließlich vom Hahn?“ Die Frau konnte das naturgemäß nicht bestätigen und die Tüte wurde abgelehnt. *
Ein Jäger aus Elisabethstadt kam gerne zur Jagd nach Kleinalisch. Einmal beschwerte er sich, dass sein Hund nicht alles fressen will, was er bekommt. Der Martini sagte: „Lass den Hund eine oder zwei Wochen bei mir und er lernt alles fressen.“ Der Jäger ging darauf ein. Der Martini sperrte den Hund in einen leeren Schweinestall und gab ihm nur Wasser. Nach einer Woche brachte er dem Hund grüne Waldäpfel und der Hund stürzte sich darauf. Als der Jäger aus Elisabethstadt wieder kam, musste er staunen, denn der Hund war zwar ein bisschen abgemagert, aber er fraß alles, was man ihm vorsetzte. *
Die Kleinalischer haben ursprünglich in einer anderen Ortschaft gewohnt. Weil die Ortschaft den Überfällen der Türken und Tataren ausgesetzt war, haben sich die Leute eine neue Bleibe gesucht und in diesem Seitental der Kleinen Kokel gefunden. Sie haben auch hier die damals üblichen Vorbereitungen getroffen: die Möglichkeit, innerhalb der kirchlichen Ringmauer Lebensmittel zu lagern, Bunker im Wald für Saatgut und Wertgegenstände, Verstecke für die Haustiere. Aber niemals sind Türken oder Tataren nach Kleinalisch gelangt. *
Vor hundert Jahren war es so, dass einige Sachsen nach Amerika gingen, um Geld zu verdienen. Das tat auch ein junger Mann, nennen wir ihn Stuki. Wenn Zahltag war, ging er einmal im Monat mit seinem Freund ins Gasthaus. Auf dem Heimweg mussten sie nachts auf einer schmalen Brücke einen Fluss überqueren. Plötzlich versperrte ihnen ein Schwarzer mit einer Pistole den Weg und verlangte Geld. Der Monatslohn war in Gefahr. Stuki kramte in seinen Taschen und stellte sich so, als ob er Geld überreichen will. Allmählich näherte er sich dem Bewaffneten. Aus seinen Taschen kam die Rechte ohne Geld hervor, aber zur Faust geballt. Blitzartig versetzte Stuki dem Gauner einen Schlag ins Gesicht, und zwar so heftig, dass dieser zusammensackte und eine Weile leblos am Boden lag. Der Freund sagte: „Wirf ihn ins Wasser!“ Aber Stuki meinte: „Lass ihn in Ruhe, er hat genug.“ Ohne weitere Zwischenfälle setzten die beiden ihren Heimweg fort.*
Spötteleien zwischen Nachbardörfern sind nichts Ungewöhnliches. Im Jahr 1922 besuchte Bischof Friedrich Teutsch auch Kleinalisch. Am Ende des Dorfes wurde er mit einem Lied empfangen. Am darauf folgenden Gottesdienst nahmen auch Gäste aus Rode teil. In seiner Predigt sprach der Bischof von „Kleinalisch im Rosengarten“. Ein Roder in der ersten Reihe murmelte: „…und viel dummes Volk darin.“ Der Bischof hörte das und erklärte, dass Kleinalisch rein sächsisch sei und schön liegt, also fühle man sich wirklich wie in einem Rosengarten. *
Einer der Bauern betätigte sich auch als Friseur und Dorfbarbier. Bei ihm wollte sich der Bischof rasieren lassen. Der Barbier benutzte keinen Rasierschaum, sondern spuckte kräftig in die Hände und rieb mit der Spucke das Gesicht des Bischofs ein. Dieser rief entsetzt aus: „Ja – machen Sie das immer so?“ Der Barbier aber beruhigte ihn: „Nein, Hochwürdiger Herr, den gewöhnlichen Leuten spucke ich gleich ins Gesicht“. *
Rode war eine starke Gemeinde und die Roder meinten stolz, das sei die „heschest Jemain“, also die schönste Gemeinde. Als sie ihren Turm bauten, hatten sie im Spätherbst nicht genügend Dachziegel und deckten den Turm übergangsweise mit Stroh. So überwinterte der Turm. Im Frühjahr war das Stroh noch feucht, noch vorhandene Weizenkörner keimten und das Dach wurde allmählich grün. Wie sollte die grüne Pracht am besten beseitigt werden? Einer der Männer hatte einen Vorschlag: „Wir haben ja unseren guten Büffelstier, der uns schon viele schöne Kälber beschert hat, den ziehen wir mit dem Flaschenzug hoch, dass er den jungen Weizen frisst.“ Gesagt, getan. Doch der Stier bekam beim Hochziehen keine Luft mehr. Die Roder ließen ihn schnell wieder herunter, aber er war bereits tot. Ratlosigkeit machte sich breit. Da meinte ein anderer der Männer: „Weil er uns so viele schöne Rinder beschert hat, sollten wir den Stier ehrenvoll neben unserem Friedhof begraben.“ So geschah es und auch ein schöner „Stein“ wurde aufgestellt. – Ein Kleinalischer kam später vorbei und wunderte sich: Wieso war jemand außerhalb des Friedhofes begraben worden? Er trat näher und las: „Hier ruht der alte Büffelstier.“ Er kramte in seinen Taschen, holte einen Nagel hervor und ritzte als Fortsetzung ein: „Was er einst war, das seid jetzt ihr.“ *
Der stärkste Mann in Kleinalisch war Michael K. Einst fällte sein Schwager im Wald hinter der Breite einen dicken Baum. Aus dem Stamm wollte er eine Kelter bauen. Allein konnte er den schweren Stamm nicht auf den Wagen laden, er rief noch sechs Leute und bat sie um Hilfe, darunter auch den starken Schwager Michael K. Dieser stellte eine Bedingung: ein Eimer Wein sollte auf den Tisch. Er trank den Holzeimer fast halb leer, dann gingen sie in den Wald. Michael K. schickte fünf Helfer an das eine Ende, am anderen blieb er mit dem Schwager. Zu zweit schafften sie das Gleiche wie die anderen fünf. Der schwere Baumstamm konnte reibungslos aufgeladen und glücklich nach Hause gebracht werden, der restliche Wein wurde ausgetrunken. *
Stefan, der Sohn von Michael K., war fast so kräftig wie sein Vater. Er hatte in der Stadt Wein verkauft an ein Gasthaus und auf dem Heimweg musste er mit dem Pferdewagen nachts durch einen Wald hindurch. Plötzlich tauchten drei dunkle Gestalten auf. Zwei von ihnen hielten die Pferde an, der dritte rief auf Ungarisch: „Geld oder Leben!“ Stefan antwortete: „Was wollt ihr? Ich verstehe euch nicht.“ Er stieg vom Wagen, ging zu ihnen und meinte: „Jetzt verstehe ich euch vielleicht.“ Die gleiche Aufforderung wurde wiederholt. Da packte Stefan zwei von ihnen am Kragen und knallte ihre Köpfe zusammen. Dem dritten ging es ebenso. Stefan warnte sie: „Wenn ihr mir noch mal in die Quere kommt, wehe euch!“ Die Gestalten verschwanden schleunigst im Gebüsch. *
Christian, ein Vertreter der Schässburger Versicherungsgesellschaft „Transilvania“, benutzte das Haus der Martinis, damals Nr. 8, als „Filiale“, von wo aus er den Leuten Angebote machte. Diesen Umstand machte sich der witzige Martini für einen seiner Zahlreichen Späße zunutze. Er ließ austrommeln, dass die Versicherung Hahnenmist kaufe. Als tatsächlich eine Frau mit einer Tüte voll Mist erschien, fragte er: „Ist der Mist ausschließlich vom Hahn?“ Die Frau konnte das naturgemäß nicht bestätigen und die Tüte wurde abgelehnt. *
Ein Jäger aus Elisabethstadt kam gerne zur Jagd nach Kleinalisch. Einmal beschwerte er sich, dass sein Hund nicht alles fressen will, was er bekommt. Der Martini sagte: „Lass den Hund eine oder zwei Wochen bei mir und er lernt alles fressen.“ Der Jäger ging darauf ein. Der Martini sperrte den Hund in einen leeren Schweinestall und gab ihm nur Wasser. Nach einer Woche brachte er dem Hund grüne Waldäpfel und der Hund stürzte sich darauf. Als der Jäger aus Elisabethstadt wieder kam, musste er staunen, denn der Hund war zwar ein bisschen abgemagert, aber er fraß alles, was man ihm vorsetzte. *
Die Kleinalischer haben ursprünglich in einer anderen Ortschaft gewohnt. Weil die Ortschaft den Überfällen der Türken und Tataren ausgesetzt war, haben sich die Leute eine neue Bleibe gesucht und in diesem Seitental der Kleinen Kokel gefunden. Sie haben auch hier die damals üblichen Vorbereitungen getroffen: die Möglichkeit, innerhalb der kirchlichen Ringmauer Lebensmittel zu lagern, Bunker im Wald für Saatgut und Wertgegenstände, Verstecke für die Haustiere. Aber niemals sind Türken oder Tataren nach Kleinalisch gelangt. *
Vor hundert Jahren war es so, dass einige Sachsen nach Amerika gingen, um Geld zu verdienen. Das tat auch ein junger Mann, nennen wir ihn Stuki. Wenn Zahltag war, ging er einmal im Monat mit seinem Freund ins Gasthaus. Auf dem Heimweg mussten sie nachts auf einer schmalen Brücke einen Fluss überqueren. Plötzlich versperrte ihnen ein Schwarzer mit einer Pistole den Weg und verlangte Geld. Der Monatslohn war in Gefahr. Stuki kramte in seinen Taschen und stellte sich so, als ob er Geld überreichen will. Allmählich näherte er sich dem Bewaffneten. Aus seinen Taschen kam die Rechte ohne Geld hervor, aber zur Faust geballt. Blitzartig versetzte Stuki dem Gauner einen Schlag ins Gesicht, und zwar so heftig, dass dieser zusammensackte und eine Weile leblos am Boden lag. Der Freund sagte: „Wirf ihn ins Wasser!“ Aber Stuki meinte: „Lass ihn in Ruhe, er hat genug.“ Ohne weitere Zwischenfälle setzten die beiden ihren Heimweg fort.*