Eintrag Nr. 7728

14.11.2007, 12:37 Uhr

David Margarete [WM-David[ät]t-online.de]

-Ansprache an die Tekendorfer-
erstellt anlässlich des Tekendorfer Treffens am 27.10.2007
Verfasser + Redner: Christian Kliba


Liebe Tekendorfer und Tekendorferinnen, liebe Freunde!
Für all jene, die mich noch nicht kennen, mein Name ist Christian Kliba und im Vorfeld zu meiner kleinen Ansprache möchte ich erwähnen, dass ich mich sehr freue, nun zum zweiten Mal in Folge, an einem Tekendorfer Treffen ein paar Worte an Euch zu richten. Vielen Dank für diese Gelegenheit und diese besondere Ehre.

Ich habe schon Monate vor unserer Zusammenkunft, hier in Erzhausen, darüber nachgedacht, was ich denn so sagen könnte.
Der Ideen hatte ich viele und etliche davon verwarf ich nach kurzer Zeit auch wieder. Aber eines hätte ich nicht gedacht, dass meine Mutter, ohne es zu wissen mir den richtigen Anstoß liefern, den Stein sozusagen ins Rollen bringen würde.

Bleibe Treu!

In einem unserer Volkslieder und dem gleichnamigen Gedicht von Michael Albert heißt es:

Deiner Sprache, deiner Sitten, deiner Toten bleibe treu.
Steh’ in deines Volkes Mitte, was sein Schicksal immer sei!
Wie die Welt auch dräng' und zwinge, hier ist Kraft, sie zu bestehn;
trittst du aus den heilgen Ringe, wirst du ehrlos untergeh’n.
Bleibe treu! Bleibe treu!

Vor einigen Jahren schon bin ich auf dieses Lied gestoßen. Es war - kann ich wohl durchaus behaupten – eine sehr interessante Zeit für mich, und dies hier ist meine Geschichte.

Bis vor etwa 5 Jahren waren die einzigen Siebenbürger, die ich kannte, meine Familie und mein engerer Verwandtschaftskreis. Es waren stets die üblichen Gesichter, stets die selben Leute, die man bei diversen Familienfestivitäten traf. Eher war es so, dass sich die Jüngeren zurückzogen, um den Älteren ihre Lieder und ihre Erinnerungen zu lassen. Es war wie so oft immer wieder das Selbe.

Durch mein Studium an der Johann-Wolfgang Goethe Universität zu Frankfurt änderte sich das Ganze mit einem Mal. Dort in Frankfurt begegnete ich jungen Sachsen und Sächsinnen aus verschiedensten Teilen unsrer alten Heimat. Sie kommen aus Mediasch, aus Michelsberg, aus Alsen und Neumarkt (Tirgu Mures). Zum ersten Mal überhaupt in meinem Leben kam es mit diesen Kommilitonen und Kommilitoninnen zu einem Austausch von Geschichten, von Erfahrungen, schlichtweg zu einem Austausch von Kultur.
Oftmals hieß es dann „Wie sprecht ihr dieses Wort aus?“, „Wie sagt ihr dazu?“,
„Wie wird das bei euch zu Hause genannt“, „Kennst du dieses oder jenes Gericht?“, „Veranstaltet ihr auch stets Heimattreffen?“, „Wohin zogen eure Verwandten und Bekannten nach dem Krieg?“, „Unter welchen Umständen sind sie aus der Heimat geflohen?“ usw. All das, was ich bisher nur von den Erzählungen meiner Eltern, Großeltern und zum Teil noch von den Erzählungen der Urgroßeltern wusste, wurde mit einem Schlag in ein komplett anderes Licht gerückt. Ich wusste nicht mehr so genau –wohin mit mir? – Einerseits bin ich hier in Deutschland geboren worden, andererseits war da diese plötzliche Verbundenheit zu der Geschichte und Kultur der Siebenbürger Sachsen.
Kamen wir in der Familie anlässlich von Geburtstagen oder Ähnlichem zusammen, machte es plötzlich Spaß, die alten Lieder zu singen, die schon mein Urgroßvater der Mitschi Hartig mit mir zu singen pflegte. Plötzlich bekam ich eine Gänsehaut, wenn ich „Nach meiner Heimat da zieht’s mich wieder“, oder „Wahre Freundschaft soll nicht wanken“ hörte. Auf einmal interessierte ich mich auch für die Geschichte Siebenbürgens und seines Volkes; auf einmal kamen diese alten Geschichten von Flucht und Vertreibung, von Freud’ und Leid, von Leben und Sterben von Arbeit und Feiern wieder in mein Gedächtnis.
Das ging schließlich so weit, dass ich –getrieben von diesem Interesse- Kontakt mit der Jugendorganisation der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, der SJD, aufnahm. Man schrieb sich, man fuhr gemeinsam auf einen Ausflug, man lernte sich Kennen, man aß, man trank und man sang zusammen.
Doch einen Moment mal: diese Lieder kenne ich doch!!!

Nach meiner Heimat, das ziehts mich wieder. Es ist die alte Heimat noch.
Die selbe Lust, die selben frohen Lieder...

Was war das, was mich da ergriff? War das „Heimat“? War es stolz?
Stolz auf meine Herkunft und Abstammung?
Bin ich letztlich sogar zu dem geworden, wogegen ich mich sogar oftmals gesträubt habe? Bin ICH ein „Sochs“ geworden? Kann ich ein Siebenbürger sein, nur weil ich mit einer Gruppe junger Siebenbürger abends im Zeltlager sitze und Pali trinke? Bin ich ein Siebenbürger, nur weil ich die Sprache und auch ein wenig den Dialekt der anderen verstehe und ich mich selbst – zwar ein wenig gebrochen, aber nichts desto trotz- gut mit ihnen verständigen kann?
Bin ich ein „Sochs“, nur weil ich plötzlich „Fattetbruit met Zbibal“ essen kann, ohne dass ich einen Würgreiz bekomme? Oder bin ich etwa ein Sachse, weil ich die Lieder kenne, die schon mein Urgroßvater sang?

Die selbe Lust, die selben frohen Lieder. Und all das ist ein andres doch!

Ein anderer Fall. Ich lernte vor etwa 3 Jahren an der Uni einen jungen Sachsen aus Neumarkt kennen. Wir trafen uns recht häufig überwiegend im Sommer und meistens in Frankfurt am Ufer des Mains, wo man guten Ebbelwoi trinken kann. Man kam ins Gespräch. Im Laufe dieses Gespräches sagte er einen Satz, der mich allerdings etwas nachdenklich stimmte.
„Weißt du Christian, wir Sachsen gehören zu einer aussterbenden Gattung.“
Aussterbende Gattung? Wie meint der das? Wie können wir aussterben? Es gibt doch die SJD, es gibt die Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland. Wir blicken doch auf eine Ereignisreiche und uns alle verbindende Geschichte zurück Tartaren, Türken, Hungersnöte und Seuchen ja sogar zwei Weltkriege konnten den Siebenbürgern nichts anhaben. Man raufte sich zusammen, krempelte die Ärmel hoch, baute wieder auf, sang aß, trank, feierte, trauerte, lebte weiter. Doch ans Aussterben dachte niemand. Oder wollte daran einfach niemand denken? Sind wir vielleicht wirklich vom Aussterben bedroht? Nun, in einer neuen Heimat und in einer neuen Zeit angelangt sollte man sich diese Frage wirklich stellen. Es könnte passieren und es wäre geschichtlich betrachtet auch nichts neues. Sollte mein siebenbürger Freund Recht haben? Ich sage die Chancen stehen 50:50. Es muss nicht sein!
Wie lehrt uns das bekannte Lied?

„Deiner Sprache, deiner Sitten, deiner Toten bleibe treu!“

Wenn wir aufhören, diesen Satz in unserem Herzen zu tragen;

Wie die Welt auch um dich werbe, deine Brüder lasse nicht!
Deiner Väter treues Erbe zu behüten, sei dir Pflicht!

wenn wir meinen, dieses Gebot missachten zu können;

Lieb’ dein Volk im Glanz der Sonne, in des Sturmes dunkler Nacht!
Bleibe treu! Bleibe treu!

wenn die Tradition in weite Ferne rückt, dieses Lied verstummt ist, dann wird mein Freund wohl oder übel Recht behalten.
Und gerade darum ist es wichtig die alten Lieder zu singen; ist es wichtig die alten Geschichten zu erzählen; ist es wichtig, die Erinnerung an die Heimat aufrecht zu erhalten, sie weiter zu geben; ist es wichtig uns ein Stück Heimat in unserem Herzen und in unseren Häusern und Wohnungen zu bewahren;

-Siebenbürgen süße Heimat, unser teures Vaterland-

Und genau das passiert hier und heute und das ist auch vor zwei Jahren passiert und auch Zukunft muss es passieren.

...deinen Toten bleibe treu...

Das der Tod vor uns allen hier nicht Halt macht, ist klar und vollkommen natürlich. Einige von uns haben in den letzten zwei Jahren einen anderen Weg eingeschlagen, den wir alle einmal gehen werden.
Bis dahin aber ist es wichtig, dass wir in unseres Volkes Mitte stehen, unserer Toten treu bleiben, unsere Sitten, Traditionen und Bräuche an die Jugend weitergeben, weiter Leben, weiter feiern, weiter singen und uns weiterhin treffen. Denn nur als Gemeinschaft und als der Eintracht Band können wir die Zeit überdauern und uns vor dem Aussterben bewahren.

Deiner Sprache, deiner Sitten, deiner Toten bleibe treu.

Und um die Verbundenheit und die Treue zu unseren Toten zu demonstrieren,
gedenken wir nun eine Minute lang derer, die in der Vergangenheit von uns gegangen sind.

Bleibe treu, bleibe treu!

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Nun wollen wir gemeinsam unsere Siebenbürger Hymne singen, wie wir sie schon immer sangen und hoffentlich auch in Zukunft singen werden.





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