Zeidner Anekdote: "Gelöscht"

Es war gegen Ende der 80er-Jahre. Die deutsche Bevölkerung in Zeiden war sichtbar geschmolzen. Zu viele waren schon ausgereist, die meisten der noch dort Lebenden hatten selber eingereicht. Die Leute waren unzufrieden und verunsichert, man saß auf dem Koffer, wartete auf den Pass und hasste die Dunkelheit (Strom war Mangelware), die Kälte (Gas musste sparsam verwendet werden) und den Mangel überhaupt: Nicht nur die Lebensmittel waren knapp, auch das Wasser wurde rationiert und dadurch nur noch mehr verpanscht! Unter diesen Bedingungen leisteten wir zwar weiter unsere Kulturarbeit, aber es war schwieriger geworden. Wenn in den 60er-Jahren die Leute zu den Vorträgen strömten, so dass der größte Klassenraum in der Deutschen Schule zu klein war, mussten wir Ende der 80er unsere Verwandten und Bekannten bitten zu kommen, damit wir nicht blamiert dastünden, wenn wir Vortragende von auswärts hatten. Genauso ging es mit den Theatervorführungen. In den 60ern musste man sich rechtzeitig eine Karte bestellen (erinnert Ihr Euch? Bei Dori Riemesch waren die Karten zu haben), wenn Hermannstadt oder Temeschburg angesagt war. Ende der 80er gingen wir mit den Karten hausieren, um das Publikum für die Aufführung der jeweiligen Theatertruppe zu sichern. Ganz schwierig war das, wenn vorher etwas Modernes aufgeführt worden war, etwa ein Lehrstück von Brecht, dann war der Normalbürger für eine Weile abstinent. In dieser Zeit also war wieder eine Aufführung von Hermannstadt angesagt. Wir Deutschlehrer hatten es uns erlaubt, sogar unseren größeren Schülern Karten zu verkaufen, sie hatten ja selber schon die eine oder andere Aufführung bestritten, wir rechneten mit ihrem Interesse. Die Klassen gingen damals bis zur zehnten, das Profil war Mechanik. Im ersten Teil schon gab es Unruhe auf dem Balkon, und in der Pause trat ein Vater auf mich zu und meinte, wenn wir den Schülern Karten verkauften, sollten wir doch auch bitte dafür sorgen, dass sie sich ruhig verhielten. Ich hatte sowieso mit zusammengebissenen Zähnen dagesessen, also gab ich ihm Recht und setzte mich für die Schüler gut sichtbar auf den Balkon. Es gab noch Geraune und Gescharre, aber es war erträglich. Was hatte die Unruhe bewirkt? Ein Schüler hatte versucht, sich den Mädchen auf den Schoß zu setzen. Natürlich gab das Nachahmer, prustendes Loslachen und Gepolter. Meinerseits tiefe Kränkung ob solchen Benehmens. Monate später brannte eine Tischlerwerkstatt mitten in der Nacht in der Langgasse. Mein Mann war auch hingeeilt. Als er zurückkam, sagte er: "Weißt du, wer an vorderster Front beim Löschen an der Spritze steht? Das ist der Junge, über den du dich bei der Theatervorstellung geärgert hast!" Ja, das Leben ist vielfältig und bunt, manches gleicht sich aus, wenn man nur Zeit verstreichen lässt, und manches lässt sich verhindern, wenn man alles bedenkt. Warum hatte ich mich nicht von Anfang an zwischen die Randalierer gesetzt! Selber schuld! Auf alle Fälle muss man jedem zugestehen, dass er sich entwickeln kann.

Katharina Unberath, Fürth

"zeidner gruß"
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