Zeitzeugenbericht: Elfriede Paulini über die schreckliche Zeit als Zwangsarbeiterin in Makeewka
Sie hat Typhus und Malaria überlebt: Elfriede Paulini berichtet über die Zwangsarbeit in der Sowjetunion.
Zum Jahresanfang 1945 drangen auch nach Brenndorf Gerüchte durch, dass in einigen Orten Siebenbürgens die Deutschen zur Zwangsarbeit nach Russland deportiert worden seien. Wir fragten uns bange: Wann wird es auch in Brenndorf soweit sein?
Am 13. Januar 1945 Vormittag kamen ein Russe und ein Rumäne und sagten mir, ich solle mich um 15 Uhr in der Schule einfinden für den Transport nach Russland. Ich hatte ja schon geahnt, dass ich auch auf der Liste bin. Jetzt war es gewiss und es brach mir fast das Herz, als ich an meine drei kleinen Kinderlein dachte, die ich krank zurücklassen musste.
Bei der Schule wurden wir auf Lastwägen geladen und auf den Güterbahnhof nach Kronstadt gebracht, wo wir in Viehwaggons verladen wurden. 38 Personen in einen Waggon. In der Mitte befand sich ein Ofen und um den Waggon waren Bänke, wo wir abwechselnd sitzen konnten. Die Waggons wurden hin und her verschoben und plötzlich fuhr der Zug an und es ging los. Mir kullerten Tränen die Wangen hinunter, denn ich wusste, jetzt geht es in eine ungewisse Zukunft …
Die Fahrt dauerte zwei Wochen. Um den Ofen war ein Eisenring, wo wir uns Tee wärmen konnten. In einem Eimer brachte man uns Wasser. Zum Essen gab es einmal Erbsensuppe und einmal geräuchertes, getrocknetes Lammfleisch (Pastrama). Sonst aßen wir vom Proviant von zu Hause. Auf den Pritschen fehlte der Platz fürs Schlafen. Deshalb teilten wir uns in zwei Gruppen und schliefen abwechselnd. Kaum war man eingeschlafen, musste man auch schon wieder Platz machen für die anderen. Unsere Männer hatten mit der Axt ein Loch in den Boden des Waggons geschlagen, wo wir die Notdurft verrichteten.
Im Lager Makeewka angekommen, wurden wir in ein großes Zimmer geführt. Da waren auch ein Ofen in der Wand und Betten, unter denen wir unser Gepäck verstauten. An die Wand über dem Ofen schlugen wir Nägel ein, um unsere Schuhe zu trocknen. Zum Essen gab es Krautsuppe. Am ersten Tag, am zweiten Tag, eine Woche lang. Einen Monat aßen wir jeden Tag Krautsuppe! Ich arbeitete auf der Eisenbahnlinie, musste Schlipper tragen. Eines Tages wurde ich krank und musste trotz Fieber zur Arbeit gehen, bis unsere Gruppe ins Lager Muschkowa versetzt wurde. Da meldete ich mich wieder krank. Ich hatte hohes Fieber und wurde mit dem Pferdewagen ins Krankenhaus gebracht. Während dem Röntgen wurde ich ohnmächtig und als ich wieder zu mir kam, befand ich mich draußen im Hof auf einer Bank. Da kam eine Krankenschwester und zerrte mich am Ärmel meines Nachthemdes ins Krankenzimmer. Meine Diagnose war Typhus. Dies war im Juni 1945. Es war eine schreckliche Zeit.
Als ich wieder so weit genesen war, durfte ich in der Küche mithelfen und aß viele rote Rüben. Ich glaube, das hat mir sehr geholfen, wieder gesund zu werden. Nach dieser Krankheit musste ich nicht mehr auf der Bahnlinie arbeiten, sondern als Aufräumerin in einer Werkstatt. Ich zeigte großes Interesse an der Werkstatt und der Obermeister bot mir an, die Arbeit an einer Maschine auszuprobieren. Bald konnte ich selbständig an der Bohrmaschine arbeiten. In dieser Zeit ging es mir relativ gut, bis ich 1946 wieder krank wurde. Malaria. Bei jedem Fieberschub ging ich hinaus in den Garten, legte mich in die Kräuter und wartete, bis es vorbei war. Dann nahm ich die Arbeit wieder auf. Ich habe auch diese Krankheit überstanden.
Am 30. Oktober 1946 wurden wir aufgefordert, Kartoffeln zu ernten. Eine Gelegenheit etwas zum Essen mit nach Hause zu nehmen. Wir banden unsere Hosen unten zu, nähten uns innen Taschen in die Pufaika und gingen auf das Feld. Wir waren gar nicht lange dort und hatten gerade so viele Kartoffeln herausgenommen, um unsere Hosen und Taschen zu füllen, als es anfing zu regnen und zu schneien. Als wir sahen, dass die Russen vom Feld wegliefen, füllten wir schnell unsere Hosen und Taschen – 184 Stück hatte ich – und liefen heimwärts. Auf dem Weg gingen wir zu einem Fotografen hinein, und so entstand die Aufnahme, die auf dieser Seite zu sehen ist. Unten rechts Klara Knorr, daneben ich, oben links Tilli Gliebe, Martha Stoff und Rosi aus Rosenau. Kurz vor Weihnachten 1946 fand ich vor der Werkstatt einen Ast von einer Föhre und nahm ihn mit ins Lager. Es sollte unser Christbaum werden. Jeder in unserem Zimmer zog ein Los und musste für den, dessen Namen er gezogen hatte, ein Geschenk machen aus Sachen, die einem zur Verfügung standen. Es gab natürlich auch ein Festessen. Ein Stückchen Brot mit Öl beträufelt und mit Zucker bestreut. Am Heiligen Abend breiteten wir ein Leinentuch auf den Tisch aus und schmückten unseren Ast mit Watte und kleinen Kerzen. Aus der Werkstatt hatte ich einen Eisenring mitgebracht, woran wir den Ast befestigten. Auf den Tisch legten wir die Päckchen, die jeder gebastelt hatte, und unser Festessen. Wir stellten uns um den Tisch, sangen „Stille Nacht“ und beteten das Vaterunser unter Tränen. Es wurde ein schöner, aber auch zugleich trauriger Heiliger Abend, denn unsere Lieben in der Heimat waren leider nicht bei uns.
Nachdem meine Heimreise schon einmal verschoben worden war, durfte ich am 24. Juni 1948 nach Hause. Die Heimfahrt dauerte eine Woche, und am 2. Juli konnte ich meine lieben Kinderchen und Eltern wieder in die Arme schließen. Am nächsten Tag brachten meine Kinder die Nachbarskinder mit und zeigten ihnen: „Jetzt haben wir unsere Mutti auch wieder!“
Elfriede Tontsch hat die Erzählungen ihrer Mutter Elfriede Paulini geb. Greger (Hausnummer 270) aufgezeichnet und für die „Briefe aus Brenndorf“ niedergeschrieben.
Am 13. Januar 1945 Vormittag kamen ein Russe und ein Rumäne und sagten mir, ich solle mich um 15 Uhr in der Schule einfinden für den Transport nach Russland. Ich hatte ja schon geahnt, dass ich auch auf der Liste bin. Jetzt war es gewiss und es brach mir fast das Herz, als ich an meine drei kleinen Kinderlein dachte, die ich krank zurücklassen musste.
Bei der Schule wurden wir auf Lastwägen geladen und auf den Güterbahnhof nach Kronstadt gebracht, wo wir in Viehwaggons verladen wurden. 38 Personen in einen Waggon. In der Mitte befand sich ein Ofen und um den Waggon waren Bänke, wo wir abwechselnd sitzen konnten. Die Waggons wurden hin und her verschoben und plötzlich fuhr der Zug an und es ging los. Mir kullerten Tränen die Wangen hinunter, denn ich wusste, jetzt geht es in eine ungewisse Zukunft …
Die Fahrt dauerte zwei Wochen. Um den Ofen war ein Eisenring, wo wir uns Tee wärmen konnten. In einem Eimer brachte man uns Wasser. Zum Essen gab es einmal Erbsensuppe und einmal geräuchertes, getrocknetes Lammfleisch (Pastrama). Sonst aßen wir vom Proviant von zu Hause. Auf den Pritschen fehlte der Platz fürs Schlafen. Deshalb teilten wir uns in zwei Gruppen und schliefen abwechselnd. Kaum war man eingeschlafen, musste man auch schon wieder Platz machen für die anderen. Unsere Männer hatten mit der Axt ein Loch in den Boden des Waggons geschlagen, wo wir die Notdurft verrichteten.
Im Lager Makeewka angekommen, wurden wir in ein großes Zimmer geführt. Da waren auch ein Ofen in der Wand und Betten, unter denen wir unser Gepäck verstauten. An die Wand über dem Ofen schlugen wir Nägel ein, um unsere Schuhe zu trocknen. Zum Essen gab es Krautsuppe. Am ersten Tag, am zweiten Tag, eine Woche lang. Einen Monat aßen wir jeden Tag Krautsuppe! Ich arbeitete auf der Eisenbahnlinie, musste Schlipper tragen. Eines Tages wurde ich krank und musste trotz Fieber zur Arbeit gehen, bis unsere Gruppe ins Lager Muschkowa versetzt wurde. Da meldete ich mich wieder krank. Ich hatte hohes Fieber und wurde mit dem Pferdewagen ins Krankenhaus gebracht. Während dem Röntgen wurde ich ohnmächtig und als ich wieder zu mir kam, befand ich mich draußen im Hof auf einer Bank. Da kam eine Krankenschwester und zerrte mich am Ärmel meines Nachthemdes ins Krankenzimmer. Meine Diagnose war Typhus. Dies war im Juni 1945. Es war eine schreckliche Zeit.
Als ich wieder so weit genesen war, durfte ich in der Küche mithelfen und aß viele rote Rüben. Ich glaube, das hat mir sehr geholfen, wieder gesund zu werden. Nach dieser Krankheit musste ich nicht mehr auf der Bahnlinie arbeiten, sondern als Aufräumerin in einer Werkstatt. Ich zeigte großes Interesse an der Werkstatt und der Obermeister bot mir an, die Arbeit an einer Maschine auszuprobieren. Bald konnte ich selbständig an der Bohrmaschine arbeiten. In dieser Zeit ging es mir relativ gut, bis ich 1946 wieder krank wurde. Malaria. Bei jedem Fieberschub ging ich hinaus in den Garten, legte mich in die Kräuter und wartete, bis es vorbei war. Dann nahm ich die Arbeit wieder auf. Ich habe auch diese Krankheit überstanden.
Am 30. Oktober 1946 wurden wir aufgefordert, Kartoffeln zu ernten. Eine Gelegenheit etwas zum Essen mit nach Hause zu nehmen. Wir banden unsere Hosen unten zu, nähten uns innen Taschen in die Pufaika und gingen auf das Feld. Wir waren gar nicht lange dort und hatten gerade so viele Kartoffeln herausgenommen, um unsere Hosen und Taschen zu füllen, als es anfing zu regnen und zu schneien. Als wir sahen, dass die Russen vom Feld wegliefen, füllten wir schnell unsere Hosen und Taschen – 184 Stück hatte ich – und liefen heimwärts. Auf dem Weg gingen wir zu einem Fotografen hinein, und so entstand die Aufnahme, die auf dieser Seite zu sehen ist. Unten rechts Klara Knorr, daneben ich, oben links Tilli Gliebe, Martha Stoff und Rosi aus Rosenau. Kurz vor Weihnachten 1946 fand ich vor der Werkstatt einen Ast von einer Föhre und nahm ihn mit ins Lager. Es sollte unser Christbaum werden. Jeder in unserem Zimmer zog ein Los und musste für den, dessen Namen er gezogen hatte, ein Geschenk machen aus Sachen, die einem zur Verfügung standen. Es gab natürlich auch ein Festessen. Ein Stückchen Brot mit Öl beträufelt und mit Zucker bestreut. Am Heiligen Abend breiteten wir ein Leinentuch auf den Tisch aus und schmückten unseren Ast mit Watte und kleinen Kerzen. Aus der Werkstatt hatte ich einen Eisenring mitgebracht, woran wir den Ast befestigten. Auf den Tisch legten wir die Päckchen, die jeder gebastelt hatte, und unser Festessen. Wir stellten uns um den Tisch, sangen „Stille Nacht“ und beteten das Vaterunser unter Tränen. Es wurde ein schöner, aber auch zugleich trauriger Heiliger Abend, denn unsere Lieben in der Heimat waren leider nicht bei uns.
Nachdem meine Heimreise schon einmal verschoben worden war, durfte ich am 24. Juni 1948 nach Hause. Die Heimfahrt dauerte eine Woche, und am 2. Juli konnte ich meine lieben Kinderchen und Eltern wieder in die Arme schließen. Am nächsten Tag brachten meine Kinder die Nachbarskinder mit und zeigten ihnen: „Jetzt haben wir unsere Mutti auch wieder!“
Elfriede Tontsch hat die Erzählungen ihrer Mutter Elfriede Paulini geb. Greger (Hausnummer 270) aufgezeichnet und für die „Briefe aus Brenndorf“ niedergeschrieben.
Elfriede Paulini