Unsere Kinderspiele in Brenndorf (Teil 1)

15. Dezember 2006

Allgemeiner Bericht

Otto Gliebe erinnert an die Spiele, die Mitte der vierziger Jahre in Brenndorf gespielt wurde. Sie waren für alle mitspielenden Kinder von hohem pädagogischen Wert. Denn sie lernten nicht nur spielerisch und unbewusst rechnen, sondern auch die Konzentration und Motorik der Bewegungen wurden ohne Zwang sehr gefördert.
Kaum, dass die ersten Sonnenstrahlen den nahenden Frühling ankündigten und die „Zeile“ beim „klenen Jekel“ (225) oder beim Schuster (226) trocken war, spielten wir Jungen in der Neugasse das Kugelspiel „an de Küch“. Dabei steckten die Hände die meiste Zeit in den Hosentaschen, weil die Luft noch recht rauh, oft sogar frostig war.

Jeder der Jungen hatte ein Säckchen, in welchem er die vielfarbigen, gebrannten Lehmkugeln sowie einige, bis zu einem Zoll großen Metall- oder aus buntem Glas gefertigte Kugeln aufbewahrte. Jeder einzelne Spieler versuchte, die Kugel eines seiner Mitspieler zu treffen, „zu hatzen“. Gelang ihm das, musste der „Gehatzte“ ihm eine seiner bunten Lehmkugeln abtreten. Der Spieler durfte nun versuchen, eine ander Kugel zu „hatzen“. Verfehlte er die Kugel, war der nächste Spieler an der Reihe. Auf diese Weise wechselten die bunten Lehmkugeln immer wieder ihre Besitzer. Eine Schande war es, wenn einer der Spieler keine Lehmkugel mehr besaß, denn dann musste er seine Glas- oder Metallkugel „verpfänden“ und durfte nicht mehr mitspielen, bis er seine Spielkugel wieder ausgelöst hatte.

Schien die Sonne ein wenig wärmer, kamen auch die Mädchen „auf die Gasse“ und spielten mit einem selbst gefertigten Ball, „Praifung“ – Prüfung. Dieser Ball war aus alten Strümpfen fest zusammengewickelt und mit einem starken Garn mit netzförmigen Stichen, zusammengenäht.

Dieses Ballspiel wurde an einer Hauswand gespielt und bestand aus 10 verschiedenen Übungen. Die erste Übung, folglich auch die Leichteste, musste einmal ausgeführt werden, die zweite Übung zweimal usw. bis zur zehnten Übung, welche zehn Mal ausgeführt werden musste. Wurde dabei ein Fehler gemacht, so dass der Ball die Erde berührte oder die Übung nicht richtig ausgeführt wurde, war man „petsch“. Nun war die zweite Spielerin an der Reihe ihre Künste zu zeigen. Gewonnen hatte, wer zuerst alle zehn Übungen fehlerlos bestanden hatte.

Folgende Übungen mussten fehlerfrei bestanden werden:
Ball an die Wand werfen und auffangen,
Ball unter dem erhobenen Fuß an die Wand werfen und auffangen,
Ball hinter dem Rücken an die Wand werfen und auffangen,
Ball an die Wand werfen, in die Hände klatschen und auffangen,
Ball an die Wand werfen und vorn und hinten in die Hände klatschen,
Ball mit dem Knie an die Wand spielen und auffangen,
Ball mit gefalteten Händen an die Wand spielen und auffangen,
Ball mit dem Kopf an die Wand spielen und noch einige andere Übungen.
Trafen sich zwei Kinder aus den Nachbarschaft hörte man den Schlachtruf:

„Kist tea Praifung? Oischt!“ Kommst Du Prüfung (spielen)? Erste!

Das Spiel war auch bei uns Jungen beliebt und oft spielten wir gemeinsam mit den Mädchen.

In diese Zeit fiel auch das „Hops-Spiel“. Als Vorlage zeichneten die Kinder ein Männchen auf die Zeile (siehe Skizze) und teilten dieses in zehn Kästchen, wobei die Beine mit 1; 2; 3; der Torso, mit zwei Diagonalen gekreuzt, mit 4; 5; 6; 7; der Hals mit 8; und der Kopf mit 9; und 10; beziffert wurden. Diese wurden zunächst einmal auf einem Bein durchgehüpft, wobei in den Felder 5-6 bzw. 9-10 beide Beine auf den Boden zu stehen kamen. Hier wurde mit einem Drehsprung gewendet und wieder zurück gehüpft. Nun mußte man in der gleichen Weise wieder alle Kästchen mit einem Dachziegelstückchen, das mit der Schuhspitze angeschubst wurde, bespielen und dabei achten, daß das Ziegelstück nicht auf einer Trennlinie liegenblieb oder aber ins übernächste Feld rutschte, sonst war man „petsch“.

Nachdem auch die Straße trocken war, gerieten diese Spiele in Vergessenheit und das Hauptspiel für die Jungen wurde nun der „Zirke“. Dazu brauchte man einen ca. 70 cm langen Besenstiel, welcher an einem Ende keilförmig abgeflacht wurde und den eigentlichen „Zirke“. Dieser war etwa 20 cm lang, aus demselben Besenstiel gefertigt und an beiden Enden kegelförmig zugespitzt. Das Spiel wurde von zwei Mannschaften gespielt und verlief wie folgt:

Von der spielführenden Mannschaft durfte der erste Spieler den „Zirke schappen“. Der Zirke wurde über ein in die Straße gemachtes Loch gelegt und mit dem „Zirkebotz“, dessen abgeflachtes Ende unter den Zirke kam, diesen so weit wie möglich, über die gegnerische Mannschaft zu schippen. Diese stand hintereinander in einer Reihe und versuchte nun den „Zirke“ mit den Händen zu fangen oder mit den Füßen zu stoppen. Wurde der Zirke in der Luft gefangen, war der Spieler „petsch“. Lag aber der „Zirke“ auf dem Boden, legte der „Schapper“ den „Zirkebotz“ quer über das Loch und einer der gegnerischen Spieler versuchte nun, den „Botz“ mit dem „Zirke“ zu treffen (hatzen). War dieses geschehen, war der Spieler auch „petsch“ und der 2. Spieler durfte „schappen“. Wurde der „Zirke“ gefangen und auch der „Zirkebotz“ gehatzt, fiel der Spieler auch für das nächste Spiel aus. Geschah aber keines von beiden so konnte das eigentliche Spiel beginnen. Der Spieler versuchte nun den liegenden „Zirke“ mit dem „Zirkebotz“ auf eines der angespitzen Enden zu schlagen, damit dieser in die Höhe springt und versuchte dann, den hochgesprungenen Zirke so oft wie möglich in der Luft zu berühren und nicht hinunterfallen zu lassen. Gleichzeitig versucht er auch, den „Zirke“ soweit wie möglich vom Loch, welches der Mittelpunkt des Spieles war, wegzuschlagen. Diese Übungen durfte er dreimal machen. Danach wurden die Anzahl der Berührungen mit der Anzahl der Schritte, vom liegenden Zirke bis zum Loch multipliziert und das ergab gewöhnlich eine stattliche Zahl von Punkten. Nun durfte der Spieler wieder „schappen“ und spielen bis er gefangen oder gehatzt wurde. Konnte der Spieler den Zirke in der Luft nicht berühren, war er auch „petsch“. Das ging so weiter bis beide Mannschaften gespielt hatten. Gewonnen hatte die Mannschaft mit den meisten Punkten. Das Spiel war nicht ungefährlich, aber sehr lehrreich, denn auf diese Weise lernten wir Kinder spielerisch rechnen.

Genau wie Zirke wurde auch Zifferzirke gespielt mit dem Unterschied, dass der Zifferzirke aus einem vierkantigen Holz angefertig war, auf dessen 4 Flächen die römischen Zahlen I; III; V; und X aufgemalt oder eingeschnitzt waren. Nachdem der Spieler nicht gehatzt wurde, schlug er zunächst einmal auf eine Spitze des ruhenden „Zirke`s“. Dieser sprang in die Luft und die Zahl, die nach oben zu liegen kam, war der erste Multiplikator. Mit diesem wurde dann das Ergebnis der Berührungen mit den Schritten nochmals multipliziert. Da dieses Spiel rechnerisch zu anstrengend war, wurde es nur ungern gespielt.

Das Zirkespiel wurde bis lang in den Sommer hinein gespielt und manches Fenster bzw. schmerzhafte Berührung, fiel diesem Spiel zum Opfer. Zwischendurch wurden auch andere Spiele gespielt, wie z.B. „Pillabretsch“ (Ballbrett).

(Fortsetzung hier)

Otto Gliebe

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