Muttertag: Gedanken zum Miteinander der Generationen

11. Mai 2008

Allgemeiner Bericht

Gedanken zum Muttertag und neuen Miteinander der Generationen von Pfarrer Helmut Kramer.
„Der HERR, unser Gott, sei mit uns, wie er mit unsern Vätern gewesen ist. Er verlasse uns nicht und ziehe die Hand nicht ab von uns. Er neige unser Herz zu ihm, dass wir wandeln in allen seinen Wegen und halten seine Gebote, Satzungen und Rechte, die er unsern (Müttern und) Vätern geboten hat.“ 1. Könige 8, 57-58

Das Vermächtnis an die nachfolgende Generation ist den Menschen im Alten Testament sehr wichtig gewesen. Immer wieder hören wir solche und ähnliche Worte, die vor allem eines wollen: der heranwachsenden Generation den Glauben an Gott, den Schöpfer und Retter in Erinnerung rufen. Diese Worte aus dem ersten Königbuch werden dem König Salomo zugeschrieben, jenem Manne, von dem es heißt, er sei besonders weise in seinen Entscheidungen und Handlungen gewesen, weil er den Herrn fürchtete und ihm vertraute. Sozusagen auf dem Höhepunkt seiner Macht versucht er, weniger gute Zeiten erahnend, sein Volk noch einmal auf die alten Verheißungen und Versprechungen Gottes zu verpflichten. „Der Gott unserer Väter Abraham, Isaak, Jakob gehe mit uns; er sei mit uns, wie er mit unsern Vätern gewesen ist. Er verlasse uns nicht und ziehe die Hand nicht ab von uns.“

„Der Gott unserer Väter und Mütter“... Irgendwie ist uns der Ausdruck von alters her auch bekannt.

In der siebenbürgischen Kirche hatten wir uns einst sehr stark mit den alttestamentlichen Verheißungen und Satzungsverpflichtungen verbunden gefühlt. Die Sehnsucht, Gediegenes und Bewährtes zu erhalten und das Bestreben, bewährte Traditionen zum Teil unter Inkaufnahme von erheblichen Opfern zu beschützen und fortzuführen, hat uns durch die Jahrhunderte hindurch geprägt. Nun haben wir in den letzten Jahren und Jahrzehnten noch eine andere Erfahrung gemacht: mit der alten Heimatkirche verbindet uns nur noch wenig und die Kirche hier ist uns nie so richtig Heimat geworden; kann wohl auch kein entsprechender Ersatz für Aufgegebenes oder Verlorenes mehr sein. Was früher noch als Recht und Ordnung galt, ist zerbröckelt, zerfallen, auseinandergelaufen. Die alten Zeiten werden nur noch in unseren Erinnerungen wach, im Alltag sind sie schon lange verblasst. Die ältere Generation hat zwar hin und wieder noch eine Ahnung von der Stärke jener alten Verheißungen, die zu tun hatten mit einem Hauch von Zuhause und die Orientierung gaben: „Der HERR, unser Gott, sei mit uns, wie er mit unsern Vätern gewesen ist. Er verlasse uns nicht und ziehe die Hand nicht ab von uns“. Aber wie steht es um die jüngere Generation? Sie wächst hinein in ein gesellschaftliches Umfeld, das zwar bunt zusammengesetzt ist; dem sich durch moderne Technik und Kommunikation zum Teil noch gar nicht erschlossene Möglichkeiten auftun; und doch ist dieses Umfeld zugleich eine wenig definierbare Mischung aus Spaßgesellschaft und Untergangskultur, in der Werte immer weniger zählen; in welcher der Einzelne es immer schwerer hat, zu sich selbst und zu den anderen zu finden.

Auf diesem Hintergrund kann leicht die Befürchtung aufkommen, dass sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten zwischen den Älteren und den Jüngeren so etwas wie eine Kluft zwischen den Generationen aufgetan hat: die ehemalige Mühe der Älteren, die Jungen auf das Leben vorzubereiten, ist weitestgehend einer Scheu vor dem Neuen gewichen und einem eher verkrampften Umgang mit der jungen Generation, aus Furcht, in den Entwicklungen der Neuzeit nicht mehr mithalten zu können. Ich glaube darum, dass das Gedenken am Muttertag eine doppelte Funktion und Aufgabe hat: Es will die Älteren an ihre Pflichten erinnern, jenes Vermächtnis, das getragen und geprägt hat, weiterzugeben: Wie soll die jüngere Generation Werte mitbekommen und in ihrem Alltag umsetzen können, wenn nicht von der älteren? Machen wir uns nichts vor: Es geht um Werte, die Gesellschaftsformen und -strukturen überdauern. Über den Ostblock hieß es, der Kommunismus habe ganze Generationenketten ausgehöhlt und die Weitergabe von guter Tradition und gutem Recht vereitelt. Das Ergebnis sei allgemeine Entfremdung und Gottlosigkeit. Jedoch auch die westliche Wohlstandsgesellschaft muss sich bescheinigen lassen, dass geprägte und gewachsene Strukturen verlorengegangen sind – nur die Umstände, die dazu führten, waren andere. So bleiben wir gefragt, was wir für unsere Kinder noch einzusetzen bereit sind, damit sie in Zukunft sensibilisiert sind für ein gesellschaftsfähiges Miteinander.

Und die jüngere Generation bleibt gefragt, wie sie mit der älteren umgeht und sie respektiert. Junge Menschen wissen alles besser und stehen häufig in der Versuchung, die älteren wegen ihrer veralterten Anschauungen zu verachten. Was ist aber mit dem Schatz an Werten, den die Alten noch kennen? Gerade darum: Fragen wir einmal mehr nach einem neuen Miteinander zwischen den Generationen. Wie das gemeint ist?

Zu Mark Twain kam einmal ein junger Mann und klagte ihm sein Leid: „Ich komme mit meinem Alten nicht mehr zurecht. Ständig hat er etwas auszusetzen, ständig meckert er herum; ich glaube, ich werde ausziehen.“

„Junger Mann“, entgegnete Mark Twain: „trösten Sie sich – die Alten werden mit den Jahren immer besser. Ich habe es selbst erlebt: als ich sechzehn war, hatte ich nur Zoff, mit 18 ging ich aus dem Hause, als ich dann 25 war, konnte ich wieder vernünftig mit ihm reden; als ich 35 wurde, waren wir die besten Kumpels. Heute bin ich 45 – und Sie glauben es nicht: wenn ich einen Rat brauche, dann gehe ich zu meinem alten Vater.“ Ich wünsche uns allen, dass wir wieder etwas entdecken von der Tiefe jener Worte: „Der HERR, unser Gott, neige unser Herz zu ihm, dass wir wandeln in allen seinen Wegen und halten die Gebote, die er unsern Müttern und Vätern geboten hat.“

Pfarrer Helmut Kramer

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