Brenndorfs letzter sächsischer Richter: Hans Kreisel

17. April 2008

Allgemeiner Bericht

Hans Kreisel aus Brenndorf, Kirchengasse Nr. 13, hat über 15 Jahre lang als Vizerichter und Richter (Bürgermeister) unserer Gemeinde vorbildlich gedient. Aus Anlass seines 50. Todestages wird ein Artikel nachgedruckt, der in den „Briefen aus Brenndorf“, Folge 34 von Weihnachten 1992, erschienen war. Damit wurde die neue Reihe „Siebenbürgens Schicksal und Erbe“ eröffnet, die führenden Persönlichkeiten gewidmet ist und der jüngeren Generationen unserer Dorfgemeinschaft Gelegenheit bieten soll, etwas aus der jüngsten Vergangenheit unserer Gemeinde zu erfahren.
Hans Kreisel wurde am 12. September 1892, als Sohn von Hans Kreisel und Anna, geborene Ließ, geboren. Eine glückliche Kindheit erlebte er zusammen mit seinen beiden älteren Schwestern Anna und Emma und der jüngeren Ottilie, auf dem gutgehenden elterlichen Hof, auf dem er in ein geregeltes und trautes Familienleben und den Betrieb eines sächsischen Bauernhofes hineinwuchs. Er war ein gutmütiger, fleißiger und geweckter Junge, der neun Klassen der Brenndörfer Volksschule – damals gingen die Jungen neun und die Mädchen acht Jahre lang in die Schule – als Vorzugsschüler absolvierte.

Darauf folgten noch zwei Jahre Ackerbauschule in Marienburg, denn er war dazu berufen, den elterlichen Bauernhof zu übernehmen.

Der 1. Weltkrieg führte ihn, von Anfang bis zum Ende, als Honvedsoldat (Kavallerie) an die Front. Er kämpfte in Galizien und auch am Isonzo (Italien) und wurde mit hohen Orden ausgezeichnet und sehr bald zum Korporal und Unteroffizier befördert. Als er 1918, nach dem Zusammenbruch der österreichisch-ungarischen Monarchie entlassen wurde, fand er daheim eine Bauernwirtschaft vor, in der schon seit 1916 die Bäuerin fehlte, da seine Mutter verstorben war und ihre Stelle vorübergehend von der jüngsten Tochter des Hauses eingenommen wurde.

Er heiratete 1919 Anna, geborene Kaufmes, und brachte so eine neue „Wirtin“ auf den Hof, den er kurze Zeit darauf von seinem Vater übernahm.
Der letzte sächsische Richter von Brenndorf: Hans ...
Der letzte sächsische Richter von Brenndorf: Hans Kreisel (sitzend, Erster von rechts) mit seiner Familie, sitzend von links: Anna Kreisel, Sigrid, Detlev und Karin Hermannstädter; stehend, von links: Hans Hermannstädter und Hanni geb. Kreisel sowie Emmi geb. Kreisel und Fritz Reiss anlässlich ihrer Verlobung 1951.
Hans Kreisel war ein fortschrittlicher Bauer, der seinen Hof mit Umsicht und Gewissenhaftigkeit führte und mit der Zeit weiter ausbaute: Schweinestallungen, Geräteschuppen, Futtersilos, eine moderne Miststätte usw.

Seine besondere Art zu sein, seine Gutmütigkeit und betont klugmenschlichen Charaktereigenschaften, seine aufrechten Meinungen, seine Offenheit, führten dazu, dass er beliebt und von den Gemeindemitgliedern ein geachteter Nachbar wurde, der sehr bald in die Gemeindevertretung und ins Presbyterium gewählt und schließlich auch Ortsrichter von Brenndorf wurde.

Dieses Amt hat er mit Umsicht und Treue geführt. Die Gemeinde wurde gut geleitet und gehörte wirtschaftlich zu den angesehensten und fortschrittlichsten Gemeinden des Burzenlandes, insbesonders, nachdem er den Anschluss der Zuckerfabrik und der Radiostation an die Gemeinde durchgesetzt hatte. Die Gemeinde erlebte einen noch nie dagewesenen wirtschaftlichen Aufschwung.

Die Wende, am 23. August 1944, sowie der Frontwechsel, fanden Hans Kreisel in seinem Amt als Ortsrichter. Da er auch bei der rumänischen Bevölkerung der Gemeinde beliebt und angesehen war, ist er von einer Inhaftierung bzw. Internierung verschont geblieben.

Am 24. August wurde die Radiostation von deutschen „Stukas“ bombardiert und teilweise außer Funktion gesetzt. Am selben Tag bewegten sich deutsche Truppenverbände aus St. Georgen (Ungarn) in Richtung Radiosender mit dem Auftrag, die Radiostation zu besetzen und die rumänischen Truppen zu vernichten. Der Direktor des Radiosenders und der Kommandant der Besatzungstruppen riefen im Rathaus an und forderten vom Ortsrichter Hans Kreisel, er solle sich unverzüglich zur Station begeben, um sich als Vermittler zwischen Verteidigern und Angreifern einzuschalten. Unnötiges Blutvergießen, sinnlose Zerstörung sollten vermieden werden.

Seiner Verantwortung bewusst, das Gut der Gemeinde schützen zu müssen und in der Erkenntnis sinnloser Kampfhandlungen, nahm er sein Fahrrad, band an die Lenkstange ein weißes Tuch und fuhr zwischen beiden Fronten zur Radiostation. Es hatte schon erheblichen Feuerwechsel gegeben, denn die Angreifer hatten sich rechts von der Straße verschanzt. Er fuhr ohne Furcht, denn der alte Frontkämpfer kannte das Pfeifen der Gewehrkugeln.

Nach stundenlangen Verhandlungen, es wurde später Abend bis zu seiner Rückkehr nach Hause, ist es ihm gelungen, den Hauptmann und seine Truppen zu einem Rückzug nach St. Georgen zu bewegen. Eine Kampfhandlung hätte nämlich auch für die Bewohner von Brenndorf verheerende Folgen gehabt.

Diese entschlossene und mutige Tat, bei der Hans Kreisel auch sein Leben eingesetzt hatte, verdient die Anerkennung, die ihm damals von den Behörden gezollt wurde. Sie sollte aber auch von der Bevölkerung Brenndorfs nicht vergessen werden.

Hans Kreisel wurde, trotz allem, eine Woche nach dem 23. August 1944 seines Amtes enthoben – er war der letzte sächsische Ortsrichter von Brenndorf. Leider ist der tapfere Mann am 17. April 1958, mit nur 68 Jahren, für seine Familie und seine Gemeinde, viel zu früh, verstorben.

Hans Hermannstädter

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