Vor 25 Jahren: Erdbeben in Brenndorf

4. März 2002

Mitteilungen der HOG

Das Erdbeben vom 4. März 1977, zu später Abendstunde, forderte durch einstürzende Gebäude über tausend Menschenopfer in Bukarest und anderen Städten Rumäniens. Aus Anlass des 25. Jahrestages erinnert Pfarrer Helmut von Hochmeister an die erschütternden Ereignisse und die Reparatur der stark beschädigten Kirche in Brenndorf.
Unbeschreiblich gewaltige, ganz schreckliche Erdstöße (ich hatte das Gefühl, mein Kopf werde mir vom Leib gerissen), gefolgt von Erschütterungen und ohrenbetäubendem Lärm, ausgelöst durch die einstürzenden tonnenschweren Rauchfänge und Dachteile, waren plötzlich blitzartig da - bedrohliche, Angst- und Panik auslösende Wirklichkeit.

Der etwa vier bis fünf Meter lange Weg zum schutzverheißenden Türstock schien unendlich weit. Das Pfarrhaus in Brenndorf wankte wie ein Kahn auf stürmischem Meer durch das – in Bruchteilen von Sekunden – sich wiederholende "Beben der Erde“. Es war richtige Weltuntergangstimmung.

Das Beben hatte aufgehört, doch die Glocken läuteten weiter. Der Kirchturm war in heftiges Schwingen geraten. Menschenleben waren in Brenndorf nicht zu beklagen. Gott sei Dank. Kirche und Turm wurden polizeilich gesperrt. Sie wiesen bedrohliche Risse und Schäden auf. Viele Häuser und Wirtschaftsgebäude im Ort, so auch das Pfarrhaus, hatten schwer gelitten. Die diesem gewaltigen Ereignis folgende Konfirmation des Brenndörfer Geburtsjahrgangs 1962/63 musste in die Evangelische Kirche zu Petersberg verlegt werden. Die Gottesdienste wurden im Betsaal, auf dem Pfarrhof, abgehalten. Trauer - und Abschiedsfeiern wurden vorübergehend mit einer Tonbandaufnahme der "Brenndörfer Glocken " eingeleitet. Noch im gleichen Monat kamen in Brenndorf Gerüste und Apparaturen an, die das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche aus Deutschland an die Evangelische Landeskirche in Rumänien geschenkt hatte. Die Renovierungsarbeiten mussten beginnen, obwohl noch kein Projekt vorhanden, geschweige denn genehmigt war.
Arbeiten an dem Brenndörfer Kirchturm nach dem ...
Arbeiten an dem Brenndörfer Kirchturm nach dem Erdbeben (1977).
Um das unübersehbare, große Renovierungswerk voranzubringen, wurde von den einzelnen Beitragszahlern ein um 200 Prozent erhöhter Kirchenbeitrag und ein Arbeitseinsatz von mindestens 30 unbezahlten Arbeitsstunden eingefordert. Diese Leistungen die vorgesehenen Arbeitsstunden wurden von vielen Brenndörfern großzügig überschritten waren etwa die Hälfte des Kostenbetrages von 300 000 Lei, der in einem in die Geschichte eingegangenen Kurzbericht der Kirchlichen Blätter 1/1978 erwähnt wurde.

Die andere Hälfte überwies die Landeskirche beim Abschluss einzelner Bauabschnitte an die Kirchengemeinde Brenndorf als „Bauhilfe“. Das Landeskonsistorium verteilte die auf sein Konto eingeflossenen Spenden der Evangelischen Kirchen aus Deutschland - nach eigenem Ermessen - an die einzelnen, vom Erdbeben betroffenen Kirchengemeinden in Siebenbürgen.

Eine große Hilfe für uns war die Anstellung von Edmund Martini als technischer Bauleiter. Die Gebrauchs-Anweisungsbücher sämtlicher Apparaturen waren beim Transport "verloren gegangen". Dank seines vielfältigen Wissens konnten die "Maschinen" in Gang gebracht und fachgerecht gewartet werden. Zu Beginn wurde der Turm von außen in ein Stahlkorsett aus Schienen eingebunden. Dann wurden Stahlstangen mit Festigungsplatten von außen in insgesamt 64 Bohrlöcher eingeführt und innen, in der Turmmitte, mit links-rechts Gewindevorrichtungen zusammengeschraubt. Schließlich wurden alle Risse auch in 20 Meter Höhe – mit Hilfe einer „Putzmeister“-Hochdruckpumpe ausgefüllt. Das Kirchendach wurde – entgegen allen Arbeitsschutzmaßnahmen (Mangel an Mitteln) - frisch gedeckt. Zu bestaunen war der risikoreiche Einsatz vieler Jugendlicher und Männer, die unsere bleibende, dankbare Hochachtung verdienen.

In der Kirche musste ein neuer Fußboden gelegt werden. Neue Kirchenbänke, mit Lehnen, wurden für die Frauen angeschafft. Mit viel Mühe wurde die ganze Kirche fachgerecht ausgemalt.

Außer dem Meister der Landeskirche und den freiwillig schaffenden eigenen Meistern und Helfern der Gemeinde führten vor allem die Mitglieder der Blasmusik, unter der organisatorischen Leitung ihres Dirigenten Walter Dieners und der bautechnischen Führung und Verantwortung von Georg That, tagtäglich, als Baugruppe, in allen Fachrichtungen einen wesentlichen Teil der großen Renovierungsarbeit – mit bescheidenem Stundenlohn – durch. Baumaterialien gab es im öffentlichen Handel nicht. Sie wurden mühevoll beschafft und gut bezahlt!

Zu den erfreulichen Stunden jener sorgenschweren Zeit gehörte der uns aufbauende Freundschafts- und Heimatbesuch des Vorsitzenden der „Dorfgemeinschaft der Brenndörfer“ (HOG Brenndorf), Otto Gliebe. Auf diesem Wege sei ihm und den damaligen Mitgliedern der Heimatortsgemeinschaft – gelegentlich des 25-jährigen Bestehens der HOG Brenndorf genannten – für die vielfältigen Hilfen nochmals herzlich gedankt.

Die Kirche wurde am 6. November 1977 von Bischof D. Albert Klein wieder eingeweiht. An diesen Tag erinnern wir uns ALLE mit Dankbarkeit und Freude! In Hermannstadt wurde damals in den Amtsräumen der Landeskirche und in den Sitzungen des Landeskonsistoriums mit viel Anerkennung über die fleißigen, opferbereiten Mitglieder der Kirchengemeinde Brenndorf, die sich auch als Bläser, Sänger und Redner (besonders Kurator Reinhardt Wutschi) ausgezeichnet hatten, gesprochen.

Zum wunderbaren Erlebnis des Jahres 1977 wurde uns auch das Pfingstfest, an dem – nach langer Unterbrechung – unsere Glocken wieder läuteten.

Anlässlich des Pfingstfestes 2002 wünsche ich allen ehemaligen und heutigen Mitgliedern der Evangelischen Kirchengemeinde Brenndorf sowie ihren Familienangehörigen gesegnete Feiertage.

Pfarrer i. R. Helmut von Hochmeister

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