Bewegtes Jahrhundert erlebt: Rosa Schuster feierte 100. Geburtstag

10. Oktober 2003

Mitteilungen der HOG

Rosa Schuster, geborene Darabas, feierte am 5. Oktober 2003 in Fürstenfeldbruck ihren 100-jährigen Geburtstag.
Die Jubilarin hat ein sehr bewegtes und wechselhaftes Jahrhundert erlebt. Als Tochter der Sofia und des Thomas Darabas wurde sie in Brenndorf in Siebenbürgen geboren, das damals zu Österreich-Ungarn gehörte. Ihr Vater starb an ihrem dritten Geburtstag, am 5. Oktober 1906. Die Mutter hatte es nicht leicht mit sieben Halbwaisen. Die letzten beiden Kinder, das Zwillingspaar Hans und Rosi, kamen im Januar 1906 zur Welt. Den Kindergarten und die Volksschule bis zum 12. Lebensjahr besuchte Rosa Schuster in Brenndorf. Im Februar 1916 wurde sie von ihrer älteren Schwester Sofia nach Chitid (ungarisch Kidit), in ein kleines rumänisches Dorf bei Simeria (ungarisch Piski) in der Gegend von Hunedoara, geholt. Deren Ehemann, Kallo Janos, war dort Polizeichef. In Kitid wurde nur bis zur vierten Klasse Ungarisch unterrichtet, und so fiel für Rosa Darabas, die eine begabte Schülerin war, der Schulbesuch und damit die Chance, einen Beruf zu erlernen, leider weg.
Die 100-jährige Rosa Schuster mit ihren beiden ...
Die 100-jährige Rosa Schuster mit ihren beiden Töchtern Rosi (links) und Hilde Schuster.
Im ersten Weltkrieg, im Herbst 1916, flüchtete die Jubilarin mit der Familie ihrer Schwester nach Westungarn. Vor Wintereinbruch 1916 kehrten sie nach Kitid zurück, im Lutherjubiläumsjahr 1917 wurde Rosa in Batiz, unweit von Piski (Simeria), konfirmiert.

Schöne Erinnerungen verbinden sie zu ihrem Heimatort, den sie gelegentlich besuchte. So erlebte sie im Herbst 1917 vier unvergessliche Tage in Brenndorf. „Es war Sonntag, der 20. November 1917, Mutters 51. Geburtstag, zugleich Totengedenktag. Vormittag gingen wir in die Kirche, von hier aus ging die Gemeinde geschlossen zum Heldenfriedhof am Ende der Schulgasse. Damals gab es noch keine Friedhofsmauer wie heute. Zwölf deutsche Soldaten hatten, ganz einfach umfriedet, hier ihre Ietzte Ruhe gefunden. Hier hielt Rektor Graef eine Ansprache, die Blasmusik spielte das Lied vom guten Kameraden. Geschlossen ging die Gemeinde wieder heim. Am Abend gab es noch einmal im großen Saal eine Totenehrung. Hier traf ich zum letzten Mal meine Schulfreundinnen. Sie waren so ganz anders als ich und konnten so viel erzählen, von dem ich keine Ahnung hatte. Die paar schönen Tage gingen schnell zu Ende“, erinnert sich die Hundertjährige.

Im November 1918 flüchtete Rosa Schuster wieder mit der Familie ihrer Schwester nach Ungarn, wo sie mehr als fünf Jahre leben sollte, um dann in ihre Heimatgemeinde zurückzukehren. „Am 21. März 1924, es war Frühlingsanfang, stieg ich auf dem Bahnhof Zuckerfabrik Brenndorf aus. Schwester Anni erwartete mich. Es war ein schöner warmer Frühlingstag. Es war kaum zu glauben, aus dem tiefen Winter in den schönen Frühling zu fahren, wo die Leute auf den Feldern ihren Acker bestellten. So fing für mich in der Heimat ein neues Leben an. Die Freundinnen waren alle verheiratet. Ich stand immer allein, habe damals viel geweint.“ Rosa Schuster fand sich in Brenndorf nicht zurecht und fühlte sich ausgeschlossen. Deshalb lebte sie von 1924 bis 1927 in Temeswar, wo ihr Bruder als Vermessungsingenieur arbeitete und wo sie eine gute Stelle als Kindermädchen fand. Seit 1927 wieder in Brenndorf lebend, heiratete sie im Januar 1933 Georg Schuster, der als Beamter in der Zuckerfabrik von Brenndorf angestellt war. Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor. Das zweite Kind, ein Junge, starb 1935 drei Tage nach der Geburt. Von 1943 bis 1962 lebte die Familie in der Kolonie der Zuckerfabrik Brenndorf und danach wieder in Brenndorf. Nach zehnjähriger Wartezeit erhielten das Ehepaar und die beiden Töchter Rosa und Hilde die Ausreisegenehmigung in die Bundesrepublik Deutschland. Sohn Georg, der inzwischen geheiratet hatte, blieb zunächst mit seiner Familie in Kronstadt zurück. Am 23. August 1973 reisten sie aus und lebten sich in der neuen Heimat gut ein. Der Ehegatte, Georg Schuster, starb am 16. Juli 1987. Die Jubilarin wird in ihrer Wohnung in Fürstenfeldbruck in Oberbayern von ihren beiden Töchtern betreut. Neben ihren drei Kindern zählen zwei Enkel und eine zweijährige Urenkelin zum stolzen Nachwuchs.

Seitens der "Dorfgemeinschaft der Brenndörfer" gratulierte Hugo Thiess mit einem schönen Blumenstrauß und wünschte Rosa Schuster alles Gute, vor allem Gesundheit und viel Glück im Kreise ihrer Lieben.

Siegbert Bruss

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