"Farrescharen" in Kleinprobstdorf

30. Juli 2006

Allgemeiner Bericht

(Kornernte, die für den Pfarrer eingebracht wurde)
Zum Brauchtum in Kleinprobstdorf gehörte unter anderem auch der "Farrescharen". Wenn die reifen Weizenhalme ihre Ähren neigten, war der Zeitpunkt gekommen, zu dem die Dorfjugend für einen Tag einsatzbereit war, um die Ernte des Pfarrers einzubringen. Vermutlich stammt dieser Brauch noch aus der Zeit des "Zehnten".
Der "Herr Vueter" (Herr Pfarrer) verfolgte täglich das Barometer und wenn dieses gutes Wetter anzeigte, wurde der Erntetermin festgelegt. Die zwei jüngsten Burschen und Mägde setzten die Jugend darüber in Kenntnis.
Schon Tage vorher bereiteten sich die jungen Erntehelfer auf dieses Ereignis vor. Bei den Müttern der Mädchen setzte ein emsiges Wetteifern ein. Neue Röcke wurden angeschafft und die Strohhüte mit Bändern geschmückt, die phantasievoll an der Kopfbedeckung angebracht wurden. Die Burschen erhielten neue blaue Schürzen.

Auch auf dem Pfarrhof kamen geschäftige Vorbereitungen in Gang. Die "Frau Motter" (Frau Pfarrer) lud die Kuratorin und die beiden Kirchenmütter zu einer Besprechung ein und bat um deren Hilfe. Am Vortag der Ernte stellten sich die Würdeträgerinnen schon frühmorgens auf dem Pfarrhof ein. Zwei Mulden Brot wurden gebacken. Während des Backvorgangs "schnetzelten" die Frauen das Sauerkraut und füllten die Blätter mit Hackfleisch. In große gußeiserne Töpfe schichtete man das "Geschnetzelte" und die Krautwickel und schob sie, nachdem man das Brot vom Herd geholt hatte, in den heißen Ofen, wo die kulinarischen Zutaten bei gleichmäßiger Wärme langsam garten. Bereitgestellt wurden am Vortag Tische und Geschirr.

Am Erntemorgen beim Frühkirchläuten (so nannte man das Läuten der Morgenglocke) versammelten sich die Jugendlichen vor dem Pfarrhof. Die älteren Burschen brachten ihre gedengelten Sensen und die Mädchen die geschärften Sicheln mit. Waren die jungen Menschen vollzählig anwesend, traten sie ins Pfarrhaus ein, wo die gedeckten Tische auf sie warteten. Zum Frühstück aß man Kartoffel- oder Nudelsuppe, letztere als "ägebrat Fleckel" bekannt. Das ist eine Gemüsebrühe mit eingekochten Nudeln und mit Mehlschwitze eingedickt.
Vor dem Essen sprach der Pfarrer ein Tischgebet, zu dem sich alle erhoben. Dem Brauch gemäß machte erst eine Flasche Treberschnaps die Runde.
Nach der Mahlzeit trat man den Weg hinaus aufs Feld an. Die älteren Burschen mähten die Halme, die von einigen Mägden zu Garben zusammengelegt und von den jüngeren Knechten zu Haufen geschichtet wurden. Die anderen Mädchen schnitten das Korn mit der Sichel. Um 10 Uhr gab es eine Brotzeit. Erfrischung bot das herrliche Wasser der "Schreiwerbrannen"-Quelle. Hierbei muss erwähnt werden, dass viele Landsleute, wenn sie zu Besuch in der alten Heimat weilen, an diese Stelle hinausgehen, um in Erinnerungen zu schwelgen und sich an dem unvergleichlich guten und schmackhaften Wasser zu laben.
Gestärkt durch Speis und Trank nahm man dann die Arbeit wieder auf. Mit dem Pferdewagen fuhr der Pfarrer 12 Uhr das Mittagessen, bestehend ans Bohnenmus (geriebenen Bohnen) mit gekochtem Speck, gerösteten Zwiebeln und Gurkensalat, aufs Feld. Der Topf mit den Bohnen wurde in viele Decken eingewickelt, damit das Essen warm blieb. Nach der konsistenten Stärkung schenkte ein Mittagsschläfchen im Schatten der Bäume Erholung. Etwa 14 Uhr ging man erneut an die Arbeit.
Zwei Stunden danach ließ man sich Brot, Speck und Zwiebeln gut schmecken. Wenn sich die Sonne am Horizont immer tiefer senkte, um sich vom Tag zu verabschieden, traten die fleißigen Ernteeinbringer den Heimweg an.
Vor dem Pfarrhof sangen sie drei Lieder und überreichten der Pfarrerin die auf dem Feld von kundigen Mädchenhänden gebundene Ährenkrone mit der Bitte, sie aufzubewahren und am Erntedankfest auf den Altar zu legen. Danach wurden die Jugendlichen zum Abendessen ins Haus gebeten.
Ein Stamperl Schnaps diente als Appetitanreger zum "gefüllten Kraut". Der Kurator und die beiden Kirchenväter waren jetzt auch geladene Gäste. Der Pfarrer hielt eine kurze Ansprache, in der er der Jugend für ihre Hilfe dankte und nicht zuletzt Gott für den Erntesegen pries. Nach dem Tischgebet genossen alle das Essen, zu dem auch Wein gereicht wurde.
In gemütlicher Runde, in der viele altvertraute Weisen ertönten und der Pfarrer Andreas Guttner gerne "Tschiripikgeschichten" (Zigeunergeschichten), die sich bei der Jugend großer Beliebtheit erfreuten, erzählte, klang der mühevolle, aber gesegnete Tag aus. Im Jahre 1942 wurde aufgrund der politischen Lage der Brauch der Kornernte für den Pfarrer eingestellt.
Manch Außenstehender mag das Ereignis als Fronarbeit bezeichnen, doch die älteren Generationen, die daran teilgenommen haben, wissen, dass dieser Erntetag auch mit freudvollen und festlichen Stunden verbunden war.

Gertrud Grigori, Lehrerin im Ruhestand

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