Weihnachten in Meeburg

Die Winter- und Adventszeit war auch in einem etwas isolierten Ort wie Meeburg eine Zeit der Ruhe und Besinnung, in der so manch künstlerisch Begabte keine Feldarbeiten verrichten musste, sondern sich kunsthandwerklich beschäftigte, und so befinden sich heute begehrte Meeburger bemalte Möbel in vielen Ländern von Siebenbürgen bis Nordamerika.
In den 20er und 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts konnte man in der Meeburger Sakristei ein etwa 1,5 Meter hohes pyramidenförmiges Holzgerüst bestaunen. Es war bemalt wie fast alle Meeburger Möbelstücke, weil in Meeburg im Repser Ländchen über Generationen hinweg die traditionellen Küstler der siebenbürgisch-sächsischen Möbelmalerei zuhause waren, worüber auch Roswith Capesius in der „Siebenbürgisch-sächsischen Schreinermalerei“ 1983 berichtet.
Das erwähnte Holzgerüst war ein Leuchtert, der mit Kerzen und anderen Dingen reichlich geschmückt wurde, und den man so allgemein in Siebenbürgen früher etwa zwischen Weihnachten und dem Fest der Drei-Heiligen-Könige bewundern konnte. Mancher siebenbürgische Leuchtert sieht den Weihnachtspyramiden in Mitteleuropa ähnlich. Wann der reichgeschmückte Weihnachtsbaum den Leuchtert in Meeburg endgültig ersetzt hat, ist heute nicht mehr bekannt.
Im Winter begannen die eigentlichen Feiertage mit Weihnachten. Der Höhepunkt war hier der Heilige Abend, in Meeburg Christnacht genannt.
Bevor die Glocken am Abend auf dem sächsischen Kirchturm den Gottesdienst einläuteten, trugen die Frauen noch einen mit Kerzen geschmückten Tannenkranz ihren verstorbenen Nächsten auf den Friedhof. Danach füllte sich das kleine Gotteshaus so sehr mit seinen Kirchenmitgliedern, daß manchmal beispielsweise einige Burschen sogar in der Nische über der Burschenempore Platz nehmen mußten, was sonst nicht geschah. Den Kindern blieb dieser Abend immer in schöner Erinnerung, denn gleich nach dem Gottesdienst wurden sie unter dem geschmückten Weihnachtsbaum vor dem Altar von den Frauen im Kirchengemeindevorstand (Presbyterfrauen), manchmal auch vom Weihnachtsmann, reichlich mit Früchten und Gebäck - in der Nachkriegszeit auch mit Spiel- und Schreibzeug - beschenkt. Schließlich hatten sie ja ihre Gedichte und auch die Weihnachtsgeschichte gelernt und sie vorher vor der Kanzel (Predigerstuhl), vor der versammelten Gemeinde, vorgetragen.
Nach dem Abendgottesdienst wurde gewöhnlich um 22:00 Uhr wieder geläutet und danach blies die Blasmusik (Adjuvanten) auf dem Kirchturm drei Choräle, die in der ganzen Ortschaft zu hören waren, während gewöhnlich der fallende Schnee unaufhörlich rieselte. Dazwischen ertönten die zwei- und dreistimmig gesungenen Choräle. Darauf wurde die Christnacht nicht nur von der Jugend, die zu diesem Gottesdienst nicht in der traditionellen Festtracht erschienen war, in geselligem Beisammensein gefeiert, sondern auch von den Verheirateten.
Am ersten Weihnachtstag (Christtag) läuteten die Glocken schon 6:00 Uhr in der Früh den Morgengottesdienst (Frühkirche) ein.
Um 11:00 Uhr begann der Hauptgottesdienst für die ganze Kirchengemeinde. Die Mädchen warteten wie gewöhnlich neben der Kirchentreppe vor dem Eingang zum Kirchhof, bis der Mesner (Burghüter) mit allen drei Glocken "zusammengeläutet" hatte, dann betraten sie, hinter dem Pfarrer schreitend, das Gotteshaus. Inzwischen hatten sich fast alle Gemeindeglieder eingefunden.
Als eine Eigenheit des Meeburger Gottesdienstes können die Lieder betrachtet werden, die der Kirchenchor vierstimmig auf der Orgelempore sang, sowie jene, welche die Frau Lehrerin Sara Kraus in der Zwischen- und Nachkriegszeit vortrug - oft begleitet von den Violintönen des Notärs Fritz Meburger.
Die Kirchgänger waren in ihrer Festtracht gekleidet, wie sie am ersten Feiertag getragen wurde (die Mädels waren nun im Vergleich zur "Frühkirche" mit dem "Pantier"-Band um den Kopf geschmückt, bekleidet mit dem schwarzen krausen Mantel statt dem blauen). Am Nachmittag läuteten die Glocken um 15:00 Uhr den Nachmittagsgottesdienst (Vesper) für die Jugend ein.
Der zweite Weihnachtstag wurde etwas geselliger gefeiert. Der Morgen- und der Hauptgottesdienst wurden ähnlich wie am Vortag abgehalten. Am frühen Nachmittag fand das Treffen (Zugang) der Jugend statt, und zwar jenes der Burschen gewöhnlich im Saal in der Schule, das der Mädels im Haus der Altmagd oder der Wortmagd. Ab 15:00 Uhr fand der Nachmittagsgottesdienst für die Jugend statt und danach folgte im Saal ihre Tanzveranstaltung, wozu die Blasmusik aufspielte. Am Abend des zweiten Weihnachtstags feierte man in Meeburg den sogenannten "Stevesabend". Dafür versammelte sich die Familie bei den Großeltern väterlicherseits, wo sie das frische Schweinefleisch und den diesjährigen Schnaps ausprobierte. Die Jugendlichen kamen vom Tanz auch für eine kurze Zeit hinzu.
Am dritten Weihnachtstag ging die Jugend nur zum Morgengottesdienst, am Nachmittag wurde der Tanz vom Vortag im Saal fortgesetzt, wo immer viele Frauen als Zuschauerinnen teilnahmen.
Nach M. Schuller, W. Schuster, O. Zerwes: Meeburg, das siebenbürgisch-sächsische Dorf an der Mädelkoppe, Wort und Welt Verlag, Innsbruck, 1994

M. Schuller, W. Schuster, O. Zerwes

Meeburg, das siebenbürgisch-sächsische Dorf an der Mädelkoppe
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