Die Leuchterburschen aus Neppendorf

von Josef Reisenauer - Kurator von Neppendorf März 1936 Neugasse Hnr. 700. Dies ist, wie ich weiss, ein kirchlicher Brauch in Neppendorf. Ich weiss nicht ob dieser Brauch noch in irgendeiner anderen Gemeinde gepflegt wird, weiss aber dass er in Neppendorf urkundlich 1779 das erste mal erwähnt ist und seit 1856 bis heute zu verfolgen ist. Die Christleuchter (ein geschmückter Kunstbaum) haben verschiedene Männer jedes Jahr hergestellt. Zwischen 1899-1910 hat die Christleuchter Mathias Köber von Hnr.486, geb.1856-1911, angefertigt. Dann übernahm diese Arbeit Andreas Nutz von Hnr. 879, geb.1868-1921, und führte sie bis 1920 aus. Nach seinem Tode hat Michael Neff von Hnr.21, geb.1891-1979, bis ins Jahre 1930 die Christleuchter hergestellt Im Jahre 1931 wird diese anspruchsvolle Arbeit wieder von der Familie Köber von Hnr.486 übernommen. Josef Köber, geb. 1906 und seine Familie leisten diese schöne ,künstlerische Arbeit bis heute, zur Freude aller Neppendörfer und zur Bewunderung vieler Auswärtigen. Nun möchte ich auch die Aufgaben der Leuchterburschen beschreiben. Schon im November organisierten sich 20 Burschen, die noch in demselben Schuljahr konfirmiert wurden, in 4 Gruppen, je 5 Burschen in einer Gruppe, eine „mittlere“, eine „sächsische“ und eine „kleine Gruppe“. Am Abend vor dem Wettlauf um Moos, gab es in der Gemeinde grossen Lärm. Gruppenweise liefen sie durch die Gemeinde, jeder mit einer Glocke umgebunden und jeweils der Größte aus der Gruppe hatte eine Knallpeitsche, mit der er ständig knallte. So ging es mit großem Lärm durch die Gemeinde, denn man wollte dadurch das Böse aus dem Dorf vertreiben. Bei dieser Gelegenheit durften sich die Burschen zum ersten Mal, obwohl nur 14-15 Jahre alt, öffentlich ein Mädchen einladen und zwar zum Moosputzen. Das war so eine Kinderliebschaft, geheim bis auf den Tag. In dieser Nacht, vor dem Moossammeln, schliefen sie gruppenweise, jeweils bei einem aus der Gruppe, um ja nicht von einer anderen Gruppe beim Frühaufstehen übertroffen zu werden oder zu verschlafen. Ganz früh am Morgen ging es dann los. Gruppenweise, immer je 4 vor ein „Milchwagel“ gespannt, alle mit der Glocke und einer mit der Peitsche rannten sie los. Warum sagte man „Mooslaufen“? Eben weil diese Halbstarken wetteiferten und fast die ganze Zeit rannten bis in den Wald. Das sind ungefähr 5-6 km. Natürlich wollte jeder zeigen wie schnell er laufen kann, denn schließlich war ja das ganze Dorf auf den Beinen um die Leuchterburschen zu bewundern. Ich erinnere mich noch sehr gut an das Jahr 1942, als ich 8 Jahre alt war und das Mooslaufen mitansah. Auch im Wald mußten sie sich beeilen und wetteifern, denn schließlich wollte ja niemand der Letzte sein.Jeder wollte das schönste Moos finden, die Leuchterburschenlieder am schönsten singen und viel Lustiges zum Besten geben. Dies war immer ein sehr schöner und fröhlicher Tag und vor allem einmalig, denn jeder war nur einmal Leuchterbursch. Am Heimweg war es dann wesentlich ruhiger, denn die frische Luft im Wald, das Moossammeln, Singen und Laufen hat sie müde gemacht. Wenn sie aber den Dorfrand erreicht hatten, so sammelten sie ihre letzten Kräfte und liefen bis zu dem Haus, in dem nun jede Gruppe für sich, ihren Moos lagerten. Die Hausfrau hatte ein gutes Essen zubereitet und nun durften sie auch einen guten Glühwein trinken und sangen das Lied „Die lustigen Leuchterburschen“,mit folgendem Text: 1. Frau Wirtin, geliebte Wirtin, ach schenken sie doch ein, für die lustigen Leuchterburschen ein gutes Glas Wein. 2. Ach Tochter, geliebte Tochter, was hast du denn gemacht, oder hast du dich an die lustigen Leuchterburschen angemacht. 3. Ach Mutter die Leuchterburschen sind doch herzbrav und gute Leut sie trinken nur Kaffee und essen Bratwurst obendrauf. 4. Am Abend in der Stube wird das Moos dann schön geputzt und dann gibt es noch einen Abschiedskuss und en zweiten wenn es sein muss. 5. Und dann steigen sie auf die Berge schauen hin und schauen her .Aber nimmermehr sind die lustigen Leuchterburschen zu sehn. In dieser Form ist mir das Leuchterburschenlied in Erinnerung. Natürlich gibt es, wie bei jedem Volkslied, mehrere Abweichungen. Dann gingen alle nach Hause und den anderen Tag hatte man sehr viel in der Schule zu erzählen, denn schließlich waren sie ja die Helden des Tages. Am Abend, nachdem es zu Dunkeln begann, versammelte sich jede Gruppe bei dem jeweiligen Gruppenleiter, aber diesmal kam jeder mit einem Mädchen. Natürlich gab es dann viel im Dorf zu erzählen, denn schließlich wollte man ja auch wissen, wessen Tochter der Sohn eingeladen hat oder wer die Tochter eingeladen hat und wer alles dabeiwar und wer mit wem und vieles mehr. Aber dieser war wohl der lustigste und beliebteste Abend. Obwohl man ja zum Moosputzen gekommen ist, wurde viel erzählt gesungen und vor allem schöne Spiele gespielt, wobei man die Pfänder nur mit einem Kuss auslösen konnte. Das waren natürlich die süßesten Küsse, denn sie entstammten der Unschuld. Der Junge der ein Pfand zum auslösen hatte, stellt sich auf einen Stuhl,sagte sein Verschen und winkte einem Mädchen. Dieses gab ihm die Hand und einen Kuss und das Pfand war ausgelöst. Ich kann mich noch gut erinnern, als ich Leuchterbursche war und ein Pfand auslösen mußte, wurden wir beide ganz rot im Gesicht vor Scham. Die Pfänder wurden bei den Spielen eingesammelt, die gespielt wurden: Schlafhaube, Schlapp hat den Hut verloren u.a. Einer sammelte sie und wenn er sie dann austeilte hob er das Pfand und sagte: „Wem gehört dies Pfand in meiner Hand, was soll damit geschehen?“ Und dann wurde die Strafe bestimmt. „Speckschneiden, Schinkenschneiden, Sternezählen u.s.w.“ Auf Ordnung wurde gesorgt, denn um 21 Uhr musste Schluß gemacht werden und um diese Zeit waren noch viele Leute auf der Straße, so daß man nichts schlechtes anstellen konnte. Die Jungen mußten jeder sein Mädchen nach Hause begleiten. Beim Gassentor gab es einen Kuss und dann ging es schnell nachhause Das Moosputzen dauerte 3-4 Wochen. Danach mußte man Moos, Immergrün und „Piperic“ (Schilfrohrmark) zum Leuchterhersteller tragen, der dann die 4 schönen Christleuchter anfertigte. Ausserdem mussten die Burschen den Mädchen ein schönes Zopfband kaufen und die Mädchen nähten den Burschen ein schönes Kunstblumensträußlein auf die Kappe. Mit diesen Geschenken geschmückt, gingen sie dann am ersten Christtag in die Kirche. Natürlich war jeder darauf aus möglichst schön zu sein, denn man war ja schließlich Mittelpunkt und die ganze Gemeinde bewunderte oder tadelte einen. Am ersten Christtag, in der Frühkirche (7 Uhr), gingen dann die Leuchterburschen mit den Christleuchtern durch die ganze Kirche. Die große Gruppe stellt sich sodann vor den Altar mit ihren Christleuchter, die mittlere Gruppe auf die „Landlerempore“, die sächsische Gruppe auf die „Sachsenempore“ und die kleine Gruppe vor die Orgel. Sodann beginnt die Orgel das Lied Nr. 18 aus dem alten Gesangbuch „Lobt Gott ihr Christen freuet euch“ zu spielen. Und dann müssen die Leuchterburschen, jede Gruppe jeweils eine Zeile des Liedes singen und die letzte Zeile wird dann nochmals von allen mit Orgelbegleitung, wiederholt. Die Christleuchter blieben dann bis zum Epiphaniasfest (6. Januar) in der Kirche stehen. Heute bleiben sie bis in die Passionszeit. Wurden die Christleuchter aus der Kirche herausgetragen, so bekam jeder Leuchterbursch ein kleines Fähnchen, oder einen Kunstvogel und ein Kunstei, zum Andenken an seine Leuchterburschenzeit. Ich war zwar noch klein, kann mich aber erinnern, daß der Krieg auch an diesem Brauch nicht spurlos vorbeigegangen ist. 1944 und 1945 gab es keine Christleuchter in der Kirche und es wurde auch nicht das Leuchterburschenlied gesungen. Nach dem Krieg hat man zwar wieder begonnen diesen Brauch zu pflegen, aber vieles blieb aus. Ich war 1948 Leuchterbursch und wir durften schon nicht mehr mit Glocken und Peitsche im Dorf herumlaufen und auch das Mooslaufen wurde uns untersagt. Trotzdem sind wir mit dem Milchwagerl ausgezogen um Moos zu suchen, ganz still und ohne Lärm, damit es niemand hört. Das Moosputzen haben wir auch gemacht, wurden dann aber mit Stockhieben bestraft, weil die Schulleitung es uns verboten hatte und wir nicht gefolgt hatten. Bis auf den heutigen Tag singen die Konfirmanden, in 4 Gruppen aufgeteilt, das Leuchterburschenlied „Lobt Gott ihr Christen“, jeden Christtag in der Frühkirche, Lichterkirche, wie sie genannt wird, da viele Kerzenlichter brennen. Das Moos sammeln nicht mehr die Kinder, da es verboten ist, sondern die Presbyter. Auch jetzt ist es aber schön. Ich war 1981 auch beim Moossammeln dabei und draußen im Wald kam es zu lustigen Gesprächen. Ich aber dachte dabei ständig an die Vergangenheit als ich ein „echter“ Leuchterbursch war und wie schön diese Zeit war. Ja, und so dachte ich, dieses muss ich niederschreiben, denn die Jahre vergehen und bald weiß man nichts mehr von diesem schönen Brauch der Neppendörfer.

Josef Reisenauer

landler.com
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