Die Wahrsagerin

Trotz aller christlichen Gläubigkeit hielten es manche Tartlauer auch mit dem Aberglauben. So war es, daß eine schon ältere Bauersfrau täglich ihre Schar Gänse in der Frühe auf die Gasse ließ, wo sie im Gras Futter fanden und dann in den nahen Bach watschelten. Von dort kamen sie meistens erst am Abend im Gänseschritt wieder zurück. Dies Bild war jedem bekannt und man war es so gewohnt. Doch eines Abends, es ging auf den Martinstag zu, blieb das Geschnatter aus und die Gänse kamen nicht. Die Frau ging die Gasse auf und ab und suchte ihre Gänse. Sie rief vergeblich ihr – libi –libi – li – sie blieben verschwunden. – Da gab es eine alte Wahrsagerin in Tartlau, die konnte Karten legen. Sie war Ungarin, sprach aber schlecht und recht sächsisch. Zu ihr kam nun die Frau, zahlte ihre Gebühr und ließ sich die Karten legen. Aber bei jeder Karte wurde ihre Miene düsterer und schließlich sagte sie, auf die Gänse bezogen: "Ech kon nor sauen, et as alles spuorz – sekt et nor get, way Bachen, way Guorten, oder der licht Blauch huet et alles fräßen." ("Ich kann nur sagen, es ist alles schwarz – sucht nur gut, entweder im Bach oder im Garten, oder schlimme Rumäne hat alle gefressen.")

Katharina Roser geb. Hellmann

Erlauschtes aus Tartlau - Kleine Schmunzelgeschichten
Diese kleinen Schmunzelgeschichten sind aus dem Tartlauer Volksmund aufgegriffen und haben früher, als es noch kein Radio oder Fernsehen gab, manche Heiterkeit ausgelöst, besonders beim Kukuruzschälen.
Mögen sie es auch heute noch bewirken. Einige Namen sind geändert. Man möge mir verzeihen.
Erinnerungen von Katharina Roser geb. Hellmann, geboren * 9.6.1916 in Tartlau.

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