Duisburg ist überall

Um Beiträge zu verfassen, müssen Sie sich kostenlos registrieren bzw. einloggen.

seberg
schrieb am 28.07.2010, 10:45 Uhr (am 28.07.2010, 10:58 Uhr geändert).
Das mag schon stimmen, Anchen, da hat dann aber wohl die Tscheka oder der NKWD-Gehimdienst nicht richtig aufgepasst, oder nicht damit gerechnet, dass um Stalin wirklich so irrational-leidenschaftlich und damit tötlich getrauert werden könnte...


Johann, du hast ja mit beiden Sätzen recht:

1. „Meiner Meinung nach schaltet die Mehrheit der Menschen das Gewissen täglich ein und nicht nur nach so einer Katastrophe“

2. „Düsburg zeigt doch, wie überfordert der Einzelne ist und dass man mit Individualmoral allein nicht weiter kommt“


Was machen wir nun mit dem Widerspruch zwischen deinen beiden richtigen Sätzen? (jeder hat ein Gewissen, aber ion der Masse funktioniert es nicht mehr richtig) Am Ende kommen wir noch zum Schluss, auch den Joachim und seine „Die Linke“ um Rat nach den von dir geforderten funktionierenden politischen Institutionen zu fragen!?
bankban
schrieb am 28.07.2010, 10:57 Uhr
Danke, Anchen, für das Beispiel. Es belegt noch einmal, dass Massenpanik und dadurch verursachte Unfälle und Unglück immer und überall auftreten können. Es ist eine Frage der Organisation, so etwas zu verhindern. Ob sie sich ereignen oder nicht, hängt demnach weniger von der Wirtschaftsform ab, sondern der Perfektion der Organisation. Diese hat in Duisburg wohl versagt - an anderen Orten (public viewing von Fussballspielen vor ein paar Wochen) hat sie besser geklappt. Wo Menschen arbeiten, passieren leider immer wieder solche bedauerlichen Fehler.

P.s. In meinem Beitrag gestern Abend (gegen 18:56 geschrieben) steht "rücksichtlos". Es soll aber heißen: "rücksichtsvoll".
Joachim
schrieb am 28.07.2010, 12:46 Uhr (am 28.07.2010, 12:48 Uhr geändert).
Na ja Johann,
an dem Punkt an dem unsere Gesellschaft unser Land jetzt angekommen sind, hat die Partei "Die Linke" gar nichts damit zu tun. Die gab es nämlich gar nicht und hatten deshalb mit politischen Entscheidungen nichts zu tun.
Es geht mir auch nicht um "Die Linke". Vielleicht sollten wir die Parteien einmal außen vor lassen, um von dem beschränkten "Kastendenken" weg zu kommen.
Tatsache ist, die Bevölkerung verliert immer mehr den Glauben an die Entscheidungsträger (Elite?). Denn die versprochenen "blühenden Landschaften" sind nicht entstanden. Und die eingeführten Reformen empfinden die meisten Bürger zu ihrem Nachteil und nicht dass sich etwas bessert. Die "Realität" holt alle ein.
Kommen wir doch einmal zu den Kirchen, die beklagten einen gewaltigen Mitgliederrückgang am letzten Freitag in der Zeitung. Dazu war heute folgender Kommentar zu lesen:

"Leserbrief zu dem Thema: "Austritte beunruhigen Kirche"
vom Freitag 23.07.2010 Nr.168

Die Kirchen haben ihre Glaubwürdigkeit verloren.

Durch eine "kranke Reform" haben sich die Kirchen sehr schnell gewandelt.
Das merkt man z.B. an den Krankenhäusern in Bad Kreuznach sehr deutlich.
Aus christlicher sozialer Nächstenliebe zum Menschen wurden profitorientierte Unternehmen, mit zum Teil dramatischen Folgen für die Mitarbeiter und die Patienten. Genau wie in der Wirtschaft, werden ganz unchristlich und unsozial Beschäftigungsgesellschaften gegründet, um Tariflöhne zu umgehen und durch Lohndumping die Belegschaft unter Druck zu setzen, um die eigene Rendite zu erhöhen. Hier werden 1 Eurokräfte ihrem eigentlichen Auftrag nicht mehr gerecht. Statt sich mit anderen Krankenhäusern zu solidarisieren und gemeinsam gegen diese "kranke Reform" vor zugehen, werden andere Krankenhäuser als Konkurrenz betrachtet und man lässt sich auf dieses perfide Spiel ein. Mehr Kirchensteuer und Spenden bringt das sicher nicht. Im Gegenteil, man sägt den Ast ab, auf dem man sitzt. Jesus Christus schlug einmal mit einem Strick die "Geschäftemacher" aus der Kirche. Die Betreiber dieser Krankenhäuser wären sicherlich dabei gewesen."
Soweit bzw. so tief ist man schon mit der "Nächstenliebe" gesunken. Das eine kirchliche Krankenhaus wirbt mit dem Slogan: "dem Menschen nahe"....
Man muss mit einem Krankenhaus Gewinne erzielen. Leidtragende (Opfer) sind das Personal und die Patienten.
Über die wird "drübergelaufen".
Wünsche eine konstruktive Diskussion und Kritik.
Ich habe noch mehr Beispiele....
Joachim
MCRANTA
schrieb am 28.07.2010, 12:46 Uhr (am 28.07.2010, 12:47 Uhr geändert).
der initiator hat recht... die meisten jedoch haben ihn nicht voll verstanden... er meinte eine MENTALITÄT... die heutige MENTALITÄT die mit "sozial" gar nichts mehr zu tun hat... das geht los bei der vorfahrt und endet beim niedetreten....
sibihans
schrieb am 28.07.2010, 22:00 Uhr (am 28.07.2010, 22:09 Uhr geändert).
@ seberg
dass alle Massenveranstaltung (z.B. am 1.Mai oder 23. Aug.) strikt von oben verordnet und konspirativ von der autokratischen Macht kontrolliert wurden und außerdem für den Einzelnen vollkommen langweilig und lustlos abliefen (im Gegensatz zu einer loveparade oder religiösen Großveranstaltung mit weitgehender Aufgabe bewusst verantwortungsvoller Ich-Strukturen beim Einzelnen).
So stimmt das auch nicht so ganz. In Mediasch im Grevel, Binderbubi, Wewer und an vielen anderen Stellen wurde bis spät in die Nacht gefeiert und es gab auch nie eine Massenpanik obwohl viel Alkohol im Spiel war. Es war genug freie Fläche so daß sich Keiner beengt fühlen mußte.
Jeder von Uns hat schon mal einen Billigwestern gesehen wo die Kühe in Panik geraten und davon rennen (welche politische Sicht oder welchen Glauben die haben weiß ich nicht), aber der Mensch verhält sich genau so wenn er sich bedroht fühlt. In Diusburg bestand die Bedrohung darin daß die Leute so eng zusammen gepfercht waren daß sie keine Luft bekamen. Es war der natürliche Instinkt (Erhaltugstieb) der einen treibt da rauszukommen weil man um sein Leben fürchtet.
Der Funke ist sehr klein der so etwas aulösen kann. Die Polizei und die Rettungskräfte werden gezielt drauf treniert damit sowas nicht passieren sollte. Ob es bei jedem klappt weiß man nur hinterher, weil wenn das Gehirn aussetzt, macht man automatisch das Antrenierte, inklusive Fehler die man bei den Übungen macht. Deswegen wird geübt bis man keine Fehler macht. Die Jungen Leute in Duisburg haben aber vorher nicht üben können.
@ bakbann
Sie haben recht mit ihre Aussage wegen der fehlerhaften Organisation.

Schönen Abend sibihans.
Gilgamesch
schrieb am 29.07.2010, 01:15 Uhr
Auch in den ´sozialistischen´ Ländern ist so manches passiert, aber wie so vieles, verheimlicht.
Ich weiss von einem Fall geschehen auf dem lacul Snagov/Bukarest.
Das war an einem Sommernachmittag, viele Menschen auf einer Seite des Sees. Da ist ein Gewitter aufgezogen und die Leute wollten alle auf einmal mit dem Schiff auf die andere Seite des Sees und nach Hause. Die Masse hat sich auf das Schiffchen gedrängt, der Skipper wollte nicht fahren, wurde bedroht und ist abgefahren. Auf der Mitte des Sees ist das Schiffchen entzweigebrochen. Auf dem Schiffchen befanden sich nach meiner Info ca 300 Personen.
Die meisten sind ersoffen.
Gilgamesch
MCRANTA
schrieb am 29.07.2010, 13:22 Uhr
a propos masse und macht... die erste richtige massenansammlung die ich erlebt hab war 1994 im olympiastadion münchen - konzert pink floyd... ich bin mit geteilten gefühlen hingegangen .... von wegen masse... pöbel... usw... obwohl das stadion richtig voll war - war es einer der schönsten abende meines lebens... nicht mal die kleinste spur von agressivität... panik... pöbel oder sonst noch was... es war freude pur, harmonie, spaß, frieden, entspannung - richtig toll... beim weggehen (was sich übrigens fast so "zivilisiert" wie in der staatsoper abspielte) sah ich mir die gesichter an, meistens leute meines alters aber auch junge... friedlich, lächelnd, zufrieden... damals noch nicht lange in deutschland, dachte ich mir "... so sehen innerlich freie menschen aus!"... lag es an pink floyd?... an der zeit - immerhin 16 jahre?... ich weiß nicht...
gehage
schrieb am 29.07.2010, 15:02 Uhr
ich glaube man sollte zwischen einem vollen olympiastadion in münchen, wo höchstens ca 70000 leute reinpassen, und der loveparade wo lt. medien zwischen 1-1,5 mio (und wärens auch "nur" 500000 gewesen) einen unterschied machen...das ist ein gewaltiger unterschied...in diesem sinne...

nichts für ungut....

seberg
schrieb am 29.07.2010, 15:11 Uhr
Ja, MCRANTA, 16 Jahre seit dem Konzert von Pink Floyd! Es hat sich etwas verändert in der Zwischenzeit. Es stimmt wohl, Joachim und bankban, dass es in den letzten Jahren und Jahrzehnten zunehmend eine Verrohung des gesellschaftlichen Lebens gegeben hat, dass sich die Menschen heute rücksichtsloser und egoistischer verhalten als früher. Nicht dass sie grundsätzlich rücksichtsloser und egoistischer geworden wären, als sie es immer schon zutiefst und auf gefährlichste Weise waren, wie ich überzeugt bin. Aber sie verhalten sich im täglichen Leben und im Umgang miteinander zunehmend mehr und offen so, sie kehren diese irrationalen Seiten mehr hervor und legen zivile Hemmungen leichter ab. Der Grund dafür sind mit ziemlicher Sicherheit die sich verschärfenden existenziellen Fragen und das damit verbundene Gefühl von Bedrohung, was die Menschen grundsätzlich misstrauischer und ängstlicher gemacht hat.

Existenzielle Bedrohung und Feindseligkeit führt zu Misstrauen und Angst, Misstrauen und Angst wieder erzeugt seinerseits mehr Bedrohung und Feinseligkeit, was wieder zu mehr Misstrauen und Angst führt usw… es ist ein Teufelskreis mit gegenseitigem Aufschaukeln.

Wer ist schuld daran, dass das gesellschaftliche Leben verroht ist, dass es bedrohlicher und feindseliger geworden ist? Wenn es nicht „das Volk“, die „tumben Massen“ sind, dann fällt mir auch niemand anderes ein, als die politischen und wirtschaftlichen „Entscheidungsträger“, die an den Machthebeln sitzen und es versäumt haben, rechtzeitig die gefährliche Entwicklung zu erkennen und die entscheidenden und adäquaten Weichen zu stellen.

Und was ist mit der Moral, mit dem „Anstand“ und all den bekannten „deutschen Sekundärtugenden“? Es wundert es mich etwas, Joachim, dass du gerade die Kirche und die Krankenhäuser in Zusammenhang mit dem Verlust an Vertrauen und Glauben in die Entscheidungsträger und in die ensprechenden Institutionen nennst und sie als Beispiel bringst, wo die Kirche doch nicht erst seit gestern, sondern schon längst abgewirtschaftet hat als oberste moralische Instanz, die all die durchaus nach wie vor gültigen Werte und Inhalte wie Gewissenhaftigkeit, soziales Verhalten, Gerechtigkeit, Nächstenliebe usw. zu transportieren und zu vertreten hätte. Das hat die Kirche nun davon, dass sie seit etwa 2000 Jahren die Nächstenliebe gegen die völlig normale und natürliche Selbstliebe ausspielt.

Man könnte aber auch grundsätzlich fragen – um bei dem Beispiel Nächstenliebe und Krankenhaus zu bleiben: wie lässt sich Nächstenliebe mit Wirtschaftlichkeit vereinbaren? Der Verzicht auf Gewinn und Profit mit dem Angewiessensein darauf im Geschäftsleben?

Alles, was zu groß und zu mächtig und zu unmenschlich wird und weg führt vom direkten zwischenmenaschlichen Kontakt, stirbt irgendwann, vielleich, oder wie? Nehmen deswegen und aus einem instinktiven Gefühl heraus viele Menschen diese winzigen homöopathischen “Globuli“, obwohl deren positiver Effekt auf die Gesundheit nicht wissenschaftlich nachgewiesen werden kann und diese Heilpraktiker-Behandlung jetzt von den Krankenkassen nicht mehr bezahlt werden soll?
Wer weiß...
Johann
schrieb am 02.08.2010, 12:27 Uhr (am 02.08.2010, 12:42 Uhr geändert).
Der Vergleich mit München kann die Diskussion sehr voranbringen:
Das Olympiastadium wurde für 70.000 Besucher gebaut. Seit 1972 finden dort jährlich mehrere Großveranstaltungen statt.

Wäre jetzt dort eine Massenpanik ausgebrochen, dann könnte man die These vom Werteverfall und Verrohung der Sitten bemühen. Aber doch nicht in Duisburg.

In München sind alle relevanten Sicherheitsvorkehrungen getroffen, auch die auf den ersten Blick kleinkarierte Beschilderung wird genüge getan. Nichts davon in Duisburg.
Die zuständigen Beamten haben ihr Unterschrift nur am Samstag kurz vor der Veranstaltung erteilt und teilweise nur nachdem sie von ihren Vorgesetzten von der Haftung entbunden wurden.
Ein Bürger kann sich auf ein Widerstandsrecht im Notfall berufen, der Beamte ist gegenüber den politischen Entscheidungsträger Weisungsgebunden, weil wir ja in einer Demokratie leben, da hat das Volk repräsentiert durch den Oberbürgermeister und den Gemeinderat das letzte Wort.
Den Beamten wurde von Fachleuten auf einer Tagung im März 2010 ausdrücklich geraten, sich von der Haftung zu befreien, weil diese schon da wussten, dass ihr fachlicher Rat missachtet wurde.

Weiteres Argument: Duisburg geschieht seit 60 Jahren täglich!
Seit 1949 gibt es ca. 650.000 Verkehrstote in Deutschland, das sind ca. 21 Tote täglich.
Trotz extrem steigendem Verkehrsaufkommen hat sich die Zahl der Verkehrstoten von 1991 mit über 11.000 auf unter 5.000 im Jahre 2008 mehr als halbiert.

Wo spiegelt sich da die Verwahrlosung des Umgangs wieder?
Duisburg zeigt für mich etwas ganz anders:

Die extreme Bauchsteuerung, Sensationsgier, Psychologisierung, Oberflächlichkeit der öffentlichen Diskussion, auch die in diesem Forum.

Psychologisch bestens geschulte PR- und Marketingleute manipulieren bewusst die Realität, sei es nun um wirtschaftliche (Eventmanager oder Zeitungsmanager),politische
(extrem "Die Linke" aber leider auch immer öfter die anderen Parteien) oder sonstige
Vorteile zu erschleichen.

Dabei stört eine rationale-differenzierte Betrachtung nur!

Wo wird auch annähernd wie jetzt in Duisburg den fast 5000 Toten pro Jahr gedacht?
Im Gegenteil die kontinuierliche Leistung (die durch sinkende Verkehrstoten einen sichtbaren Ausdruck findet) der entsprechenden Behörden werden nur lächerlich gemacht, Stichwort "Schilderwald".
Dass jedes Schild und jede Verkehrsregel mit Blut geschrieben wurde d.h. in der Regel zig Menschen ihr Leben gelassen haben, weil nur nachdem ein Unglück geschehen ist, es zu neuen Regeln und Schildern kommt, wird doch überhaupt nicht berücksichtigt.

@seberg
1. Ich schätze kritische Psychologen, die billigen Psychologismus als solchen entlarven und nicht selber noch verstärken.
2. Ich kann keinen Widerspruch erkennen, wenn ich sage, dass die Menschen in der Regel ihr Gewissen einschalten, dies aber bei der Bewältigung von so komplexen Situation einfach nicht ausreicht, sondern dass wir da auf gut gestaltende und funktionierende Verkehrsregeln und den entsprechenden Schildern angewiesen sind. Duisburg hat diese Voraussetzungen im Unterschiede etwa zum Olympiastadium nicht geboten. Da kann man also nicht die Teilnehmer beschimpfen, wenn sie in einem Tunnel keine Luft bekommen, sie würden unter Werteverfall leiden.

3.Wir brauchen wirklich keine Ideen zur Ausgestaltung der politischen Institutionen von der Partei Joachim´s. Gescheitert sind in Duisburg die dort Handelnden Personen an der Spitze mit dem Oberbürgermeister, aber auch der Gemeinderat und zwar leider alle dort vertretenen Parteien inklusive "Die Linke". Die Rolle des Gemeinderats wird viel zu wenig kritisiert, dabei waren alle Vertreter vorher mit Haut und Haaren für das Festival und danach kam von dort keine auch nur im entferntesten angemessene Reaktion wiederum von keiner Partei.
4. Ich schreibe wie du nur meine Meinung hier, diese als "besserwisserisch und gewollt halb-humorig daherkommenden RundumschlagLevitenleseireiSupervisionsstundenPredigten" zu disqualifizieren, nur weil ich eine andere habe wie du, ist dein Recht, es ist aber nicht fair.
5. An welchen Ereignissen ist eine "Verrohung des gesellschaftlichen Lebens" messbar? An "Duisburg" und dem Verhalten im Straßenverkehr kann ich das nicht erkennen, sondern genau das Gegenteil.
seberg
schrieb am 02.08.2010, 16:27 Uhr
O.k., Johann, Du hast mich erwischt: einen wissenschaftlichen Maßstab für die „Verrohung des gesellschaftlichen Lebens" habe ich nicht...Du hingegen hast sicher einen solchen für das von Dir behauptete genaue Gegenteil, oder? – Oder vielleicht doch auch nur Dein eigenes „erkennen“?

Trotz allem – wie ich sehe, nähern sich unsere Standpunkte in der Sache immer mehr an. Auf die Übereinstimmmung mit Dir, was die Notwendigkeit von funktionierenden politischen Institutionen angeht, um solche schrecklichen Unfälle wie in Duisburg zu verhindern, hatte ich ja schon vor Tagen hingewiesen. Und was ist Dein Hinweis auf die Veränderung hin zu „extremer Bauchsteuerung, Sensationsgier ... Oberflächlichkeit der öffentlichen Diskussion“ denn anderes, als mein Hinweis weiter oben auf das zunehmend irrationale, egoistische und rücksichtslosere Verhalten der Menschen im tägliche Umgang miteinander? – Wir meinen doch das Gleiche, oder?
Nur über die Gründe für diese Entwicklung sind wir uns wohl nicht einig, und vielleicht kennen wir beide sie ja auch nicht so genau. Du sprichst von „Psychologisch bestens geschulte PR- und Marketingleute“, die die Realität „manipulieren“ (was mich ein bisschen an Hermann Oberts Absage an das Manipulieren unseres irdischen Lebens durch „Außerirdische“ erinnert), während ich eher an politische und wirtschaftliche Veränderungen und Verschärfungen in der Gesellschaft, also an uns alle, denke.

Aber ich habe verstanden: An der „Psychologisierung, Oberflächlichkeit der öffentlichen Diskussion, auch die in diesem Forum“, wie du schreibst, sind „bestens geschulte“ Leute schuld, Psychologen z.B. wie ich hier im Forum, nicht wahr?
Johann
schrieb am 03.08.2010, 09:26 Uhr (am 03.08.2010, 09:29 Uhr geändert).
@seberg
Ihr habt die These aufgestellt, dass eine Verrohung der Sitten stattfindet.
Argument 1: Verhalten der MEnschen in einer Massenveranstaltung in Duisburg.
Argument 2: Verhalten im Verkehr.

Das erste Argument hatte bankban schon auseinandergenommen, ich habe noch einige andere Gründe angefügt.

Das zweite Argument habe ich nicht nur entkräftet, sondern gesagt, dass die Abnahme der Verkehrstoten eher für das Gegenteil spricht.
Ich habe aber nicht das Gegenteil behauptet und dies begründet!

Der Grund dafür: Ich misstraue insbesondere anthtopologischen Diskursen.
Die dunkelroten Brieder, die die Diagnose "Werteverfall" stellen, tun dies insbesondere deshalb, weil sie ihre Therapie ("Schaffung des neuen Menschen") verkaufen wollen.

Die braunen Brieder stellen die gleiche Diagnose, Therapie "Schaffung des Übermenschen".

Beide Therapien sind zutiefst MEnschen verachtend und haben das 20. Jahrhundert zu dem blutigsten J. gemacht!

Im Kern handelt es sich hier um eine moralische Therapie für ein technisches Problem.
Die Reduktion der Verkehrstoten wurde nicht zuletzt durch eine verstärkte Erziehung in den Schulen erreicht, aber durch eine technische Verkehrserziehung und nicht durch mehr Ethikunterricht.

Zur Bauchsteuerung:
Ich werfe diese den verantwortlichen Politikern (Oberbürgermeister, Gemeinderat, Landesregierung NRW, aber auch Kanzlerin und Bundespräsident, die nach Duisburg eilen, aber für 5000 Tote jährlich keine Rede halten), dann allen die die öffentliche Meinung dahingehend beeinflußt haben, dass man so ein Großerreignis auch ohne große Vorleistungen bringen kann.
Die "Bohlen-Attitüde" man kann super Leistungen auch ohne große Anstrengungen erreichen. Musikprofi in einem Jahr werden, alle anderen brauchen dafür 20 JAhre Ausbildung ( von 6 bis 26 JAhren und täglich mehrere Stunden Übung) bei Bohlen wird man dies so nebenbei.
Auch viele im Ruhrpot meinten Weltstadt wird man von jetzt auf gleich, was Berlin kann, das machen wir so nebenbei mit links.

Ich Gegensatz zu Euch finde ich, dass jeder Vorwurf an die Menschen, die zufällig zu einer falschen Zeit in einem überfüllten Tunnel waren, eingach deplaziert ist. Erst recht nicht Ihnen moralischen Verfall attestieren, weil dies aufgrund der Todesfälle einfach nur makaber ist.
gerri
schrieb am 03.08.2010, 13:10 Uhr (am 03.08.2010, 13:15 Uhr geändert).
Ach wie schön das es nun welche gibt, die genau wissen wieso warum weshalb alles passiert ist,bei der nächsten Massen-Veranstaltung seid ihr vieleicht dabei,sonst haben die Oberbürgermeister keine Zeit sich an das Team zu gewöhnen,und werden entlassen.Wie beim Fußball,verliert die Manschaft wird der Trainer entlassen, jemand muß unbedingt schuld sein dann ist wieder alles O.K.So einfach ist das.

Gruß, Geri
seberg
schrieb am 03.08.2010, 13:36 Uhr
Johann schrieb: „Ich Gegensatz zu Euch finde ich, dass jeder Vorwurf an die Menschen, die zufällig zu einer falschen Zeit in einem überfüllten Tunnel waren, eingach deplaziert ist. Erst recht nicht Ihnen moralischen Verfall attestieren, weil dies aufgrund der Todesfälle einfach nur makaber ist.“

Das ist zu einfach und zu ungerecht, Johann, alle hier sehen die Verantwortung für die Ereignisse von Duisburg in erster Linie bei den politisch Verantwortlichen, selbstverständlich müssen/mussten diese mit irrationalen Panik-Reaktionen der Menschen rechnen – und zwar genau so wie sie aufgetreten sind – und für vorbeugende Maßnahmen sorgen.

Inwieweit eine mögliche generelle Veränderung im Erleben und Verhalten der Menschen (Werteunsicherheit, Ellenbogengesellschaft, usw.) – die mir allerdings sehr wahrscheinlich erscheint – mit allgemeineren gesellschaftliche Entwickungen zusammenhängt und zu einer möglichen Verschärfung von Konflikten und Auseinandersetzungen führen könnte, das ist wohl eine andere und viel komplexere Diskussion. „Duisburg ist überall“ sollte so pointiert verstanden werden, wie es offensichtlich gemeint ist, und damit auch notwendig verkürzend.

Mein Anliegen hier ist wohl etwas bescheidener als Deins, es erschöpft sich meist schon im dem, was im Hier-und-Jetzt des verbalen Austauschs passiert, was ja an sich schon kompliziert und spannend genug ist – für mich jedenfalls – auch ohne hohen Anspruch auf möglichst endgültige inhaltliche „Wahrheitsfindung“.
Schiwwer
schrieb am 03.08.2010, 19:04 Uhr (am 03.08.2010, 19:07 Uhr geändert).
Stellt euch vor: je Quadratmeter können 4 Personenso stehen, dass sie sich gerade noch "riechen" können.
Bei 6 Personen wird es ungemütlich. (Seid Ihr nie Schlange gestanden, wenn es Fleisch gab oder Milch??)
Bei 8 Personen entstehen, auch bei ganz normalen Leuten, Gefühle der Angst, Agressivität und Wut.
Und das bei Zehntausenden, die keine Luft hatten, die unterschiedlich groß waren...
Dieser einzige Zugang war das Todesurteil für die feierlustigen jungen Leute. Ein Wunder, dass nicht mehr Tote waren.
Das ist alles, es war schlampig organisiert.

Um Beiträge zu verfassen, müssen Sie sich kostenlos registrieren bzw. einloggen.