Teufelskreis Korruption im rumänischen Alltag

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klaus dieter untch
schrieb am 26.05.2011, 12:53 Uhr
Kleine Geschenke, Verhandlungen hinter verschlossenen Türen… In Rumänien ist die Korruption ein großer Stolperstein. Klopft Vater Staat an die Tür, greift der Rumäne in die Tasche, das ist ein alter Reflex. Man besticht, um zu überleben – sei es im Krankenhaus, in der Schule im Öffentlichen Dienst oder anderswo.

Korruption gehört in Rumänien zum Leben wie Pech und Schwefel oder an anderen Orten Milch und Brot. Die meisten Menschen sind ihr ausgesetzt. Jeder lebt auf seine Weise mehr oder weniger auf Kosten des anderen. Und die meisten verstehen, wie man sich vom Staat „seine Scheibe“ abschneiden kann.

Hier nur ganz wenige Beispiele für eine endlose Jammerserie:

Wer einen Job will, bekommt diesen nicht nach seiner Qualifikation, sondern nach dem Inhalt der Plastiktasche.

Es gibt Leute, die schaffen es, offiziell eine Aufnahmeprüfung für einen Job an einem Spital zu bestehen. "Selektioniert" wird aber jene Person, welche zwar die Prüfung auch bestanden hat, aber die besseren Beziehungen hat.

Wenn eine Person einer anderen einen "schwarzen" Job in Deutschland „vermittelt“ (Weitergabe der Adresse, ohne jegliche Dienstleistung!), dann nimmt diese pro Monat 150 Euro von einem Lohn, der etwa 700 Euro beträgt!

Wenn ein Kleinunternehmer vom Staat Besuch bekommt (Arbeitssicherheit, Hygienevorschriften, Buchführung, raucherfreie Räume), dann hat er dafür eine Gebühr zu entrichten. Dagegen wäre nichts einzuwenden. Der Beamte nimmt aber mindestens den gleichen Betrag in seine Tasche. Ohne diesen Obulus zu entrichten fiele es den Beamten nicht schwer, Unregelmässigkeiten festzustellen und Bussen zu erwirken, die eine Weiterführung des Geschäftes ernsthaft gefährden würden.

Wer einen Arzt braucht, wer zum Zahnarzt gehen muss, wer irgend eine Leistung braucht, kommt ohne „Schmiermittel“ kaum weiter. Wer lebensbedrohend erkrankt ist und sich deshalb einer Operation unterziehen muss, kann davon ausgehen, dass die medizinischen Leistungen und die „Hotellerie“ durch die Krankenkasse bezahlt wird. Aber: Es läuft damit noch gar nichts. Damit der Chirurg bereit ist, die grünen Kleider anzuziehen, den Lederriemen zum Abziehen der Skalpelle in die Hand zu nehmen und die Pflegedirektorin ihr Team zur Verfügung stellt, muss jemand tief in die Tasche greifen.

Wie kommt es, dass Staatsbeamte die Mehrheit in Kleinunternehmen und gut laufenden Gewerbebetrieben erwerben oder auf sich vereinen?

Wie soll ein Gewerbe, eine kleine Manufaktur oder ein Kleinbetrieb oder eine Industrie funktionieren und Werte schaffen, wenn die staatliche Administration alle möglichen Hindernisse in den Weg stellt und sich am Ertrag wie ein Vampir das Blut seines Opfers aussaugt?

So, genug gejammert , freuen wir uns auf ein erleuchtendes Fazit:

Das Leben im heutigen EU-Rumänien bleibt spannend, erschütternd, pervers, dämlich, lustig, gefährlich und vor allem traumatisch gloreich. Wer sich hier umschaut erblickt Überlebenskünstler, Opfer, Ausgebeutete und erstaunlich viele Neureiche.

Wer hier mit reiner Weste lebt ist eine Kuriosität. Dazu gehört Mut und Risikobereitschaft. Damit ich mich ausserhalb des Teufelskreises durchsetze, hat so seinen Preis: volle Konfrontation vor allem mit den absurdesten Herausforderungen. Es gibt dafür nur zwei Möglichkeiten dem imensen Druck auszuhalten: zu kapitulieren oder verrückt zu werden. Noch bewege mich in einer mysteriösen Grauzone. Nix für schwache Nerven.

Als Organist ist es nun mal mein Job, alle Register der Phantasie ziehen, um für den Härtetest zu dieser Problematik stets gewappnet sein. Das reicht gerade um meine Lebensbegeisterung zu erhalten.
OK , kleinlaut muss ich nun doch zugeben - ich bin schon immer wieder ab und zu pleite - weil ich zahle einen Haufen Schmiergeld an meiner Frau, aber das macht uns so glücklich...

Ach ja, das tiefgehütete Geheimnis, ob mit der Plastiktasche der Platz im Jenseits gesichert werden kann, könnte ich schon lüften. Aber die Antwort gebe ich nur gegen bares Geld - versteht sich - denn wie heißt es so schön: „Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt!“
asil
schrieb am 26.05.2011, 13:15 Uhr
Die geschilderte Situation ist wahr und in Rumänien wahrscheinlich schlimmer als an vielen anderen Orten der Welt, síe ist aber ÜBERALL vorhanden und nicht auszumerzen. Glauben Sie, dass Ärzte in Deutschland nicht bestochen werden (vom Pazienten und der Pharmaindustrie)? Von Italien wollen wir erst gar nicht reden.
Haben Sie einen Vorschlag was getan werden könnte/müsste? Was wir tun könnten?
Jedem bei der Geburt einen Revolver mit 6 Freikugeln (also straffrei) zu geben, wäre das eine Lösung? Glaube ich nicht, nicht einmal das.
Joachim
schrieb am 26.05.2011, 13:26 Uhr
Im schlimmsten Fall musst Du auf Lucky zurückgreifen.....
walter-georg
schrieb am 26.05.2011, 14:12 Uhr
Vor einigen Jahren hatte ich Besuch von einem Hermannstädter, der mir folgende Geschichte erzählte:

Er war noch in kommunistischen Zeiten Filialleiter in einem dortigen Unternehmen. "In solchen Positionen", meinte er, "hatten wir natürlich engste Beziehungen zu allen möglichen Branchen.

Eines Tages rief mich der Chef des Bergrestaurantes von Reußmarkt (Miercurea Sibiului) an und bat mich vorbeizuschauen. Als ich der Einladung folgte, behauptete er, ein Ferkel geschlachtet zu haben und schenkte mir davon etwa 250 (zweihundertfünfzig) Meter Wurst..."
Gebauer
schrieb am 26.05.2011, 14:19 Uhr (am 26.05.2011, 14:22 Uhr geändert).
Glauben Sie, dass Ärzte in Deutschland nicht bestochen werden (vom Pazienten und der Pharmaindustrie)?
Seit einigen Jahrzehnten wohne ich nun in Deutschland und mußte bisher keinen Cent Bestechungsgeld zahlen. Im Gegenteil: als ich einem Polizisten etwas anbot, damit er ein Auge zudrückt, wurde das fast zu meinem Verhängnis.
Von solch einer "Normalität" ist RO weit entfernt.
Ärgerlich ist: jeder weiß es, keiner tut etwas dagegen.

Haben Sie einen Vorschlag was getan werden könnte/müsste? Was wir tun könnten? Wie wärs mit Anzeige erstatten?
.grumpes
schrieb am 26.05.2011, 15:15 Uhr (am 26.05.2011, 15:22 Uhr geändert).
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Die rumänische Mentalität hat viele Vorteile, aber auch einige Nachteile:
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.grumpes
schrieb am 26.05.2011, 15:36 Uhr (am 26.05.2011, 15:46 Uhr geändert).
Kleine Geschenke, Verhandlungen hinter verschlossenen Türen… In Rumänien ist die Korruption ein großer Stolperstein. Klopft Vater Staat an die Tür, greift der Rumäne in die Tasche, das ist ein alter Reflex. Man besticht, um zu überleben – sei es im Krankenhaus, in der Schule im Öffentlichen Dienst oder anderswo.


Wie kommt es dass @Lucky nur die besten Seiten seiner "alten/neuen" Heimat erwähnt ?
rhe-al
schrieb am 26.05.2011, 15:56 Uhr
.grumpes:
Wie kommt es dass @Lucky nur die besten Seiten seiner "alten/neuen" Heimat schildert ?

wollen wir uns auch ein bissel in Spekulationen üben?

- braucht Herr lucky vielleicht die Bestätigung für sein alter ego, richtig gehandelt zu haben, und nicht wie wir hier einfach aus der Heimat "davongelaufen" sind?

-"muß" Herr lucky so schreiben um nicht seinen "Diplomatenpass" zu gefährden?...că deh...călătorii în străinătăţi...

Es ist aber auf alle Fälle nicht "gesund" berechtigte Kritikpunkte zu übersehen, unter den Tisch/Teppich zu kehren, und aus lauter Anbierei nur noch Schönfärberei zu betreiben, egal in welchem Land das sei.

.grumpes
schrieb am 26.05.2011, 16:01 Uhr (am 26.05.2011, 16:20 Uhr geändert).
- braucht Herr lucky vielleicht die Bestätigung für sein alter ego, richtig gehandelt zu haben, und nicht wie wir hier einfach aus der Heimat "davongelaufen" sind?


Eindeutig: JA

Harap Alb

“noi ne facem ca muncim, ei se fac ca ne platesc”

Hallo Herr Untch,
bin Ihnen sehr dankbar für diese realistische Einschätzung der Verhältnisse im aktuellen Rumänien.
Einige Forumsteilnehmer hatten schon vergessen welche Verhältnisse dort immer noch herrschen und sich in einer Art "nationalistischer Blindheit und Nostalgie" verrannt.

Gruß
.grumpes
cäsar
schrieb am 26.05.2011, 16:39 Uhr
Hallo Herr Untch,

was Sie nicht sagen!? Ich kann ob Ihrer Naivität nur schmunzeln. Die Liste könnte ich weiter fortführen.Bringt das was? Die Threads sind voll von solchen Beispielen.

Asil scheint hier etwas zu verwechseln:"wir müssen was tun"(oder so ähnlich) Nein, nein, ich fühle mich für die rumänische Korruption NICHT zuständig. Ein rein rumänisches Problem ist Korruption NICHT, die Ausmasse jedoch sind in der EU ziemlich EINMALIG!

Zu guter Letzt:ich warne davor Mentalität, Lebensweisen auch Faulheit(die ja keine Sünde ist)zu verdammen. Bei der Lebensphilosophie die die Rumänen an den Tag legen, haben sie es sehr weit gebracht. Dass Ihre Mentalität nicht unbedingt der Steigerung des BIP beiträgt steht auf einem anderen Blatt. Es gibt Studien wonach die Wirtschaftsdaten(ZB. BIP) in protestantischen Länder besser sind als bei den Katholiken. Vielleicht lässt sich so in etwa auch die Schwäche des Südens erklären. Die Frage ist nur,wie lange noch der Norden mitmacht. D+F garantieren für GR, P,E,, wer garantiert für D+F?

ave
Mastema
schrieb am 26.05.2011, 16:39 Uhr
Einige Forumsteilnehmer hatten schon vergessen welche Verhältnisse dort immer noch herrschen und sich in einer Art "nationalistischer Blindheit und Nostalgie" verrannt.

Ich bin Ihnen auch dankbar, Herr Grumpes.
Sie haben mich zum Schmunzeln gebracht.


asil
schrieb am 26.05.2011, 16:44 Uhr
Gebauer: "Wie wärs mit Anzeige erstatten?"
Was meinen Sie was der verlangt um Ihre Anzeige entgegen zu nehmen?

Ich sprach beispielsweise von Ärzten aber wir können auch andere "Gruppen" nehmen. Würden Sie es für absolut unmöglich halten, dass ein Autofahrer dessen Führerschein entzogen wurde (z.B. für ein Jahr), plötzlich in Besitz eines Ersatzführerscheines kommt, mit seinem Bild aber den Daten eines anderen (ohne dass es sich um eine Fälschung handelt)?
Lassen wir den Dingen ihren Lauf und seien wir zufrieden, dass es hier relativ gut ist, zumindest bei derartigem Kleinzeug.
Wie es wohl bei großen Dingen läuft?
Henny
schrieb am 26.05.2011, 16:59 Uhr (am 26.05.2011, 17:01 Uhr geändert).
Wie es wohl bei großen Dingen läuft?
... dann machen die es genau wie Sie es machen, ganz laut rufen... A D M I N!!!!

Lassen wir den Dingen ihren Lauf und seien wir zufrieden, dass es hier relativ gut ist, zumindest bei derartigem Kleinzeug.
Ach guck mal an.... die Vergangenheit/Geschichte ändern wollen obwohl sie nicht zu ändern ist aber ... prezentul şi viitorul und am putea schimba ceva, lăsăm baltă. Sie sind ja gut drauf... tulai doamne.
asil
schrieb am 26.05.2011, 17:08 Uhr
Henny, Basteln Sie an Ihren Plakaten, es ist nicht mehr lang dahin. Ich werde sicher die Fotos mit den Plakaten und der klatschenden Menge bewundern dürfen, oder ziehen Sie doch den nicht vorhandenen Schwanz ein?

Cäsar :
Herr Untsch hat kaum dieses Thema eröffnet um uns nur zu informieren. In seinem Beitrag kommen sogar zwei ? vor.
Ich habe mit dem „Haben Sie einen Vorschlag was getan werden könnte/müsste? Was wir tun könnten?“ gefragt, ob er eine Lösung sieht, bzw. ob er sich von uns etwas erhofft, was wir also tun könnten (nicht müssten). Dass wir außer quatschen nichts tun würden, selbst wenn wir könnten, ist anzunehmen, denn unser schönes Feindbild könnte erbleichen. Auch Lucky gibt es nettes Feindbild ab. Bin gespannt wann es mit Mastema losgeht?
cäsar
schrieb am 26.05.2011, 17:18 Uhr
Asil,

welches Feindbild meinen Sie denn? Ich habe keines, bei Herrn Untch kann ich auch keines erkennen. Es ist eine klare Analyse des heutigen Rumäniens. Leider ist aber alles nicht neu, bzw.alles durchgekaut worden. Und weil Sie mich um Vorschläge bitten, bitteschön: Ausschluss E, P, Gr, I, IR, aus der Eurozone. Ausschluss Ro un BG aus der EU. Im Moment haben jedoch meine Vorschläge keine Mehrheit. Noch!

ave

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