Kann Osteuropa aufholen?

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getkiss
schrieb am 01.04.2012, 10:20 Uhr
Rulmentul/Kugellagerfabr

Von einem ehemaligen Kollegen, der bis zu dem Abwickeln der Firma in verantwortlicher Stellung war, weiss ich dass, obwohl seinerzeit relativ günstige Offerten da waren für die Übernahme der Firma, die "Führer" nicht einverstanden waren und der Maschinenpark veraltete, Kunden brachen ab und es wurde "auf Lager" produziert.
Dann wurde die Fabrik ab 1.1.1991 "privatisiert", wobei die meisten Aktien der abwicklungs-"Fondul Proprietatea" vom Staat übernommen wurden.
Davon gibt es ältere Daten:
www.kmarket.ro/rapoarte/arhiva/rbr2/rbr.html
Es ging abwärts.
Da man sich nicht einigen konnte, hat sich FAG Kugelfischer im Jahr 2002 in Kronstadt niedergelassen und produziert seit 2004 in Neustadt/Cristian. Die besten Angestellten von "Rulmentul" wurden abgeworben und "selektiert"...
www.schaeffler.ro/content.schaeffler.ro/ro/company/company.jsp
Der Verkauf der Firma ging nicht
www.ebearing.com/news2006/020901.htm

Im Juni 2007 wurden die letzten Angestellten vom "Rulmentul" Kronstadt entlassen, im Oktober die Pleite Offiziel:
www.fin.ro/articol_17222/rulmentul-brasov-produce-pierderi-chiar-si-cu-portile-inchise.html
[url]
Als ich noch da arbeitete, wurde 1983 das von uns projektierte Hochregallager eingeweiht, das so weit ich weiss, auch jetzt noch als Vertriebsunternehmen existiert.
Offensichtlich nicht besonders profitabel, das Unternehmen überlebt aus Krediten
www.ziare.com/brasov/articole/actionarii+bad+rulmenti+brasov
und der Wert der Aktien viel drastisch, von ca. 0,72 USA-Dollar auf jetzt ca.0,04, siehe 5-Jahres Aktienkurs in
investing.businessweek.com/research/stocks/charts/charts.asp?ticker=BARU:RO
Tiroler
schrieb am 01.04.2012, 11:23 Uhr
der Wert der Aktien viel drastisch
Fiel Freude (kleiner Aprilscherz).
seberg
schrieb am 01.04.2012, 11:51 Uhr (am 01.04.2012, 12:17 Uhr geändert).
@bankban, deine Fragen bezüglich „warum ist/soll der Westen der Maßstab sein?“ scheinen für manche...die meisten?...eben keine Fragen zu sein, sondern Selbstverständlichkeiten, die mit einem Achselzucken quitiert werden: das Gefälle West – Ost als gottgegeben und quasi „in Ordnung“.

Dabei sind es wichtige und/aber schwierige Fragen, die auf eine unselige, für den Osten schädliche Eigendynamik im Prozess der Beziehung zwischen Ost und West hinweisen: der „fortschrittliche“ Westen als ewiger „Tutor“ und „Lehrer“ gegenüber einem „zurückgebliebenen“ Osten.

Eigendynamik deswegen, weil sich diese Vorstellung in den Köpfen der Menschen hier wie dort festgesetzt zu haben scheint.

Weniger Bevormundung und Überheblichkeit des Westens einerseits, aber auch weniger Bewunderung und blindes Nacheifern des Ostens dem Westen gegenüber (was letzlich nur trotziges u. aggressives Aufbegehren generiert) wäre gut.

In der rumänischen Intellektuellenszene Anfang des vorigen Jahrhunderts, vor allem bei T.Maiorescu und E.Lovinescu, gab es die Diskussion um die „forme fara fond“ (d.h. um die Übernahme westlicher kultureller Entwicklungen, die meist an den äußeren "Formen" ansetzten, wobei der eigentliche "Inhalt" (fond) angeblich oder tatsächlich auf der Strecke blieb), Ersterer war wohl eher dagegen, Letzterer, soviel ich weiß, als unausweichlicher Prozess eher dafür.
getkiss
schrieb am 01.04.2012, 12:49 Uhr
Danke für die Gipfelkorrektur...
Indiana
schrieb am 01.04.2012, 13:02 Uhr (am 01.04.2012, 13:16 Uhr geändert).
D.h. warum ist/soll der Westen der Maßstab sein?

@bankban,
deine Fragen sind mehr als berechtigt.

Ein anderer Weg braucht aber viel Kreativität und Mut.

Welche Alternativen würdest Du vorschlagen ?

Etwa diese ? :
Ein offensichtlich erfolgreicher Geschäftsmann ist auf einer Autofahrt durch ein kleines Städtchen mit einigen Brücken, auf der ein Mann schön in der Sonne sitzend mit einer einfachen Angel versucht einen Fisch zu fangen.
Der Geschäftsmann sieht das von dem Auto aus und lässt seinen Fahrer anhalten, er steigt aus und spricht den Mann an:

Neugierig sagt der Geschäftsmann: „Darf ich Sie fragen, wieviele Fische Sie heute schon gefangen haben?“
Angler: „Bisher nur einen, aber das reicht mir auch, ich angle noch 1h, und wenn ich nichts mehr fange, ist das auch in Ordnung.“
Der Geschäftsmann antwortet darauf unverständlich: „Reicht Ihnen denn der eine Fisch, ist das nicht etwas unbefriedigend?“
Überrascht fragt der Angler: „Nein, wieso denn? Ich bin damit zufrieden!“
Daraufhin der Geschäftsmann: „Wenn Sie täglich länger angeln würden, dann könnten Sie einen Fisch behalten und die anderen auf dem Markt verkaufen. (Der Angler hört interessiert zu.) Und wenn Sie richtig viele Fische fangen würden, dann könnten Sie sich von dem Verkauf Personal leisten, das für Sie die Fische fängt, auf dem Markt verkauft und wer weiß, vielleicht könnten Sie in ein paar Jahren ja ein großer Fischhändler oder sogar der größte Fischhändler der ganzen Region werden…“
Der Angler fragt irritiert: „Und was soll ich dann damit?“
Der Geschäftsmann antwortet wieder entschlossen: „Dann hätten Sie genug Geld und soviel Zeit, dass Sie bei Sonnenschein gemütlich auf der Brücke sitzen und angeln könnten!“


getkiss
schrieb am 01.04.2012, 13:05 Uhr (am 01.04.2012, 13:32 Uhr geändert).
@seberg, die Fragen von @bankban sehe ich durchaus berechtigt.
Und zwar nicht unter dem West/Ost Aspekt, sondern prinzipiell, wie soll die Entwicklung verlaufen. Dieses Problem stellt sich nämlich auch dem Westen. Dort sind aber mehr finanzielle Möglichkeiten vorhanden, wenigstens apparent.
An statt sich mit Gurkenkrümmung, bzw. mit Einmischung in innere Angelegenheiten - die die EU nichts angehen, sollte sich das EU-Parlament eher diesen Fragen der Zukunft widmen.
Wie soll sich die Demokratie, die kaum mehr eine ist, weiter entwickeln?
Auch ich sehe das Industrialisierungszeitalter zur Neige gehen. Nur, die sogenannte "Service"-Gesellschaft, von manchen als Lösung gepriesen, ist auch keine.
Die "alte" Entwicklung beginnt dort weiter zu laufen, wo die Menschenmassen sind, auf anderen Kontinenten. Nur wird es auch dort, durch Kopieren der "Entwicklung" nicht weiter gehen können, bestenfalls eine historisch sehr begrenzte Zeit, aus Mangel an Energie. Irgendwan ist keine Luft (Gas, Erdöl) im (Erd)Ball und auch andere Stoffe werden selten...

Wir jammern über den Benzinpreis "der Multis". Das Gasleck in der Nordsee ist 4 Km. unter dem Meeresboden. In umgekehrter Richtung sind wir auf einem drittel des Weges in das All. Wie ist sowas zu "reparieren"?
Haiduc
schrieb am 01.04.2012, 13:11 Uhr
(D.h. warum ist/soll der Westen der Maßstab sein?)"Der Westen", speziell vielleicht Deutschland, ist kein Maßstab, sondern die Gelegenheit zurück in die Zukunft zu blicken.
Deutschland war einst selbst "Produktionsstandort", sogar mit dem Makel, dass es seine Ware mit "Made in Germany" brandmarken mußte. Was aus diesem "Makel" geworden ist, wissen wir: ein Qualitätsmerkmal, also genau das Gegenteil vom Beabsichtigten. Im Folgenden fand genau so der Rationalisierungsprozess statt, mit den gleichen Wehklagen, wo denn die vielen Arbeiter ihr Auskommen finden sollen und siehe da: sie fanden es. Die Arbeiter im Osten können sich durch diesen "Rückblick" viel Zeit (und Geld) ersparen. Umschulung, Qualifikation und die Einsicht, dass man nicht nur einen Beruf als seine lebneslange Berufung ansieht, sind die ersten Schritte in die Zukunft.
bankban
schrieb am 01.04.2012, 13:17 Uhr
@ Indiana:

a) Ich habe Fragen gestellt. Damit habe ich -konkret- noch nichts negiert, weshalb ich auch keine Alternative nennen muss. (M.M.n.).

b) Die von dir zitierte Anekdote ist eine Erzählung des Nobelpreisträgers Heinrich Böll.
Indiana
schrieb am 01.04.2012, 13:21 Uhr
Ich habe Fragen gestellt. Damit habe ich -konkret- noch nichts negiert, weshalb ich auch keine Alternative nennen muss. (M.M.n.).

War ja auch nur eine Aufforderung, der Du nicht folgen mußt.
getkiss
schrieb am 01.04.2012, 13:36 Uhr
sie fanden es
Ja. Es gab auch solche, die fanden Hartz4. Und solche, die eine um 20% gekürzte Rente bekommen, wenn überhaupt....
gerri
schrieb am 01.04.2012, 16:58 Uhr (am 01.04.2012, 17:10 Uhr geändert).
@ Maßstab hin Beispiel her,meiner Meinung nach war die Zeit die schönste,wo ein jeder einen Beruf erlernen oder studieren konnte alles auf Staatskosten.Sicher war man vielleicht für drei Jahre an eine Firma oder Ort gebunden,konnte aber danach gehen wo man hinwollte und Stellen waren genügend im ganzen Land.Dann sah man den Westen als Beispiel und Alles ging den Bach runter,war es nicht so?

Gruß,Geri
bankban
schrieb am 01.04.2012, 17:52 Uhr
Aber, gerri, diese Stellen in den Fabriken waren doch alle subventioniert und nicht wirtschaftlich. Die Leute waren zwar nicht arbeitslos, aber Arbeit in den Fabriken gab es letztlich auch nicht. Und wenn, waren das doch Produkte miserabler Qualität, die da entstanden. und dann habe ich von der Einschränkung der persönlichen Freiheiten nichts gesagt, aber, ich fürchte, du bist gerne bereit, auf sie zu verzichten...
seberg
schrieb am 01.04.2012, 17:54 Uhr
@gerri: mit deiner Sehnsucht nach der „schönsten“ Zeit bist du nicht allein, in Rumänien gibt es viele davon, die sich diese Zeit zurück wünschen. Den Fehler haben die damaligen Machthaber gemacht: sie hätten Radio und Fernsehen und jeden Kontak mit dem Westen verbieten und verhindern und eine fünf Meter hohe Mauer mit Selbstschussanlage ums Land herum bauen sollen, dann gäbe es diese schöne Zeit dort vielleicht noch heute...was meinst du?
sibihans
schrieb am 01.04.2012, 18:10 Uhr (am 01.04.2012, 18:13 Uhr geändert).
Na das mit der Mauer und Selbstschussanlagen hatten wir auch und hat auch nichts genutzt.
Tiroler
schrieb am 01.04.2012, 19:20 Uhr (am 01.04.2012, 19:22 Uhr geändert).
Gerri (& Co)
Ja, in Siebenbürgen und in Rumänien allgemein war es schön. (Wir waren jung, die Mädchen hübsch, Kondome waren verboten und jede Frau hatte mindestens 4 Kinder zu gebären).
Jeder (? - Sagen wir fast jeder, denn es gab Zeiten in denen nicht jedes Kind einer Akademikerfamilie ohne weiteres einen Studienplatz bekam. 100 Plätze für Arbeiterkinder und 5 Plätze für Akademikerkinder. In der DDR war es noch schlimmer und auch für längere Zeit.). Alles auf Staatskosten – mag sein, aber wer war dort der Staat und wer ist hier der Staat? Dort war der Staat derjenige der z.B. Häuser, Wohnungen usw. in keiner Weise in Stand hielt, geringe Mieten verlangte (sofern man das Glück hatte überhaupt eine Wohnung zu ergattern) und am Ende alles so aussah, wie eben nach 20-40 Jahren ohne Pflege. Jeder konnte gehen wohin er hinwollte (ich denke es war ein enormer Kampf in den Westen auszureisen oder auch nur eine Reise für drei Tage nach Istanbul genehmigt zu bekommen), aber wenn um Arbeitsplatz in Rumänien ging, dann schon. Man suchte einen Arbeitsplatz, verlangte einen Transfer (was nicht genehmigt wurde), musste kündigen und ging. Falls man wenig taugte hatte man Glück. War man aber halbwegs wertvoll erfuhr die alte Firma bald wohin man gezogen war und sorgte dafür dass man in der neuen Firma LA CADRE eingeladen wurde und man, mit echtem Bedauern, mitgeteilt bekam, dass man entlassen werden muss. Die einzige Firma die einen dauerhaft beschäftigen wird wäre die alte Firma. Und schon war auch diese Freiheit vorbei. Wenn man jemanden so im Regat halten wollte, der nach Siebenbürgen wollte, würde man ein gewisses Verständnis haben, aber in anderer Richtung war es genauso.
"Alles ging den Bach herunter" ist richtig, aber was waren die Gründe? Wollte man etwas riskantes auf den Weg bringen, etwas was weniger gekostet hätte, wurde man vom Vorgesetzten gestoppt: "Dacă iese prost, ne consideră sabotori, dacă costă mai mult – nu sunt banii noştri." In gewisser Weise hatte der Mann auch Recht, denn wenn man etwas aus einem gewissen Stahl herstellen wollte, konnte man es entsprechend berechnen, welcher Stahl dann verwendet wurde, war vollkommen dem Zufall überlassen. Wollte man eine Maschine entwerfen musste man gelegentlich auch Gummidichtungen einsetzen. Da es keinen Katalog gab, machte man gleich eine Matrix zum herstellen dieser Gummidichtungen. Mit dieser Matrix ging man in die Gummifabrik und ließ sich die 4 notwendigen Dichtungen herstellen - den Preis einer Dichtung darf sich jeder ausrechnen. Was danach mit der Matrix geschah, weiß kein Schwein. Usw. usw.
Dann sah man den Westen als Beispiel und Alles ging den Bach runter,war es nicht so?
Nein, denn hätte man etwas funktionierendes als Beispiel genommen, wäre es bergauf gegangen. Die Japaner, die Chinesen haben viel abgekupfert, aber eben richtig.
Auch die Rumänen sind fähige, eventuell sogar sehr fähige Leute. Wenn das System dem sie ausgesetzt waren / sind Scheiße ist, dann geht der Rumäne irgendwohin und das Land den Bach runter.
Aber es gibt Hoffnung. Ein Schweizer wandert dorthin aus und wird entsetzt die Realität zur Kenntnis nehmen. Zu stolz um zurückzukehren wird er sich dran machen Rumänien auf den richtigen Weg zu bringen (noch ein kleiner Aprilscherz).

Der Fehler lag nicht im Nichterrichten einer 5m Mauer usw. sondern darin, dass den Menschen nicht entsprechende Bedingungen geboten wurde (wahrscheinlich vom Kommunismus gar nicht geboten werden konnten). Nach dem Krieg hätten sich einige auf den Weg in ein solches Land begeben, so wie viele nach Amerika (nicht nur USA oder Kanada) gegangen sind.

"Nu ne vindem ţara" (pe bani buni). O facem praf şi o aruncăm la gunoi.

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