Hinrichtung von Ceausescu

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bankban
schrieb am 09.11.2009, 12:45 Uhr (am 09.11.2009, 12:55 Uhr geändert).
Hallo,
ich möchte ein Thema ansprechen, an das ich öfters schon gedacht habe. Gestern Abend im "Spiegel TV" kam ein Beitrag über Erich Honecker. Am Ende des Beitrages äußerte sich J. Gauck (wenn ich mich nicht täusche) sinngemäß, dass er es Schade fand, dass Honecker letztlich nicht zur Rechenschaft gezogen wurde. Denn schließlich habe er das Böse (mit)-organisiert und wenn auch nicht aus Rache oder Vergeltung, so doch als eine Art von Widergutmachung hätte er es für gut befunden, wenn Honecker irgendwie bestraft worden wäre. Diese Haltung von Gauck kann ich sehr gut nachvollziehen, denn auch ich dachte oft so über die Hinrichtung des Ehepaares Ceausescu. Mich würden Meinung dazu interessieren: was habt ihr damals oder auch danach empfunden? War es richtig, die beiden zu erschießen? Oder hätte man sie doch lieber einsperren, hungern lassen etc. sollen?
pedimed
schrieb am 09.11.2009, 13:05 Uhr (am 09.11.2009, 13:08 Uhr geändert).
Das erschiessen war für den Staat billiger als die Wächter und die Arrestspeisen über lebenslängliche Jahre!!!!! Vielleicht wären sie auch durch Amnestie freigekommen und hätten wieder eine Funktion erkämpft, die ihnen die Macht in die Hände spülte?????
seberg
schrieb am 09.11.2009, 13:09 Uhr (am 09.11.2009, 13:11 Uhr geändert).
Es war natürlich nicht richtig, dass mit den Ceausescus kurzer Prozess gemacht und sie hingerichtet wurden. Bestrafen ja, auch extrem hart, aber ein "langer Prozess" und lebende Ceausescus hätten dem ebenfalls notwendigerweise langen Prozess zur Demokratisierung in Rumänien wohl überhaupt erst mehr Chancen gegeben, das Vergraben und Verdrängen der kommunistischen Zeit wäre nicht so einfach gewesen und die ganzen darauf aufbauenden schlimmen Entwicklungen nicht so leicht möglich, denke ich. Auch hier gilt das, woran dankbarerweise Lavinia in einem Kommentar erinnert: „Diese und viele andere Verstrickungen gären unter dem Deckmantel des Vergessens und Verdrängens“.

Und das Gären will kein Ende nehmen, gerade wegen dem schnellen und kurzen Prozess.
sächsin
schrieb am 09.11.2009, 18:49 Uhr
gewalt ist immer unrecht. ist un-menschlich.
ich habe damals, kind der ddr, im dezember 1989 gerade in der küche am warmen herd gestanden, mein baby, frisch gebadet, im arm und ich hörte im radio die nachricht von der erschießung der beiden ceausescus ( ich glaube, es ist falsch geschrieben, nicht wahr?).
mich hat die nachricht trotz allen wissens, was man euch wie uns angetan hat in grausamster unfreiheit und unterdrückung, erschüttert und gleichzeitig durchströmte mich das gefühl von warmer dankbarkeit im erkennen, welch wunder eigentlich in der ddr geschehen war, - eine FRIEDLICHE revolution. dafür bin ich heute noch dankbar, denn für gewalt im umsturz unseres landes hätte ich mich, auch wenn ich nicht beteiligt gewesen wäre an dieser, mit geschämt.
es ist gut, dass hier überhaupt auch an dieses thema der gewalt vor 20 jahren erinnert wird, denn es ist sehr traurig, dass täter nicht nur selbst oft genug auch einmal opfer waren, sondern dass opfer zu tätern wurden.
lori
schrieb am 09.11.2009, 20:26 Uhr
Hallo Allerseits,

Erstens: heute feiern wir 20 Jahre Mauerfall. Dieses Ereignis sollte jedem zivilisierten Menschen Anlass zur Freude geben.

Zu Ceauşescu: ich weiss nicht wie es Euch geht, aber die Zeit, die sogenannte ex Post Betrachtung bringt eine gewisse Altersmilde mit sich! Vor 20 Jahren, da lebte ich schon einige Monate in D, war ich rachesüchtig und ich fand die Hinrichtung sogar zu milde!Ich hatte durchaus drastischere Möglichkeiten im Kopf.(ZB. vor dem Volk erhängen)

Im Laufe der Jahre reifte bei mir die Erkenntnis, dass die Hinrichtung ein Fehler war.Dafür, dass man ihn hingerichtet hat, gibt es wahrscheinlich soviele Argumente wie dafür, dass man ihn nicht hinrichten hätte sollen. Dafür braucht man keine wissenschaftlichen Forschungen a la Gabannyi! Wenn jedoch eine neue Gesellschaft entsteht, die den Anspruch auf Demokratie und Humanität reklamiert, darf sie nicht mit so einem gewaltigen Fehltritt starten!

Gruss
Lori
Serban
schrieb am 11.11.2009, 09:58 Uhr (am 11.11.2009, 10:00 Uhr geändert).
Servus

Damals haetten wir zweifellos die beiden gelyncht, haetten sie in unseren Haenden (Krallen ) geraten.
Die hastige Hinrichtung fand ich damals doch ein bisschen dubios, machte mir aber keine Gedanken darueber. In ein paar Monaten aber ist klar geworden, dass sein Tod die Ausarbeitung der kommunistischen Vergangenheit verhindert hat. Die Chance haben wir damals verpasst und die kommt nicht wieder... Kurz gefasst: das war ein Fehlstart fuer Rumaenien.
Andrei
Extruder
schrieb am 11.11.2009, 11:34 Uhr
Hallo Zusammen, die Hinrichtung der Ceausescus war nicht in Ordnung, obwohl ich unter seinen Schergen der Securitate auch verfolgt wurde. Bin schon 1972 aus Rumänien geflüchtet, wurde bei meinen Besuchen oft verfolgt und auch des öfteren zur Securitate zitiert. Wären sie nicht exekutiert worden, wären auch Andere entdeckt worden, die für das "Unrecht" in diesem Land verantwortlich waren. Dafür sitzen sie jetzt wieder unentdeckt in Amt und Würde, so dass die Vergangenheit nicht richtig aufgearbeitet werden kann.
Wünsche dem Land trotzdem alles Gute bei der Demokratisierung!
Ernst Recker
bankban
schrieb am 12.11.2009, 09:21 Uhr
Fand ich sehr interessant, Extruder, und danke für die Meinung!
lori
schrieb am 14.11.2009, 22:33 Uhr
Hallo Alerseits,

Kollege Andrei,

ich hoffe doch sehr, dass die Aufarbeitung der Geschichte nicht von der Hinrichtung eines Ehepaares abhängt und seien diese Staatshäuptlinge!In Ro läuft alles etwas langsamer, bis auf den Bau neuer Mc Donald`s- Fillialen, aber die Hoffnung sollten wir nicht aufgeben. Ich glaube der grosse "Knall" steht uns noch bevor, in einigen Jahren, dann aber werden Leute in die Verantwortung genommen, die am wenigsten mit der Vergangenheit zu tun haben.

Eine Zahl die mir unwahrscheinlich scheint, die ich letztens wohl im Zusammenhang mit Herta Müller gelesen habe: 80% der Pfarrer in Ro waren Securitate- Mitarbeiter. Kannst Du dazu etwas sagen ?

Herr Recker,

Haben Sie vielleicht ein Buch über die Partisanen in den rumänischen Karpaten herausgegeben?

Gruss
Lori
rhe-al
schrieb am 14.11.2009, 23:57 Uhr
@lori, du meinst wahrscheinschlich das Buch:
Banditen, Spione oder Helden? von Karl-Heinz Brenndörfer, oder?
lori
schrieb am 16.11.2009, 11:36 Uhr
Jawohl, Entschuldigung Herr Recker!
rhe-al
schrieb am 16.11.2009, 12:25 Uhr (am 16.11.2009, 12:26 Uhr geändert).
In der rumänischen Zeitung Adevărul gibt es eine ganze Folge von interessanten Atikeln mit Rekonstruktionen der letzten 3 Tage des Diktators vor seiner Hinrichtung.

Link: http://www.adevarul.ro/categorii-principale/actualitate/sfarsitul-lui-ceausescu.html
pavel_chinezul
schrieb am 16.11.2009, 12:28 Uhr
So sehr ich die Emotionen verstehen kann, die im Dezember 1989 zur Hinrichtung der Genossen Ceausescu geführt haben, umso dienlicher ist es die Handlungen, 20 Jahre später, etwas nüchterner zu betrachten.

Ich bin grundsätzlich und ohne Wenn und Aber gegen die Todesstrafe. Fakt ist, dass zu dieser Zeit die Todesstrafe in Rumänien (welch Ironie der Geschichte: ca. 1865 abgeschafft und ca. 1939 wieder eingeführt) noch gültig war und mit der Hinrichtung der Genossen, wieder abgeschafft wurde. In Ceausescus Zeit wurde die Todesstrafe meistens wegen vielfachen Mordes und des "schwerwiegenden Diebstahls von Staatseigentum" gefällt worden. Stellt euch vor unsere Manager, die sich unrechtmäßig bereichert haben, müssten sich vor der Todesstrafe fürchten.

Wenn man wegen der Nichtigkeit des Diebstahls hingerichtet wurde (wobei es um sehr große Summen ging, glaube in Millionenhöhe), dann ist doch wohl der Befehl die Tötung von Landsleuten in Kauf zu nehmen (in Temeswar wurde am 16.12.1989 von Ceausescu befohlen, die Ordnungskräfte mit Kriegsmunition auszustatten) wohl sehr viel schwerwiegender. Aus diesem Grunde wurde nach damaliger Gesetzeslage gehandelt. Kritiker könnten sagen, man hätte die Todesstrafe vorher abschaffen können. Im Nachhinein ist man immer schlauer. Ich weis es wirklich nicht, was besser gewesen wäre, aber ich denke, dass bei Vielen der Wunsch bestand, die Diktatoren so schnell wie möglich loszuwerden und die Hinrichtung begrüßten.
CaptainSmollet
schrieb am 16.11.2009, 13:48 Uhr

In Ceausescus Zeit wurde die Todesstrafe meistens wegen vielfachen Mordes und des "schwerwiegenden Diebstahls von Staatseigentum" gefällt worden. Stellt euch vor unsere Manager, die sich unrechtmäßig bereichert haben, müssten sich vor der Todesstrafe fürchten.

Da sind allerdings weniger Fabrikdirektoren die sich nebenbei bereichert haben, an die Wand gestellt worden, sondern z.B. die Autoren des Überfalls auf einen Geldtransport der Nationalbank usw.
Sowie Personen die des "Hochverrats schuldig gemacht haben".
bankban
schrieb am 16.11.2009, 14:02 Uhr
Hallo Captain,

meinen Sie diesen Überfall 1959? Da lief mal ein Doku drüber im Fernsehen. Ich glaube, zumindest eine der Botschaften des Dokus, übrigens, war, dass '59 die Regierung (mal wieder?) auf einer antisemitischen Welle ritt. Daher waren die meisten Hingerichteten Juden gewesen. (Die waren immer suspekt gewesen: Kontakte ins Ausland/nach Israel, Kosmopolitismus, Bürgerlich, politisch liberal etc.).

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