Sachsesch Wält

Agnetha Feierabend

Det Siweberjesch Medchen

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Siweberjen, genuunt det Luund hanjerm Bäsch:
De Luundscheft hiesch, hijjelij, net grued wä der Däsch,
do huet em hiesch uch geat geliëwt,
troatz viller Oarbet, det Brochtum word gefliëjt.

Det Medche kum zer Wält wiërend dem Kräj.
Näst bekum ät mät, ät lauģ ifoach än der Wäjj.
Ät word gewäjjt vun der Motter uch Gesäster,
ständij word em Inijet gepespert.

Wor ät dro gresser, schaazt ät seng Älder sihr geplooģt.
Zehre flussen, dro huet ät se gefrooģt:
„Waräm sed ir Dauģ für Dauģ gekrinkt?
Diet ich äst wih? Huet er ich e Glädd verrinkt?“

De Älder soden: „Daut Lid, dat mir än es dron,
verschwejje mir nimmih, mer wällen dir et son.
Deng älst Säster äs kee Russluund verschlapt worden,
mir wässen net, äs et noch um Liëwen odder gestorwen.“

De Älder versackten em ze erkleren:
Et geng uch äm de Entiejnung vun ärem Vermejen:
„Genuin huet em es Grangd, Woanjert, Getter. Sächer äs dir nea klor:
Mir bleiwen trourij uch uerem bäs än de Bohr. “

Speter mosst ät seng Hiemet verloassen,
dä hiesch Gemien mät drua inije Goassen.
Ät zuģ än en Stoadt, ät wor gezwangen,
en Beroff ze lihren, äm iwwerliëwen ze kannen.

Striëwsem wor ät äm Lieren,
Geeld wor nichen zem Studieren.
Begiestert wor ät vum ousgewiëlte Beroff,
die glatt af senge Kängderdrum trauf.

Sihnsucht no der Hiemet hat ät ängde wedder.
Oft fiahr ät hiem, ow Soann odder Gewädder.
Ät fruat sich, de Älder, Gesäster ze sähn,
uch dä vill Blommen, dä äm Guerte blähn.

Un de Feierdaje spilden de Adjuvanten zem Duunz.
Än oallen Uģen e strohla Gluunz.
Tango, Polka, Walzer kumen ä Frooģ,
em häw duunze kännen en guunz Woch.

De Jugend, ugeziuģen än der Truecht
ze betruechten: En Pruecht!
Em verspiert de Geschloßenhiet der Mänschen –
hekt kuun em sich dä norr noch wänschen.

Dett oalles wor für longer Zekt.
Stuulz af as Sachsen se mer uch hekt.
Auls gewässenhaft, fleißij se sä bekuunt,
dië giade Roff hu sä uch hä äm detsche Luund.

Kassel, April 2022

Das siebenbürger Mädel - Hochdeutsche Übertragung

Siebenbürgen, das Land hinterm Wald genannt:
die Landschaft schön, hügelig, nicht eben wie der Tisch,
dort hat es sich einst gut gelebt,
trotz vieler Arbeit, Brauchtum wurde gepflegt.

Das Mädel kam zur Welt während des Krieges.
Nichts bekam es mit, es lag bloß in der Wiege.
Es wurde geschaukelt von der Mutter und Geschwistern,
einiges Schönes ihm geflüstert.

War es dann größer, schätzte es die Eltern sehr geplagt.
Tränen flossen, dann hat sie sie gefragt:
„Warum seid ihr Tag für Tag gekränkt,
habt ihr Schmerzen im Gelenk?“

„Das Leid, das wir in uns tragen,
verschweigen wir nicht mehr, wir wollen es dir sagen.
Deine älteste Schwester wurde nach Russland verschleppt,
wissen nicht, ob sie gestorben oder noch lebt.“

Die Eltern versuchten ihm zu erklären:
Es ging auch um die Enteignung ihres Vermögens.
„Enteignet wurden uns Vieh, Grund, Wiesen – ist es dir nun klar?
Traurig und arm werden wir bleiben bis ins Grab.“

Später musste es seine liebe Heimat verlassen,
den schönen Ort mit den drei schönen Gassen.
Es zog in die Stadt, es war gezwungen,
einen Beruf zu erlernen, um überleben zu können.

Strebsam war es im Lernen,
kein Geld fürs Studieren.
Begeistert vom auserwählten Beruf,
der genau auf ihren Kindertraum traf.

Sehnsucht nach der Heimat hatte es immer wieder.
Oft fuhr es nach Hause, ob Sonne oder Gewitter.
Es freute sich, seine Eltern und Geschwister zu sehen,
und die vielen Blumen im Hof und Garten, die blüh’n.

Zu den Feiertagen die Adjuvanten spielten zum Tanz.
In all den Augen ein strahlender Glanz.
Tango, Polka, Walzer kamen in Frage,
auf die schöne Musik hätte man tanzen können einige Tage.

Die Jugend, schön gekleidet in der Tracht,
sie zu betrachten: Eine Pracht!
Man verspürte die Geschlossenheit der Menschen,
heute kann man sich die nur noch wünschen.

Dies alles war vor langer Zeit.
Stolz auf unsere Sachsen sind wir noch heut’.
Als gewissenhaft, fleißig bekannt,
den guten Ruf haben sie auch hier in Deutschland.

Übersetzt von Agnetha Feierabend

Zusätzliche Informationen

Die Erinnerungen, die Agnetha Feierabend in diesem Gedicht beschreibt, knüpfen an schlimme Begebenheiten in ihrem Leben an: das Leid in der Familie durch Russlanddeportation von Angehörigen und die Enteignung des landwirtschaftlichen Besitzes, eingeschränkte Berufswahl und schließlich die unstillbare Sehnsucht der Spätaussiedlerin nach vergangener kultureller Gemeinschaft. Mit diesen Erinnerungen, das zeigt die verallgemeinernde Form der Überschrift, weiß sich die Autorin nicht allein. Viele Frauen und Männer, die Gleiches erlebt haben, tragen ähnliche, belastende Gefühlserlebnisse mit sich herum. Es sind Traumata der siebenbürgisch-sächsischen Nachkriegsgeneration.

Quelle: Siebenbürgische Zeitung vom 13. März 2023, Seite 6

Ortsmundart: Hamlesch