Sachsesch Wält

Agnetha Feierabend

Silvester än der åålden Hiemet

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Et wor imol, esi fet en jed Mehrchen un,
net salden trafft em Fuss uch Wulf do un,
hä awwer äs de Riëd vun er hiescher Gemien,
do woren de Hamlescher Sachsen derhiem.
Et äs de Gemien, wo mir Kängd- uch Jugendzetch verbruecht,
wo mir as läw Vürfuehren zer iwijen Riah geluecht.
Et äs de Gemien, wohär mir longhar dervun,
sächer erscheïnt se jedem sihr oft äm Drum.

Datt mir do Silvester gefeiert hun, äs bekunt,
für Innij schuin mih åls zwe Johrzahnt.
Cliquenweïs det em sich zesummen,
äm ze feiern än de gresste Stuwwen.
Um Owend tråf em sich paarcheweïs,
af Eßen uch Gedrink luecht em gruiße Preis.
Det Fraachen, hiërgericht guer hiesch,
ät draģ de Korw mät Kachen, gebrodän Wurscht uch Fliesch.
Der Mun draģ det Kräjeltchen, daut ägeflucht,
det Mell less äm Wasser, wunn hie un sengen Änhålt ducht.

Bäs Mätternuecht verbruecht em mät Erziëlen, Duunzen uch Sanjen,
u verschiedän Sachen aus dem vergongane Gohr sich ze besännen.
Äm zwelf des Nuechts wor de guunz Gemien af de Fessen.
Em tråf sich af dem Muert, äm ze sanjen, blousen uch zem Schessen.
Vum åålde Gohr nuhm em Uefschied
mät em undaachtijen Psamlied.
De Adjuvanten spilden et guer rährend,
et flussen siguer munch Zehren.
No Zwelfen dro word gesangen uch geschoßen,
de Adjuvanten woren äwrij bäm Blosen.
Der Burjhäder less sich net spoten,
hie zuch de Kirchekloken.
Em scheddelt sich de Hongd, wänscht sich Gläck,
durchgefrühren geng em än de Stuwwen zeräck.

Der Korw word ausgepoackt,
af den Däsch kum det Ägesackt.
Hat dro geschmoackt det Fliesch uch de Wurscht,
gauw et en echte Weng für den Durscht,
die wor de Uefrondung vum Guunzen,
et geng dro wekter mat Sanjen uch Duunzen.
Der Musikant hat seng Mäh
bäs zem Morjegrohen an der Fräh.

Der Gemienscheftssänn äs bäs hetch net vergeßen,
mät Wierter kun em de Wiërt net ermeßen.

Pforzheim, 1999

Silvester in der alten Heimat - Hochdeutsche Übertragung

Es war einmal, so fängt jedes Märchen an,
nicht selten trifft man Fuchs und Wolf da an,
hier aber ist die Rede von einer schönen Gemeinde,
da waren die Hamlescher Sachsen daheim.
Es ist der Ort, wo wir Kinder- und Jugendzeit verbracht,
wo wir unsere lieben Vorfahren zur ewigen Ruhe gelegt.
Es ist die Gemeinde, von wo wir schon lange Zeit fort,
aber sicher träumt man öfter davon.

Dass wir Silvester dort feierten, ist bekannt,
für einige schon mehr als zwei Jahrzehnt.
Cliquenweise tat man sich zusammen,
um zu feiern in den größten Stuben.
Abends traf man sich pärchenweis,
auf Essen und Getränke legte man großen Preis.
Das Frauchen, gekleidet sehr schön,
trug den Korb mit Kuchen, gebratener Wurst und Fleisch.
Der Mann trug das eingeflochtene Krüglein mit Wein,
sein Mund wässerte, wenn er an den Inhalt dachte.

Bis Mitternacht verbrachte man mit Erzählen, Tanzen und Singen,
an verschiedene Sachen des vergangenen Jahres zu erinnern.
Zwölf Uhr nachts war das ganze Dorf auf den Beinen.
War es auch bitterkalt, es kümmerte keinen.
Mitten im Dorf, am Markt, kam man zusammen,
um zu blasen, schießen und singen.
Vom alten Jahr nahm man Abschied
mit einem andächtigen Psalmlied.
Die Adjuvanten bliesen es so rührend,
dass sogar manch Tränen rannen.
Nach zwölf Uhr wurde noch lange gesungen und geschossen,
die Adjuvanten waren noch lange eifrig am Blasen.
Der Burghüter ließ sich nicht spotten,
kräftig zog er an den Kirchenglocken.
Man schüttelte sich die Hände, wünschte viel Glück,
durchgefroren ging man in die Stuben zurück.

Der Korb wurde ausgepackt,
auf den Tisch kam das Eingesackt‘.
Hatte dann geschmeckt das Fleisch und die Wurst,
gab es einen echten Wein für den Durst,
der war die Abrundung vom Ganzen,
es ging weiter mit Singen und Tanzen.
Der Musikant hatte seine Müh‘
bis zum Morgengrauen in der Früh.

Der Gemeinschaftssinn, nicht zu vergessen,
mit Worten kann man ihn nicht ermessen.

Übersetzt von Agnetha Feierabend

Anmerkungen zum Text, Worterklärungen

Innij – Einige
ägeflucht – eingeflochten, hier: Korbflasche
Psamlied – Psalmlied, hier: Gesangbuchlied

Zusätzliche Informationen

Silvester mit seinem Feuerwerk rund um den Erdball ist ein Fest purer Lebensfreude. Es beweist die Macht solcher Freude, dass sie in Siebenbürgen, wie die Erinnerung von Agnetha Feierabend zeigt, auch durch widrige Nachkriegsereignisse nicht unterdrückt werden konnte. Aus der arbeitsplatzbedingten Zerstreuung im Lande war man im Heimatort, in diesem Fall Hamlesch im Unterwald (Mühlbacher Gegend), über die Feiertage zusammengekommen. An Silvester traf man sich gegen Mitternacht in der Dorfmitte, um mit Glockenklang und dem Singen eines Gesangbuchliedes das alte Jahr zu verabschieden und gleichzeitig das neue einzugrüßen. Pyrotechnik gab es damals zwar noch nicht, geschossen wurde aber trotzdem, und zwar von den örtlichen Jägern. Danach ging es zum eigentlichen Feiern im vertrauten Freundeskreis, der oft durch den Geburtsjahrgang gegeben war. In Siebenbürgen war für diese Freundeskreise meistens die Bezeichnung „Kränzchen“ üblich. Im vorliegenden Text wird dafür die etwas moderner klingende Bezeichnung „Clique“ verwendet.

Das Gedicht von Agnetha Feierabend verklärt die Vergangenheit nicht, sondern lässt durch pralle realistische Schilderung das als schön Erlebte nachvollziehbar werden. Geht man der Frage nach, welche Einzelheiten sich zum schönen Erinnerungsbilde fügen, dann sind es vor allem die gemeinschaftstragenden Momente wie das Tanzen, Singen und Sich-Austauschen („erzählen“). Im Schlussteil des Gedichtes heißt es: „Der Gemienscheftssänn äs bäs hetch net vergeßen…“.

Quelle: Siebenbürgische Zeitung vom 15. Januar 2024, Seite 6

Ortsmundart: Hamlesch