Sachsesch Wält
Ault Hoimet, Siweberjen!
Info Johann Nägler • Ortsmundart: Stolzenburg • 4:11 Minuten • Herunterladen
Siweberjen, aus ault Hoimet,
sa bliw aus trau – mir hu se verluossen.
Und se’ mir hetj noch vauler Woihmet,
oist woarde mir se gemz hu vergaißen.
Laitzt Zetj ech uaft meß dinken,
woroam se’ mir iwerhoift awaich?!
Woi wird aus Schrätt än der Fremd linken,
hu mir do Gläck oawwer moih Pech?!
Oallest hu mir oifach do geloassen,
än Detschlymd wule mir kunn.
Oijentlich haiwe mir guer net messen,
mir soalwest wulen et jo asi hun.
Wuet äs ais der aulder Hoimet woarden,
wut äs oijentlich woarden ais mir?!
Hun ech enzt Fraud, oawwer moih Soarjen,
hun ech moih gewonnen, wä wuat ich verliur?!
Näckest häiwen aus Viurfäohren däut geahnt,
datt mir sa oist warde verlossen, verroden.
Sa hun däot allest awwer net verdaant,
sa hun do geschuft, mät Mah uch Plouģen.
E jeider dinkt zeräck u seng Gemoin,
un de Burj um Räich, de Kirch äm Daul.
Do wäore mir oist sächer, derhoim,
et äs verbä, woat heisch oist wäor dämel.
Et äs ställ hui iuwen än dem Turn,
de Gläoken häihen oawwer nouch.
De Foeste sen durchfräiße vum Wurm.
Bliwen äs do nuerr en ault Blouch.
Iwwer de Fridhof Krohe fläjjen,
de Blämme se’ längst schoi verblaht.
Nemmest moih äs, de Grouwer ze flejen,
det Graus freiße Schoef, da nemmest haat.
Der Bäsch asi trairij aussetj um Räich,
plätschern hoirt em nichemoih Brännchen.
De Wise se’ moist nuerr verdrejjt,
verstoappt äs uch det Woasserrännchen.
Um Bäschrymd säoß em Hymd än Hymd
mät dem oirschte Liawken, asi verlawt.
Det Soangen der Vijjel vun dämels äs verstummt,
de Soil der Mäinschen uch moist bedrawt.
E jeider hout gegrosst, mät Reide sich verständijt,
gesoange word, zesumme kum em än de Goass.
Na se’ mir ja modern, mir hun det Foto-Handy,
et wird gechatet, em bekitt en SMS.
Wuet sellen aus Kanjdj uch Änkeln noerr son?!
Wa long wird em aus Soachsesch näoch hoiren?!
Ech geen ä reecht, ech ku sa verstohn:
Wohär selle sa de Sprouch nuerr loiren?!
Woi saul nauch aus soachsesch Loidcher soangen,
Wu’ sa bauld fast nemmestmoih hoirt?
Asi woarde sa oist gemz verkloangen,
mät än uch det laitzt soachsesch Wiurt.
Nichemoih Leiwen äs än de Gassen uch Stuwwen,
der Meirter vun de Maiern – eräogefoallen.
Verlässt am na uch näoch de chrästliche Gluwen?
De Kirche se’ nuerr nauch gruiß, laddij Hoallen.
Det soachsesch Voulk äs än oaller Wält,
zerstraut, wuet oist asi oinij wäor.
Nästmoih äs, wuet et zesummenhält,
noirest derhoim, iwweraul de Fremden nuerr.
Iwwer aujchthanjdert Gouhr Soachse-Geschicht
wird sächer en Bäoch emmest schreiwen.
Et äs nuerr de Frouģ, woi et uch list?
Vill moih wird wiohl nimmi iwrijbleiwen.
Sa bliw aus trau – mir hu sa verluossen.
Und se’ mir hetj noch vauler Woihmet,
oist woarde mir sa gemz vergaißen,
Siweberjen, aus ault, daier Hoimet.
Dezember 2007
Anmerkungen zum Text, Worterklärungen
Das Zeichen y steht für einen dem rumänischen î/â ähnlichen Laut.Zusätzliche Informationen
Die Mehrheit der Siebenbürger Sachsen hat infolge von Ereignissen der Kriegs- und Nachkriegszeit ihre Heimat verlassen. Dadurch kam es zum Umbruch einer jahrhundertealten kulturellen Tradition. Befürchtungen, dass sie in den neuen Ansiedlungsgebieten verloren gehen könnte, und gleichzeitig schmerzvoll beobachtete Verfallserscheinungen in der alten Heimat waren bei der Erlebnisgeneration vielfach vorhanden und führten gelegentlich auch zu Zweifeln, ob die Entscheidung auszuwandern richtig gewesen sei. Die erwähnten Aspekte findet man ausführlich dargestellt in dem 2007 entstandenen Gedicht „Ault Hoimet, Siweberjen“, das wir als literarisches Zeitdokument hier ungekürzt wiedergeben.Dankbar können wir heute feststellen, dass sich die schlimmsten Befürchtungen nicht bewahrheitet haben: Es gibt kein Ende des Siebenbürgisch-Sächsischen – weder in der alten Heimat noch in den neuen Heimaten. Das Wertvollste am siebenbürgischen Erbe, noch über Sprache und Tracht hinaus, ist aber wohl der Gemeinschaftssinn, dass man sich um den andern kümmert.
Das Gedicht „Ault Hoimet, Siweberjen!" war Johann Näglers Debüt als Mundartautor.
Quelle: Siebenbürgische Zeitung vom 15. März 2022, Seite 12
Ortsmundart: Stolzenburg