Sachsesch Wält
Hiemettroa
Info Wolfgang Binder • 1:32 Minuten • Herunterladen
Treorich scherrelt sich der Bäsch uew se’ farwich Klied
und et spännt der Härwest driw Fäddem ohnen Zuehl.
Vill, vill teosend Schwalwen hiuh iwerm Wisenduel
saingen noch viur Treoreget lies det Uewschiedslied.
Härwestniëwel iwer Nuecht hemlich nederschliet
af de Iërd, af Bleamen, Strech, bäs sä allen kuehl.
Mätlied dräckt de Mängschebrast, uch de Schëire vuel,
Wihmeat huet sich iwert Lånd necklich äosgebriet.
Eangder dem Gesims, do stohn Näster steall uch kålt.
Wihmeat less de Schwalw zeräck, und se kitt net båld
än de Hiemet hiër zeräck. – Norr wonn’t Frähjohr kitt,
saingt sä eangder dem Gesims friuh det Hiemetlied.
Driw de Wealt vu nå’m erwacht, Frähjohrsstämmen hirt.
Wat de Hiemettroa bedegt, eas det Schwalwke lihrt.
Zusätzliche Informationen
Die anspruchsvolle Form ist in der siebenbürgisch-sächsischen Mundartdichtung ungewöhnlich: Es ist ein Sonett. Man erkennt Sonette leicht an ihrer feststehenden, bereits im 13. Jahrhundert in Italien herausgebildeten Gestalt: zwei Vier- und zwei Dreizeiler, einheitliches Versmaß und vorgegebene Reimabfolge. Ein Meister des Sonetts war neben vielen anderen beispielsweise der englische Dramatiker Shakespeare. Entgegen der Tradition hat Frida Binder-Radler aber den Trochäus (mit betonter erster Silbe) als Versfuß gewählt. Jede Zeile ihres Gedichts besteht aus sieben Trochäen mit einer Zäsur nach dem vierten. Wir haben hier ein schönes Beispiel dafür, dass sich auch der Dialekt für kunstvolle Poesieformen eignet.Das Gedicht wurde dem Band: Frida Binder-Radler, Gedichte in siebenbürgisch-sächsischer Mundart, herausgegeben im Eigenverlag von Wolfgang Binder, Augsburg 2005, entnommen.
Quelle: Siebenbürgische Zeitung vom 31. Oktober 2012, Seite 6
Ortsmundart: Mediasch