Infobröschüre zur Bistritzer Kirche

15. September 2005

Mitteilungen der HOG

Ein siebenbürgisches Juwel bricht sein Schweigen
Gleich zu Beginn sei es klar gesagt: Ich beherrsche das Stadtbild von Bistritz, jahrhundertelang wirtschaftliches, politisches, kirchliches, kulturelles Zentrum der Nordsiebenbürger Sachsen.
Ich bin neben der Schwarzen Kirche in Kronstadt, oder der imposanten Stadtpfarrkirche in Hermannstadt bzw. den hunderten wertvollen siebenbürgisch-sächsischen Kirchenburgen auch ein markantes Beispiel abendländischer Kulturleistung in Siebenbürgen.
Dass der gotische Baustil, den ich stolz zur Schau trage, meine west- bzw. mitteleuropäische Prägung dokumentiert, ist unübersehbar.
Bevor mich 1559 bis 1563 kluge Baumeister errichteten – Chefarchitekt und Bauleiter war der Italiener Petrus Italus, den man aus dem galizischen Lemberg (heute Lwow in der Westukraine) nach Bistritz lockte und der auch Mauerteile meiner romanischen Vorgängerin mit einbezog – gab es in der Bürgerschaft der Stadt Bistritz viele heftige Debatten. Es war zwar allen klar, dass unsere alte, dem heiligen Nikolaus geweihte Kirche (um 1275 als Franziskanerklosterkirche entstanden) den Erfordernissen der Zeit nicht mehr entsprach. Sie war längst zu klein, stark renovierungsbedürftig und – sagen wir es frei heraus – inzwischen war ein neuer Baustil Mode und wir wollten auch mit der Zeit gehen. Über einen Neubau hat man sich einigen können. Strittig war lediglich, wie so oft im Leben, die Finanzierung. Guter Rat war hier teuer.
Eine Spendenaktion über die Siebenbürgische Zeitung kam nicht in Frage, die wurde erst rund 400 Jahre später in Deutschland begründet. Vom damaligen Gräfen der sächsischen Nation (Sachsenkomes) Peter Haller aus Hermannstadt gab es ebenso keine fi nanzielle Unterstützung wie vom sächsischen Bischof Mathias Hebler oder vom damaligen Landesherren Siebenbürgens, dem ungarischen König Johann II. Sigismund Zápolya. Und die HOG Bistritz, die gab es noch nicht.
So mussten meine Bistritzer Bürger wieder mal tief in ihre eigenen Taschen greifen. Darüber hat sich auch niemand wirklich aufgeregt. Die Bürgerschaft wollte ein Juwel und wusste, dass ihr dies nicht geschenkt wird. Deswegen haben es die Bürger selber bezahlt und gebaut. Jeder nach seinen Möglichkeiten: Die durch den blühenden Handel damals reich gewordenen Kaufl eute ebenso wie die gut situierten Handwerker in ihren seit 1367 bestehenden Zünften. Fester Glaube, Tatkraft, Fleiß, Hartnäckigkeit, die Bereitschaft, sich für das Gemeinwesen einzusetzen – mit Geld und Rat und Tat – das alles fehlte meinen Bistritzern, meinen Siebenbürger Sachsen all die Jahrhunderte nicht.
Zupackend schaff ten es die weit weniger als 5.000 Bistritzer mit Geld, mit Ideen, mit freiwilligen Arbeitsleistungen, mich solide zu errichten – ich messe vom Westportal bis zum Chor 45m, die mittlere Breite meiner drei Schiff e 20 und die Gewölbehöhe 28 Meter – prachtvoll auszustatten und für meine nicht billige Instandhaltung fast 400 Jahre aufzukommen. Auf meine Siebenbürger Sachsen war Verlass. Wir haben dabei Gutes und Schlimmes erlebt: Friedenszeiten und Wohlstand, Sicherheit und Festhalten an bewährten Sitten und Gebräuchen aber auch Kriegszeiten mit Verwüstungen und Zerstörungen (etwa 1241, 1602, 1717, 1914, 1944), Naturkatastrophen, Seuchen (z.B. 1556), Brände (etwa 1758) und Hungersnöte. Meine Bistritzer haben wie die anderen Siebenbürger Sachsen in solchen Fällen immer wieder neu begonnen, sich aufgeraff t, zupackend neu aufgebaut, repariert und renoviert, ein Faktum, das nach dem großen Umbruch, der Evakuierung der Deutschen 1944, so, wie früher, nicht mehr möglich war.
Ich kenne niemanden, der in Bistritz wohnt oder Bistritz besucht hat, und mich nicht gesehen, nicht wahrgenommen hat. Gesehen, wahrgenommen? Was sage ich da? Bewundert, das ist das richtige Wort. Bewundert, ja, so richtig bewundert!
Was an mir zu bewundern ist? Sicherlich zunächst der knapp 200 Jahre nach der ersten urkundlichen Erwähnung von Bistritz (1264) schon ab 1478 in mehreren Etappen sich in die Höhe kämpfende und am Anfang des 16. Jh. fertiggestellte Turm mit vier Ecktürmchen (als Zeichen der Blutgerichtsbarkeit der Stadt), der mit seinen 75 Metern der höchste Kirchturm Siebenbürgens ist. Ebenso mein hochgotischer Hallenbau mit Emporegeschossen der Seitenschiff e, mit dem fi ligranen Netzgewölbe, mit hochgestreckten gotischen Fenstern sowie mit den zwei spätgotischen Portalen.
Wer mich genauer ansieht, wird feststellen können, dass meine riesige Westfassade – sie war während der letzten Jahre durch ein Baugerüst verdeckt - mit ihren angeblendeten dreigeschossigen Säulen im Giebel, ebenso wie die Säulen des Mittelschiff es, das Haupt- und ein Seitenportal mit rundbogiger Säulenumrahmung an die Renaissance, dem damaligen Modeschrei in der abendländischen Architektur, angepasst wurden. Dass ein Italiener wie Petrus Italus von der Renaissance mehr verstand als andere Baumeister, hängt natürlich auch damit zusammen, dass diese Kunstrichtung ihren Siegeszug in seiner Heimat Norditalien begann. Das Chorgestühl ist kunstvoll erarbeitet und zum Teil älter als der Kirchenbau. Viele Bänke der Seitenschiff e sind mit den Emblemen der Zünfte versehen. Bis vor einigen Jahren waren auch wertvolle Zunftfahnen im Mittelschiff aufgesteckt. Heute befi nden Sie sich - sorgfältig in Leinen verpackt – im Pfarrhaus und warten auf ihre kostspielige Restaurierung.
Leider – oder soll ich sagen: Gott sei Dank? – gibt es inzwischen auch Menschen, die mich genauer unter die Lupe genommen haben und feststellen mussten, dass ich sehr bedroht bin. Ich sehe aus der Ferne prächtig aus, mein Inneres, meine Substanz jedoch krankt. Krankt arg. Mir geht es seit geraumer Zeit so richtig an den Kragen.
Nein, ich meine nicht das Baugerüst, das mich in den letzten 15 Jahren etwas eingeschnürt hat. Nein, das wird ohnehin bald verschwinden und ich strahle dort wie vor 440 Jahren. Der obere Bereich ist schon 2004 abgebaut worden und der prachtvolle Giebelteil zeigt jedem, dass ich wirklich ein Juwel bin.
Nein, ich bange um meine Substanz als gewichtiges Bauwerk. Denn an weniger sichtbaren Stellen, da liegt manches im Argen. Ich meine zum Beispiel mein Dach. Statt seinen Dienst zu tun und meine Mauerteile und das kostbare gotische Gewölbe zu schützen, lässt '65s leider seit Jahren mehr und mehr an vielen Stellen die zerstörerische Nässe eindringen. Rund 30% des Daches – sagen die Fachleute zur Zeit – besteht aus schadhaften Stellen. Wenn man genau hin sieht, kann man leider die Löcher erkennen. Wenn da keine sofortige Abhilfe kommt, dann ist es trotz imposanter Westfassade mit meiner Pracht allmählich vorbei.
Hand aufs Herz: Was würden Sie tun, wenn es Ihnen durch das schadhafte Dach Ihres Hauses auf den Kopf regnet, Sie kein Geld für Reparaturen, jedoch relativ wohlhabende Kinder hätten, die allerdings längst nicht mehr in Bistritz wohnen, sondern etwa nach Deutschland, nach Österreich, in die USA, nach Kanada ausgesiedelt sind? Würden Sie an Ihre Nachkommen in aller Welt einen Appell richten, nach Herzenslust und Geldbeutelgröße zu helfen? Würden Sie sie auff ordern, sie bitten, sie anregen das Rettungsprojekt mit zu fi nanzieren? Etwa durch Spenden?
Also, ich in meiner großen Bedrängnis, ich würde es tun. Ich kostbares Juwel bin also, wie schon oft in meinem langen Dasein, wieder mal auf tatkräftige Hilfe angewiesen.
Einige Zeit war ich ratlos, denn meine jetzige Gemeindestruktur ist dergestalt, dass die zumeist alten und mittellosen rund 200 evangelischen Gemeindeglieder diese Last nicht bürden können. Die Mittel meiner Landeskirche in Hermannstadt sind ebenfalls begrenzt. Es ist somit zum Verzweifeln.
Bis vor Kurzem. Ich habe nämlich unlängst mit großer Freude erfahren, dass beherzte Nösner und deren Freunde, mich unbedingt retten wollen. Zu Pfi ngsten 2005 haben sie in Dinkelsbühl die Heimatortsgemeinschaft (HOG) Bistritz-Nösen als eingetragenen Verein aus der Taufe gehoben. Unter der Leitung seines Vorsitzenden Dr. Hans-Georg Franchy und seinem engagierten Team wurden sofort Nägel mit Köpfen gemacht. Alle bisherigen Spendengelder (27.000 €) für mich, die Bistritzer Kirche – so wurde vom Vorstand beschlossen – werden für meine Rettung eingesetzt. Die Firma „Creativ Group S.A.“ wurde beauftragt, das Kirchendach bis 1. November 2005 zu renovieren. Kostenpunkt: 42.300€. Also benötigt der Verein mindestens noch 15.000€... Ganz nebenbei sei bemerkt, dass allein zwischen 1997 und 2001 die Kirchengemeinde vor Ort, die Stadt Bistritz, das Landeskonsistorium, das Kulturministerium in Bukarest für die teilweise Sicherung des Dachstuhls, für Einspritz-, Steinhauer-, Befestigungsarbeiten und Bleiblechabdeckung an der Westfassade insgesamt 5.549.388.000,00 Lei, das sind umgerechnet 156.320,79€ schon bereitgestellt hat. Das ist wirklich ein großer Batzen Geld. Für das Jahr 2005 hat die Stadtverwaltung Bistritz außerdem ca. 30.000€ für den Abschluss der Renovierung der Westfassade beschlossen und am 13. Juni 2005 die Arbeiten wieder aufnehmen lassen.
Das freut mich ungemein, aber durch das Dach regnet es gewaltig weiter in mein Inneres.
Natürlich bemüht sich – wie mir unlängst bekannt wurde – der HOG-Vorstand Bistritz-Nösen um jede Möglichkeit der Mitfi nanzierung des Projekts: die Siebenbürgische Stiftung wurde kontaktiert, der rumänische Staat, die derzeitige Stadtverwaltung Bistritz.
Und Sie? Haben Sie sich schon überlegt, ob dieses nordsiebenbürgische Juwel gerettet werden sollte?
Haben Sie sich schon überlegt, was Sie persönlich tun könnten, um dieses nordsiebenbürgische Juwel zu retten? Die neugegründete HOG hat Ideen, hat Tatkraft, hat Geld. Jedoch nicht genug. Wie sehen Sie die Lösung dieser Frage?
Spendenkonto der HOG Bistritz Für Deutschland: Konto-Nr. 40084, BLZ 793 301 11 (Flessabank Schweinfurt) Für Österreich: Konto-Nr. 8133555, BLZ 34510 (Raiffeisenbank Salzkammergut Nord) Kennwort: „Spende Ev. Kirche Bistritz“ Bitte Name und Anschrift des Spenders angeben (auch wegen Spendenbescheinigung) Kontakt: Dr. Hans-Georg Franchy, Vorsitzender HOG Bistritz- Nösen • Wiehl-Drabenderhöhe • Tel. 02262/4408 • Mobil: 0171/6280561 • E-Mail: Hans.Franchy@t-online.de
Text: Horst Göbbel • horstgoebbel@gmx.de | Layout: Roland Göbbel • rolandgoebbel@gmx.de

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