Die Rache der Frauen

Wenn früher in Tekes die Frauen und Mägde begannen, wieder in die Rockenstube zu gehen, waren es nicht nur die Burschen, die den Mägden oft einen Schabernack spielten. Selbst junge Männer reizte es, ähnliches bei den Frauen zu tun.
So hatten Männer in einer Gasse, den Frauen, die ahnungslos in der Rockenstube saßen, von außen die Eingangstür so verriegelt, dass diese durch Hilferufe jemanden aus der Nachbarschaft holen mussten, um befreit zu werden. Das sollte nicht ungestraft bleiben.
Zwei der jungen Frauen suchten sich als Opfer einen der mutmaßlichen Täter aus. Nennen wir ihn Georg.
Er war leicht abergläubisch und gut geeignet für den Racheplan der Frauen. Von alters her gab es in Tekes eine Vorgangsweise, einem Feind ein Unheil zu wünschen, in dem man ihm ein sogenanntes „Knietschen", bestehend aus 7 Arten von Samenkörnern oder anderen Pflanzenteilen, in ein Papier packte und dem Betreffenden an die Haustür hängte.
Als Georg, dessen Frau nicht mehr lebte, an einem Abend nicht zu Hause war, machten die Frauen ein Knietschen und schnitten aus schwarzem Papier auch ein Kreuz aus. Das Knietschen hingen sie an die Haustür und das Kreuz an die Stalltür. Damit war nicht genug. Sie stellten die Pflugkarre vor die Haustür und beluden sie mit Brennholzscheiten.
Als Georg nach Hause kam wurde er nachdenklich. Das mit der Pflugkarre konnte als Scherz angesehen werden. Aber die Sache mit dem Knietschen und dem Kreuz bereitete ihm eine unruhige Nacht.
Am nächsten Tag ließ ihm die Sache keine Ruhe. Das Kreuz und das Knietschen getraute er sich nicht anzurühren, denn er hatte gehört, dass man da besonders vorgehen muss.
Am Abend ging er zu seiner Nachbarin, eine von den Rächerinnen, um Rat einzuholen. Diese tat sehr besorgt und schlug vor, ihre Mittäterin, eine andere Nachbarin zu holen, weil diese gut wahrsagen und die beste Antwort finden könne.
Die Nachbarin kam, vom Wahrsagen hatte sie natürlich keine Ahnung, drehte den Docht der Petroleumlampe tief herunter, dachte lange nach und gab dann Georg folgende Antwort: Das Knietschen werde ihm und das Kreuz seinem Vieh großes Unheil bringen, wenn die beiden nicht im Ofen seines Hauses verbrannt würden. Schon wollte Georg wegeilen, um dieses sofort zu erledigen. Aber unsere Wahrsagerin hielt ihn zurück und erklärte ihm, dass er das nicht tun dürfe, sondern nur eine fremde Vertrauensperson, und auf keinen Fall am Abend und in der Nacht, weil da die schlechten Geister zu viel Kraft hätten. Sie bot sich an, ihm dabei, gemeinsam mit ihrer guten Nachbarin, am nächsten Morgen zu helfen.
Am nächsten Morgen waren die beiden Frauen bei Georg. Als aber die eine das Knietschen mit der rechten Hand von der Haustür nehmen wollte, schrie Georg verzweifelt auf, dass sie die Hand sofort zurückzog. Georg wusste wenigstens so viel, dass man solche Dinge nur mit der linken Hand anfassen darf. So wurde es gemacht, und als sie in der Stube vor dem Ofen standen, und der ganze Scherz sich seinem Ende näherte, rief aus dem Hof ein Ochsenhändler nach Georg. Dieser ging hinaus, und schon hatten die zwei Freuen eine neue Idee, um das Leiden des armen Georg zu verlängern. Sie stopften etwas in den Ofen, das starken Rauch entwickelte und nahmen die Ringe von der Herdplatte. Bis Georg zurückkam, war die ganze Stube mit Rauch gefüllt.
Sie erklärten ihm, das Kreuz sei wohl verbrannt, aber das Knietschen sei so stark gewesen, dass es nicht verbrannt, sondern im Ofen hin- und hergesprungen, den Rauch verursacht habe und dann unverbrannt aus dem Ofen gesprungen sei. Dabei war es ja noch gar nicht im Ofen gewesen.
Sie vermuteten auch, das Feuer sei zu schwach gewesen. Georg legte viel trockenes Holz auf, und der zweite Verbrennungsprozess war geglückt. Die beiden gingen vergnügt nach Hause und lachten sich ins Fäustchen. Am Abend erschien Georg wieder bei der Nachbarin. Ihre gute Freundin war zufällig auch dort. Georg hatte seine Ruhe noch immer nicht gefunden. Er beklagte sich, der Rauch wolle nicht aus seiner Stube weichen, obwohl er sehr lange gelüftet habe, und fragte was das wohl zu bedeuten habe. Schon wollte die Nachbarin etwas Neues erfinden, als die „Wahrsagerin" sich nicht mehr beherrschen konnte und anfing laut zu lachen.
Da erst merkte Georg, wie schrecklich ihn diese beiden Frauen an der Nase geführt hatten. Er war etwas gekränkt, aber als gutmütiger Mensch hat er seinen Nachbarinnen bald verziehen.

Erwin Thot (Nach der Erzählung einer Tekeserin)

(Beitrag im „Heimatblatt der HOG“, Ausgabe 5, Februar 2000)

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