In der Falle

Ein Tekeser Bauer bewahrte die Äpfel aus seinem gepflegten Garten für die Winterszeit in seinem Keller auf den sogenannten Apfelbeeten auf. Diese standen nahe am kleinen Kellerfenster, in Tekes auch Kellerloch genannt.
Der Bauer merkte, dass die Äpfel vom Beet, aus der Nähe des Kellerlochs, allmählich verschwanden. Ihm fiel auf, dass eine Gruppe von Burschen, wenn sie am späten Abend aus der Rockenstube nach Hause gingen, des öfteren vor seinem Hause stehen blieben und sich eine kurze Zeit unterhielten. In ihm stieg der Verdacht auf, dass sie etwas mit dem Verschwinden der Äpfel zu tun haben könnten.
Er stellte sich einige Abende ans Fenster und wartete auf die Burschen. Sein Verdacht bestätigte sich. Während drei Burschen dicht am Kellerfenster standen und sich unterhielten, holte ein vierter mit einer Latte, die am Ende mit einem Nagel versehen war, Äpfel aus dem Keller und verteilte sie an seine Kumpanen.
Der erfinderische Bauer nahm am nächsten Tag ein dünnes Seil, machte an einem Ende eine Schlinge und hängte es ans Apfelbeet dicht neben dem Fenster. Als an einem der nächsten Abende die Burschen sich wieder einstellten, eilte er in den Keller und hielt die Schlinge vor das Kellerloch. Die Latte glitt durch die Schlinge und langsam erschienen auch Hand und Arm des Apfelklauers. Wie es diesem zumute war, als sich die Schlinge um sein Handgelenk zusammenzog und seinen Arm festhielt, können wir uns gut vorstellen.
Der Bauer ließ sich Zeit, zündete eine Laterne an und ging vor das Haus. Die drei Komplizen waren verschwunden und standen vielleicht im Gassentürchen eines Nachbarhauses, um zu beobachten was geschah. Der Bursche in der Falle erwartete eine Tracht Prügel, was aber nicht geschah. Der Bauer erinnerte sich daran, als Junge auch manchmal ein paar Äpfel aus Nachbars Garten geklaut zu haben, und es blieb bei einer ernsten Ermahnung und einer nachträglichen Rücksprache mit dem Vater des Burschen aus der Falle. Und damit war der Fall gelöst. Der Bauer mit der Schlinge war mein Großvater.

Erwin Thot

(Beitrag im „Heimatblatt der HOG“, Ausgabe 4, April 1999)

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