Unsere Muttersprache

22. Februar 2007

Allgemeiner Bericht

Möglich, dass auch manche Spätaussiedler aus Tekes gezögert haben, wenn sie in einem Formular die Rubrik „Muttersprache" ausfüllen mussten, und nicht recht wussten, ob sie da Sächsisch oder Deutsch hinschreiben sollten.
Eigentlich hat jeden die Mutter sächsisch sprechen gelehrt, und diese Muttersprache wurde auch mit Großeltern und allen sächsischen Dorfbewohnern im Alltagsleben gesprochen. Aber alle können auch das Deutsch sprechen, lesen und schreiben, das sie in der Schule gelernt haben, und mit dessen Hilfe sie sich auch mit jedem einheimischen Deutschen verständigen können. Deshalb fühlen wir uns auch als Deutsche, selbst wenn viele Unwissende uns dieses auch absprechen wollen. Was ist dann unsere sächsische Sprache? Nichts anderes als einer von den vielen Dialekten der deutschen Sprache, genauso wie der, den die Bayern, Schwaben oder andere Deutsche sprechen, vielleicht noch verständlicher als mancher von diesen und reich an Ausdrücken, die manche von uns selber noch gar nicht wahrgenommen haben. Als Beispiel möchte ich einen Tekeser Ausdruck, die Benennung des Schmetterlings geben, das „Spajelhilzken" (=das Spiegelhölzchen). Damit will gesagt werden, dass auf einem hölzchendünnen Körper so etwas sitzt wie ein Spiegel, ein bunter Flügel, dem gegenüber sein Spiegelbild, der zweite Flügel liegt.
Wie gehen aber viele unserer Spätaussiedler, darunter auch sehr viele Tekeser, mit der Pflege unseres deutschen Dialektes, dem Sächsischen um. Bei der jetzigen Situation, wo nicht nur Ausländer, sondern auch Spätaussiedler von einigen Einheimischen angefeindet werden, vermeiden es sehr viele, noch sächsisch zu sprechen, vor allem mit ihren Kindern, die noch die Schule besuchen. Oft wird dieses damit begründet, dass die Kinder sich weigern noch sächsisch zu sprechen. Triftige Gründe dafür hat mir bisher noch niemand genannt. Es ist möglich, daß die Kinder durch ihr mangelhaftes, oder durch das sächsisch beeinflusste Deutsch aufgefallen sind, und deshalb als Ausländer betrachtet oder angefeindet wurden, und selber nicht in der Lage waren zu erklären, dass sie dennoch Deutsche sind. Daran tragen aber die Eltern die Schuld, die ihren Kindern das nicht in einer einfachen Form erklärt hat. Ich erlaube mir, hier meine eigene Erfahrung kurz zu schildern. In Rumänien habe ich mit unseren beiden Töchtern deutsch gesprochen, damit sie schon vor dem Besuch des Kindergartens und der Schule die deutsche Sprache beherrschen. Meine Frau sprach mit ihnen und auch mit mir sächsisch. Als wir 1982 her nach Deutschland kamen, haben wir unseren Kindern, damals 3 und 6 Jahre alt, erklärt, dass wir in der Familie einen deutschen Dialekt sprechen, den unsere Vorfahren, die von hier aus Deutschland ausgewandert sind, Jahrhunderte hindurch bewahrt haben, und dass wir uns voll als Deutsche betrachten. Natürlich haben wir sie gebeten, in Anwesenheit anderer Kinder nicht sächsisch zu sprechen und sich zu bemühen, in der Schule so zu sprechen wie die anderen Kinder. Unseren Töchtern hört kein Mensch mehr an, dass sie jahrelang in Rumänien gelebt haben, aber sie sprechen mit uns und untereinander noch immer so wie vor 15 Jahren, und haben auch keine Hemmungen, manchmal, in Gegenwart von guten Freunden, sich sächsisch anzusprechen und ihren Freunden etwas über Siebenbürgenen zu erzählen, was nichts mit Dracula zu tun hat.
Ich weiß, dass die Generationen, die in Rumänien die Schule nach 1945 besucht haben, nichts von unserer sächsischen Geschichte erfahren konnten. Das kann man aber nachholen. Ich frage mich, ob man den Kindern etwas Gutes tut, wenn man mit ihnen ein Deutsch spricht, das ihnen nicht viel oder gar nicht hilft. Da ist es bestimmt besser, mit ihnen unseren sächsischen Dialekt zu sprechen, denn damit bereichert man die deutsche Sprache und unsere Kinder sind in der Lage, auch etwas von unserer sächsischen Literatur zu lesen und zu verstehen, wie zum Beispiel das Gedicht „Mottersprüch“ von Gustav Reich

Erwin Thot (Beitrag im „Heimatblatt der HOG“, Ausgabe 3, Februar 1998)

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