Erinnerungen an eine schwere Zeit

28. März 2007

Allgemeiner Bericht

Rosina Kaunz
Ich freue mich jedes Mal, wenn ich in unserem Heimatblatt etwas über unsere Heimat und die Leute erfahren kann, mit denen ich zusammengelebt habe. Viele, mit denen ich etwas gemeinsam erlebt habe, sind schon verstorben, so auch Johann Kliesch, über dessen Leben im Heimatblatt 1999 berichtet wurde. Als ich sein Bild erblickte, musste ich mich an etwas erinnern, was ich gemeinsam mit ihm, Katharina Stefani 13/194, deren Stiefvater Michael Müller 961/76 und Georg Schneider 150/12 erlebt habe.
Es war in den Jahren nach dem 2. Weltkrieg, als die meisten Männer und Frauen nach Russland verschleppt wurden und viele Männer in Kriegsgefangenschaft waren. Uns hatte man den Grund enteignet und viele von uns versuchten ihr Geld mit Schachern zu verdienen.
Mit den erwähnten Personen hatten wir aus Rumänisch-Tekes Büffelkälber gekauft und sie in der Scheune von Schneider geschlachtet, um das Fleisch im Burzenland zu verkaufen. Das war aber streng verboten.
Jemand hatte uns beobachtet und angezeigt. Unerwartet erschien der Richter und fragte uns streng, ob wir denn nicht wüssten, dass wir etwas Strafbares getan hätten. Ich antwortete ihm aber mit folgenden Worten: „Ja, das wissen wir, wissen aber auch, dass man uns den Grund genommen hat, unsere Leute nach Russland verschleppt hat und wir unsere Kinder nicht verhungern lassen können." Der Richter dachte kurz nach und verlangte von uns die Kälbermägen. Wir gaben ihm noch zusätzlich ein Stück Fleisch, und er ging. Wir verstauten das Fleisch in unsere Rucksäcke, luden diese auf den Pferdewagen des Herrn Figuli und bedeckten sie mit Heu. Weil es mir an dem Tag nicht gut ging, nahm ich mir ein Kissen und eine Decke, legte mich in den Wagen und los ging es in Richtung des Nachbardorfes Halmagen. Als wir uns dem Dorfe näherten stiegen alle, außer mir und dem Fuhrmann, vom Wagen und gingen den Altfluß entlang bis zur Altbrücke, die zwischen Halmagen und Schirkanyen liegt. Als ich mit dem Fuhrmann durch Halmagen fuhr, stand der Polizeichef gerade auf der Straße, hielt uns an und fragte nach dem Grund unserer Fahrt. Der Fuhrmann zeigte auf mich und sagte ich sei schwer krank und er bringe mich nach Fogarasch ins Krankenhaus.
Glücklicherweise glaubte er uns und ließ uns weiterfahren, ohne den Wagen zu untersuchen. Auf der Altbrücke trafen wir uns und fuhren bis zur Einfahrt nach Schirkanyen, wo die Asphaltstraße aus Richtung Fogarasch, durch Schirkanyen, nach Kronstadt führt. Hier wollten wir ein Auto anhalten, um damit nach Zeiden und Kronstadt zu gelangen. Dies gelang uns lange nicht und der Abend näherte sich. Endlich hielt ein Auto an. Aber aus diesem stieg der Polizeichef von Schirkanyen. Er befahl uns streng, dort zu bleiben und fuhr in den Ort. Da mussten wir schnell handeln. Wir nahmen das Fleisch von Johann Kliesch, pressten es noch in unsere Rucksäcke, der Fuhrmann fuhr weg, Kliesch mit einem kleinen Stück Fleisch im Rucksack blieb dort, und wir anderen stiegen über einen Zaun und liefen querfeldein in Richtung des anderen Dorfendes. Zwei Männer, die Vieh hüteten, hatten uns beobachtet. Wir versuchten im Schütze von Bäumen und Sträuchern weiterzukommen. Plötzlich bemerkten wir, dass einige Männer zu den Hirten kamen und diese etwas fragten. Diese zeigten in die Richtung, in die wir gelaufen waren. Da wussten wir, dass wir verfolgt wurden. Wir suchten dichtes Gestrüpp und legten uns auf unsere Rucksäcke. Die Männer näherten sich unserem Versteck, und uns schlug das Herz im Halse. Kurz vor unserem Versteck bogen die Männer ab und gingen zu einigen Frauen, die auf dem Feld arbeiteten und uns auch bemerkt hatten. Zu unserem Glück wiesen ihnen die Frauen eine ganz falsche Richtung, und wir konnten weiterlaufen. Um wieder zur Asphaltstraße zu gelangen, mußten wir den Schirkanyer Bach überqueren. Gerade diesmal führte er so viel Wasser, daß wir nur über die Eisenbahnbrücke ans andere Ufer gelangen konnten. Diese war aber von einem Soldaten überwacht. Wir waren schon der Verzweiflung nahe, als der Wachsoldat in sein Häuschen ging und wir schnell über die Brücke laufen konnten. Am Dorfende angelangt schickten wir Schneider ins Dorf zur Tankstelle, um zu erfahren ob man uns noch sucht und um vielleicht ein Auto aufzutreiben. Er kam bald zurück, denn überall wurde nach uns gesucht. Bald kam ein Lastauto angefahren, und bevor wir uns getrauten es anzuhalten, blieb es stehen. Schon glaubten wir, nun wirklich der Polizei in die Hände geraten zu sein, da stieg Johann Kliesch aus dem Auto, und wir konnten nun alle weiterfahren. Vergebens hatten wir geglaubt die Polizei los zu sein, denn in Persani hielt die Polizei den Lastwagen an. Dieser transportierte nämlich Kälber. Wir setzten uns alle nieder und zogen je ein Kalb vor uns, so dass der Polizist uns nicht beobachtete, als er in den Wagen blickte. Die Polizei waren wir auf unserem weiteren Weg los, kamen gut in Zeiden, beziehungsweise in Kronstadt an, verkauften das Fleisch und teilten nachher das Geld. Wir hatten gut verdient aber die Lust mit Fleisch zu schachern, war uns für immer vergangen.
Rosina Kaunz ist eine der ältesten Tekeserinnen und ein treues Mitglied unserer HOG. Obwohl sie seit den 50er Jahren nicht mehr in Tekes gelebt hat, ist sie Tekes treu geblieben. Inge Kaunz, die Ehegattin ihres Enkelsohnes hat die Erzählung der Frau Kaunz aufgezeichnet und uns zugesandt, wofür wir beiden herzlich danken.

Erwin Thot (Beitrag im „Heimatblatt der HOG“, Ausgabe 5, Februar 2000)

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