Die große Wende

2. Mai 2007

Allgemeiner Bericht

Was geschah vor 60 Jahren
Man schrieb das Jahr 1944. Noch tobte der zweite Weltkrieg, aber die deutsche Armee, verbündet mit rumänischen Truppen, befand sich auf dem Rückzug. Viele der Tekeser Burschen und Männer, die der deutschen oder rumänischen Armee angehörten, waren auf dem Schlachtfeld gefallen. Die Ostfront näherte sich der rumänischen Grenze, und kaum jemand glaubte noch an einen Sieg der Deutschen in diesem Krieg. Das einfache Volk, so auch die Einwohner von Tekes ahnten nicht, dass zwischen verschiedenen Vertretern Rumäniens und den Alliierten ( England und Amerika ) im Ausland geheime Verhandlungen über einen Waffenstillstand stattfanden. Rumänien wollte Anfangs die Bedingungen der Alliierten nicht akzeptieren. Als aber die Sowjetarmee am 20 August die rumänische Grenze erreichte, beeilten sich alle oppositionellen Kräfte, einschließlich König Michael der I, das Waffenstillstandsangebot der Alliierten zu akzeptieren. Am 23 August wurden Marschall Antonescu und seine Minister verhaftet. König Michael I. verkündete den Bruch mit Deutschland und die Einstellung der Kampfhandlungen. Es wurde eine neue Regierung unter General Sanatescu eingesetzt. Aber der Waffenstillstandsvertrag, in Wirklichkeit ein Diktat der Sowjetunion, wurde erst am 12. September unterzeichnet. Bis dahin verhielten sich die Russen weiter wie im Kriegszustand, nahmen etwa 13.000 rumänische Soldaten noch als Kriegsgefangene und verhielten sich wie eine Besatzungsmacht und nicht wie die oft gepriesenen „Befreier vom faschistischen Joch". Die Front brach auseinander, etwa 100.000 deutsche Soldaten wurden gefangen genommen. Ohne großen Widerstand gelangte die Rote Armee nach Siebenbürgen. Erst im nördlichen Teil Siebenbürgens bildete sich eine neue Front. Zahlreiche deutsche Soldaten, die diesseits der Front geraten waren, versuchten sich in Richtung Westen durchzuschlagen. Vorübergehend suchten sie Unterschlupf bei sächsischen Familien. So waren es etwa 20 deutsche Soldaten, die im abgelegenen und waldreichen Tekes eine Bleibe fanden, die bei einigen sogar mehrere Monate dauerte. Es war unvermeidlich, dass auch Rumänen, die den Sachsen nicht gut gesinnt waren, davon erfuhren und das höheren Behörden meldeten. Die älteren unter uns werden sich an die Aktionen erinnern, wo das ganze Dorf von rumänischen Soldaten umzingelt war und im Dorf Durchsuchungen stattfanden. Für diejenigen, die deutsche Soldaten versteckt hielten, bedeutete das eine große Gefahr, denn diese deutschen Soldaten, einst Waffenbrüder mit den rumänischen, galten jetzt als Feinde. Dennoch halfen unsere Tekeser diesen Menschen, denn so viele Tekeser Männer und Burschen lagen irgendwo, als deutsche Soldaten in einem Schützengraben, oder hatten bereits ihr Eeben für diesen grausamen Krieg geopfert. Seiten könnte man schreiben über die abenteuerlichsten Begebenheiten im Eeben dieser Soldaten, die alles versuchten, um ja nicht als Kriegsgefangene in Sibirien zu landen.
Wenden wir uns aber dem Schicksal unserer sächsischen Bevölkerung zu. Für sie konnte nicht die Eosung gelten, die Jahrzehnte bei den verpflichtenden Umzügen, am 23. August geschrieen werden musste, die übersetzt so lautete: „23. August hat uns die Freiheit gebracht". Tatsache ist, dass in der Zeit von 1940 bis 1944, wo die sächsische Bevölkerung von der deutschen Volkgruppe geleitet und vertreten wurde, vieles geschehen ist, was die Abneigung und sogar den Hass der Rumänen geschürt hat. Die ganze Organisation in Verbänden von Erwachsenen und Jugend geschah nach dem Vorbild des nationalistischen Deutschland. Die Schulen, bis dahin Jahrhunderte von der Kirche geleitet, wurden von der Volksgruppe übernommen, und es wurde versucht, viele der altbewährten Traditionen abzuschaffen. Was vor allem nach außen hin Anstoß erregte, waren die Massenauftritte, hauptsächlich in den Städten, in Uniform und mit Hakenkreuzfahnen.
Das alles aber war kein Grund dafür, die ganze sächsische Bevölkerung kollektiv als Kollaborateure Nazi-Deutschlands zu erklären und dementsprechend zu bestrafen. Das ist aber geschehen, und das war vielleicht der schwerste Schlag für das sächsische Volk, der das Ende seiner Geschichte eingeleitet hat. Eeider gibt es noch Dokumente in Rumänien, die den Historikern nicht zugänglich gemacht wurden. Dennoch weiß man, dass im Hinblick auf den 23. August, gewisse Kreise in Rumänien versucht haben es zu bewirken, dass die Rumäniendeutschen vertrieben werden sollten. Die Sowjetunion hat diesen Plan nicht gebilligt, das aber nicht aus Eiebe zu den Siebenbürger Sachsen und Banaler Schwaben, sondern weil sie diese als Arbeitskräfte für den Wiederaufbau der Sowjetunion haben wollten, was ja durch die Russlandverschleppung im Januar 1945 auch geschehen ist, eines der tragischsten Ereignisse in der Sachsengeschichte.
Nach stalinistischem Muster wurde auch in Rumänien der Klassenkampf eingeführt, nach dem nur arme Bauern und Arbeiter, also die so genannte Arbeiterklasse, als zuverlässige Staatsbürger betrachtet wurden, das Bürgertum als unzuverlässig galt und die so genannten Ausbeuter, wie Großgrundbesitzer und Fabrikanten aufs äußerste bekämpft werden mussten. Mit welcher Willkür dieser Klassenkampf geführt wurde, haben auch unsere Tekeser zu spüren bekommen, denn gleich nach dem 23. August, der so genannten Wende mussten zunächst einige wohlhabendere Sachsen daran glauben, als eine Art Großbauern (chiabur - sprich tjabur) eingestuft, und damit auch als Ausbeuter betrachtet zu werden, was sie zu besonderen Abgaben verpflichtete. Aber die kollektive Strafe sollte noch kommen, und zwar die Agrarreform durch die allen Sachsen ihr Grund enteignet, zunächst Zigeunern zugeteilt wurde und im Laufe der Zeit aber in den Besitz der Kollektivwirtschaft und der Staatsfarm überging. Bloß diejenigen Familien, deren Männer nach dem 23. August am Krieg gegen Deutschland teilgenommen hatten, bekamen Grund zugeteilt. Nicht zu vergessen, die Aktion, durch die Zigeuner, die neuen Landwirte, in sächsische Häuser einquartiert wurden und die sächsischen Bauern ihnen sogar Vieh und landwirtschaftliche Geräte abgeben mussten. Genaueres zu all diesen Ereignissen wird im Heimatbuch zu lesen sein.
Hier sei zum Abschluss folgendes gesagt: die ganze sächsische Bevölkerung bestand zu 70% aus Bauern. Der sächsische Bauer, so auch unsere Tekeser, fleißig und auch stolz, war durch Jahrhunderte an Haus, Hof und Grund gebunden. Durch diese Maßnahmen wurde er entwurzelt, in den meisten Fällen zu einem Tagelöhner degradiert und musste sich oft den Anordnungen von Menschen fügen, die von Landwirtschaft keine Ahnung hatten. Krieg und Russlandverschleppung kostete Menschenopfer und rissen auch viele Familien auseinander. Und damit wurde im Jahre 1944 das Ende einer 850 Jahre alten Geschichte eingeleitet. Wir sollten aber nicht den ähnlichen Fehler begehen, der an uns Rumäniendeutschen, durch die kollektive Verurteilung gemacht wurde, und sagen, was oft geschieht, dass die Rumänen uns das alles angetan haben. Die Hauptschuld liegt an den Diktatoren und ihren Helfershelfern, die ganze Völker in einen schrecklichen Krieg getrieben haben, dessen Ende uns Siebenbürger Sachsen leider nicht die viel gepriesene Freiheit gebracht hat.

Erwin Thot (Beitrag im „Heimatblatt der HOG“, Ausgabe 9, Februar 2004)

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