Das Frühjahr im alten Tekes

2. Mai 2007

Allgemeiner Bericht

Was uns an Tekes erinnern möge
Dieser Bericht möchte als Fortsetzung meines Beitrages über die Winterszeit im alten Tekes gelten, der im Heimatblatt 2003 veröffentlicht wurde, damit vor allem jüngere Menschen sich vorstellen können, wie ihre Tekeser Vorfahren vor etwa 70-80 Jahren und früher gelebt haben.
Wenn nach einem meist schneereichen und kalten Winter die Sonne den Schnee langsam schmelzen ließ, die Meisen und Buchfinken mit ihrem Gesang den Frühling ankündigten und über Tekes, das Dorf zwischen den Wäldern, sich ein feucht-würziger, aber angenehmer Geruch verbreitete, ging für die Tekeser Bauern die Zeit eines gewissermaßen ruhigen und gemütlichen Lebens zu Ende. Jetzt ging es darum, alles nötige vorzubereiten und zu tun, dass im Herbst eine gute Ernte eingefahren werden konnte, von der eine mehrköpfige Familie leben musste.
Es war die Aufgabe der Frauen, das Haus von Grund auf zu reinigen, denn durch Spinnen, Weben und die vielen Besucher in der Rockenstube, hatte sich zu viel Staub und Schmutz angesammelt. Das Haus wurde innen und auch außen gestrichen, der Fußboden gescheuert und die Fenster ordentlich geputzt. Der Garten musste umgegraben werden, wenn das nicht schon im Herbst geschehen war und je nach Temperaturverhältnissen wurden die Gemüsesamen ausgesät. Nicht zu vergessen die Aussaat von Gemüsesamen auf der Fensterbank, für Pflänzchen, die dann im Garten oder Gemeindekrautgarten gesetzt wurden. Das im Winter gesponnene Garn wurde auf dem Haspel zu Strähnen gebündelt, in Aschlauge gewaschen („gebocht"), am Bach gefleit und in der Frühlingssonne getrocknet.
Die Männer brachten die geflochtenen Gartenzäune in Ordnung, lösten die Strohringe von den Obstbäumen, verbrannten diese und schnitten vertrocknete Äste von den Bäumen ab. Landwirtschaftliche Geräte wurden überprüft und das Saatgut vorbereitet. Wichtig für den Aussaattermin waren die überlieferten Kenntnisse der Vorfahren und die gegebenen Wetterverhältnisse.
Im März wurde auf das gehegte Brachfeld, oder auch ins Kornfeld bereits Hafer gesät, selten Gerste. Stichtag für den Beginn der Aussaat anderer Pflanzen war gewöhnlich der „Georgtag" („Garchendoch") der 24. April. Kurz vorher wurden Futterrüben gesät, dann erst der wärmeliebende Mais, der für die Ernährung der Bauern so wichtig war. Ins Maisfeld wurden gleichzeitig, vereinzelt auch Kürbisse gesät, seien es nun Futterkürbisse („Schweinjskerbes") oder Speisekürbisse („Harrenkerbes"), die gebraten herrlich schmeckten. Später kamen an den Rand der Maisparzellen noch Hanf für die Erzeugung von Hanfsamen und auch Buschbohnen („hüechan Fisojen"). Bohnen waren eines der wichtigsten Nahrungsmittel unserer Tekeser Bauern. Wenn keine Frostgefahr drohte wurden die Kartoffeln gesetzt. Früher, um die Jahrhundertwende, haben einige Tekeser auch Hopfen angebaut, den sie an Bierbrauereien verkauften.
Rüben, Mais und Kartoffeln verlangten viel Arbeit. Zwei- bis dreimal mussten sie gehackt, Mais und Kartoffeln auch noch gehäufelt werden. Moderne Maschinen, wie sie heute benutzt werden gab es nicht, dafür harte Arbeit, von Tagesanbruch bis in die späten Abendstunden. Weil der Bauer sich nicht nur von Brot, Paluckes, Kartoffeln und Bohnen ernährte und sich nicht bloß auf einen Traktor setzen konnte um damit fast alle Feldarbeiten bestreiten zu können, musste er auch Vieh halten, wie Pferde, Ochsen, Büffel, Kühe, Schweine, Schafe und Federvieh.
Im Frühjahr ging das, in Scheune und Keller gelagerte Viehfutter langsam zu Ende, und alle warteten auf warme Tage, wo das Gras zu wachsen begann und das Vieh auf die Weide getrieben werden konnte. Vor dem Viehaustrieb wurden die Weiden, in Gemeinschaftsarbeit, von Dorngestrüpp gereinigt und die Brücken überprüft und repariert, um zu vermeiden, dass Tiere verletzt wurden.
Im März bewarben sich meist ärmere Leute, die wenig Grund besaßen, oft Rumänen oder Zigeuner, um eine Hirtenstelle. Für jede Herde wurden 2-3 Hirten gewählt, die dann für jeden Hof die Anzahl der Tiere registrierten, die zur Weide getrieben wurden. Meist begann der Viehaustrieb um den 24. April. Aus frühesten Zeiten galt da eine bestimmte Reihenfolge. Bereits 5 Uhr wurden die Pferde zur Weide getrieben, dann folgten die Ochsen, Kühe, Büffel, Kälber und zuletzt die Schweine. Die Hirten begannen das Vieh von den Dorfenden zu sammeln, um es, mit Ausnahme der Büffel und den Schweinen, durch das so genannte Gässchen in den großen Wald, mit den Jahrhunderte alten Eichen, zu treiben. Die Büffel gelangten durch die Pantja, vorbei an der Zigeunersiedlung auf die Weide. Die Schweine wurden auf das Brachfeld getrieben. Manchen müden Bauern oder Bäuerin, die verschlafen hatten, weckte der Knall der langen Peitsche, welche die Hirten immer bei sich hatten. So manche Bäuerin, die entweder zu spät aufgestanden war, oder wegen der störrischen Büffelkuh mit dem Melken nicht zeitgerecht fertig wurde, musste in aller „Herrgottsfrüh" einen richtigen Dauerlaufmachen, um ihr Vieh zur Herde zu bringen, bevor diese das Dorf verließ.
Menschen sprechen von den „guten, alten Zeiten", obwohl sie so schwer arbeiten mussten. Meine Erklärung ist: Sie waren eigener Herr, der über Haus, Hof und Grund verfügte, waren genügsam, von klein auf an schwere Arbeit gewöhnt und konnten sich um so mehr an dem Guten und Schönen, was ihnen das Leben in der Familie und auch in der Gemeinschaft bot, freuen.
In Tekes gab es meist 2 Schafherden. Seit frühesten Zeiten waren die Hirten Rumänen, weil diese über die meiste Erfahrung in der Haltung der Schafe verfügten. Wenn kein Schnee lag und es nicht zu kalt war, wurden Schafe schon im Spätwinter auf das Brachfeld getrieben, kamen aber abends ins Dorf. Erst im Frühjahr wenn es genügend Grünfutter gab, blieben sie ständig draußen, bewacht von den Hirten, die in ihrem hölzernen „Meierhäusern" („Mores") übernachteten, unterstützt von ihren gefürchteten Hunden, denn in den Tekeser Wäldern gab es Wölfe, die ab und zu nachts ein Schaf rissen. Für jedes Milchschaf erhielten die Bauern im Jahr eine bestimmte Menge Käse und etwas Urda. Die Vergütung der Hirten war verschieden im Laufe der Zeit. Tradition blieb, dass sie an Feiertagen von den Leuten Hanklich und von einigen auch etwas Schnaps erhielten.
Ostern war der bedeutendste Feiertag im Frühjahr. Am Gründonnerstag fand der Beichtgottesdienst statt, am Karfreitag ein Gottesdienst mit Abendmahl. Am ersten Ostertag galt es nicht, sich zu vergnügen. Bloß die Kinder erhielten gefärbte Eier und vergnügten sich beim so genannten „Totzen", wo zwei Kinder die Eier mit den Spitzen aneinander schlugen und derjenige Sieger wurde, dessen Ei heile blieb. An verschiedenen Tricks fehlte es da nicht, um zuletzt als Sieger da zu stehen. Erst in den Jahren vor dem 2. Weltkrieg hat es sich in Tekes eingebürgert, dass am zweiten Ostertag die Jungen, und am dritten die Mädchen spritzen gingen. Die einzige Tanzunterhaltung im Gemeindesaal, fand am 2. Ostertag statt und wurde von der Jugend organisiert. Ein Brauch, den es in ähnlichen Formen auch in anderen sächsischen Gemeinden gab, war in Tekes das „Schießen des roten Hahns". Eine Gruppe von Burschen kauften einen roten Hahn und am dritten Ostertag versammelte sich die Jugend am Dorfende, im Zöllnergraben. Ein Jäger stellte sein Gewehr zur Verfügung und unter seiner Leitung und seinen Anweisungen konnten die Burschen, gegen ein Entgelt es versuchen, den Hahn zu erschießen, der am Westabhang des Zöllnergrabens, angebunden an einem Pfahl, ahnungslos auf sein Ende wartete. Damit das Spektakel nicht beim ersten Versuch schon zu Ende ging, ist gelegentlich ein wenig getrickst worden, indem der Jäger manche Patrone in den Gewehrlauf steckte, die nur Pulver, aber keine Schrotkugeln enthielt, was die ahnungslosen Jugendlichen nicht bemerkten. Derjenige der den Hahn tödlich traf, durfte beim Verzehr des Hahnes dabei sein. Über den tieferen Sinn des „Hahnenschießens" soll an anderer Stelle berichtet werden.
Selbst wenn im Frühjahr schon fest gearbeitet werden musste, hatte die Jugend das Bedürfnis, sich zu unterhalten. An Sonntagen, bei schönem Wetter, nach dem Frühgottesdienst, dem gemeinsamen Gottesdienst von Jung und Alt, und dem Nachmittagsgottesdienst - nur für die Jugend bestimmt - auch „Vesper" genannt, ging die Jugend in ihrer Festtracht entweder in den Zöllnergraben oder auf die flache Wiese, neben den Gärten „hinter der Kirche" am Dorfende. Dort wurde gesungen und Gemeinschaftsspiele gespielt, die vielen Jugendlichen die Gelegenheit boten, ihre gegenseitige Neigung zum Ausdruck zu bringen. Wenn Anfang Mai das Gras geschont werden musste, versammelten sich die Jugendlichen bei schönem Wetter im Tanzgarten. Burschen brachten Samstag eine Fuhre gelben Sand mit dem sie die Tanzfläche herrichteten. Die Mägde versammelten sich Sonntag in der Früh, reinigten den Garten und brachten die Blumenbeete in Ordnung. Am Nachmittag spielten dann die Adjuvanten, manchmal auch ein Ziehharmonikaspieler zum Tanz auf. Rings um den Tanzgarten saßen auf mitgebrachten Stühlen und Bänken die „Alten", vor allem Frauen, und freuten sich am Tanz der zahlreichen Jugend. Natürlich nahm die Neugier auch ein wichtigen Platz ein, so dass man genau wusste, wer mit wem wievielmal getanzt hatte....!
Wenn wir über den Sonntag sprechen, sollte hier auch erwähnt werden, dass sich an diesem Tag die Leute nicht nur reinlich und schön kleideten, sondern im Hof und auf der Straße, vor ihrem Hof, für Reinlichkeit sorgten. Am Samstagnachmittag wurde oft schon der Hof gekehrt und Sonntagmorgen, nach dem Viehaustrieb, die Straße. Und bevor das Vieh von der Weide heimkehrte, musste auch im Tanzgarten Schluss gemacht werden.
Erwähnen möchte ich noch folgende Festlichkeiten. Der 1. Mai wurde, nicht wie nach 1945 als Tag der Arbeiterklasse gefeiert, sondern als Tag der Freude für den Frühlingsbeginn, das Erwachen neuen Lebens. Die Adjuvanten spielten am Morgen des 1. Mai auf dem Kirchberg die altbekannten Lieder „Der Mai ist gekommen" und unser sächsisches Lied „Der Mo äs wedjer ha". Für die Bauern bleibt es aber ein Arbeitstag.
Als eine Überlieferung aus der Zeit, als die Siebenbürger noch katholisch waren gilt das „Grigorifest", das am 10. Mai gefeiert wurde. Leider ist dieses Fest während des 2. Weltkrieges und danach nicht mehr gefeiert worden. In Festtracht gekleidet marschierten Schulkinder und Jugend hinaus, an den Rand des großen Waldes, wo unter den großen Eichen Tanzplätze errichtet und getanzt wurde. Essen wurde von zu Hause mitgenommen, Wirtsleute („die „Letjhiewer") brachten Tische, Bänke und das seinerzeit übliche Getränk, Schnaps, Bier und Wein mit, so dass die erwachsenen Männer zu ihrem Recht kamen. Für Jugendliche und Schulkinder gab es Alkoholverbot und für Frauen „schickte" es sich nicht Alkohol öffentlich zu trinken.
Mit dem Pfmgstfest könnte man den Frühling abschließen. Es war eine schöne Tradition, dass Burschen am Vorabend ihrem „Läwken" oder einer Magd, um deren Gunst sie sich bemühten, vor das Haus eine junge Birke stellten. Dafür wurden sie dann am Pfingsttag zu einem Essen eingeladen. Es gäbe noch viel über die Frühlingszeit im alten Tekes zu berichten. Das würde aber den Rahmen unseres Heimatblattes sprengen. Möge aber dieser Bericht manche unserer jungen Leute, die diese Zeit nicht selber erlebt haben, anregen, sich von ihren Großeltern etwas über das Leben von einst in Tekes erzählen zu lassen.

Erwin Thot (Beitrag im „Heimatblatt der HOG“, Ausgabe 9, Februar 2004)

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